Fußball-Weltverband:"Nicht ungebührlich"

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"Die Wahrheit hat sich durchgesetzt": Fifa-Präsident Gianni Infantino dankte allen, die mit der Ethikkommission zusammengearbeitet hatten. (Foto: Afolabi Sotunde/Reuters)

Gleich in den ersten Wochen von Präsident Infantino eröffnete die Ethikkommission der Fifa ein formelles Verfahren gegen ihn - nun wurde es beendet.

Von Thomas Kistner, München/Zürich

Nun wird es also doch nicht ernst für Gianni Infantino. Nur fünf Monate präsidiert der Schweizer dem Fußball-Weltverband, gleich in seinen ersten Wochen eröffnete die Ethikkommission der Fifa ein formelles Verfahren gegen den Schweizer - das sie am Freitag jedoch beendet hat. Im Fokus standen Infantinos Privatflüge in den vergangenen Monaten, es ging um den Verdacht der Annahme von Geschenken in Form eines Familienausflugs zum Papst sowie um Interessenskonflikte hinsichtlich anderer Reisen. Am Freitag teilte die Ethikkommission mit, dass sie keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Ethik-Code gefunden hätte. "Nach gründlicher Prüfung aller maßgebender Beweismittel" seien die Ermittler zu dem Schluss gekommen, dass die Vorwürfe ins Leere führten, teilte die Ethik-Kammer mit.

Seit Ende Mai liefen die Voruntersuchungen, rund 20 Zeugen wurden dabei vernommen. Die Spruchkammer um den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert bestätigte die Entscheidung. Vanessa Allard aus Trinidad und Tobago, die das Verfahren leitete, konnte keine "relevanten Interessenkonflikt-Situationen mit Bezug zu Gianni Infantinos Position als Fifa-Präsident" feststellen. Die Vorteile, von denen Infantino profitiert habe, "wurden im Lichte der anwendbaren Fifa-Bestimmungen nicht als ungebührlich erachtet". Am Freitagmittag teilte die Fifa mit, dass sich Infantino bei allen bedanke, "die mit der Ethikkommission zusammengearbeitet haben, damit die Fakten auf den Tisch gekommen sind und sich die Wahrheit durchgesetzt hat". Er wolle sich nun "weiter auf die Fußballförderung und die Arbeit zur Verbesserung der Organisation konzentrieren".

Infantino hatte im Mai mit Familienangehörigen eine Audienz beim Papst. An- und Abreise erfolgten im Privatjet eines Gönners aus dem Umfeld russischer Oligarchen. Der angeblich als Privatier im Vatikan vorstellige Infantino überreichte Franziskus ein Fifa-Trikot, er trat als Fifa-Präsident auf und sprach über Fußball. Zu klären wäre demnach gewesen, ob die Reise, bei der auch Infantinos Mutter im Privatjet mitreiste, nicht eine offizielle Fifa-Mission war. Auch erhält der Vatikan bei Audienzen üblicherweise Spenden für karitative Zwecke; Amtsvorgänger Blatter hatte bei offiziellen Rom-Reisen reichhaltige Geschenke der Fifa präsentiert.

Im Juni 2015, nach Ausbrechen des großen Fifa-Korruptionsskandals, wies der Vatikan allerdings sogar eine Spende des südamerikanischen Erdteilverbandes Conmebol zurück: Das von Franziskus initiierte Bildungsprogramm Scholas Occurrentes will von dort erst wieder Geld annehmen, wenn das FBI diese Geschäftswelt geklärt habe, teilte die Organisation mit. Sie hatte mit Conmebol vereinbart, dass der Verband für jedes Tor und jeden parierten Elfmeter beim Kontinentalturnier Copa América in Chile 10 000 Dollar an Scholas spendet.

Trat Infantino also nur mit Blumenstrauß und persönlichen Mitbringseln vor den Pontifex? Auch die Frage stellte sich. Falls die privat gesponserte Reise offiziellen Charakter hatte, könnte die Annahme von Geschenken vorliegen.

Im Fokus standen weitere Privatflüge Infantinos, im Wert von bis zu 150 000 Dollar, ermöglicht von den Herrschern Russlands und Katars. Hier bestand der Verdacht auf Interessenskonflikte. Infantino war im Privatjet zur Kontrolle der WM-Vorbereitungen für 2018 und 2022 gereist. Am 18. April ging es von Genf nach Moskau, am 20. April weiter nach Katar, am 22. April zurück nach Zürich. Unterstützt wurde der Komfort-Trip auch von einem russischen Energieriesen (Gazprom), der Fifa und Uefa sponsert. Was den ohnehin stark durch die olympischen Tumulte begründeten Verdacht nährt, dass Moskaus Tentakel in alle Winkel des Weltsports ausreichen.

Es ging um den Verdacht der Annahme von Geschenken

Die Fifa hatte der SZ damals zum Sachverhalt mitgeteilt, die Reise sei im Privatjet erfolgt, weil nur so die Termine mit den Staatschefs sicher einzuhalten waren. Der Vorgang sei aber doch unbedenklich: Die Kosten hätten die WM-OKs bestritten, aus Mitteln, welche die Fifa ja selbst an diese ausgereicht habe. Zu klären wäre gewesen, wer wirklich die Kosten trug.

Problematisch ist dabei auch, dass gegen beide WM-Veranstalter Korruptionsermittlungen laufen. Überdies zeigen interne Papiere, dass die Fifa-Reisestelle für Infantino bereits Linienflug-Tickets für rund 7300 Dollar gebucht hatte. Die fünftägige Privatreise wird hingegen auf bis zu 150 000 Dollar Gegenwert taxiert.

Ähnlich die Situation um eine Reise nach Slowenien, die der Fifa-Boss Anfang Mai in einem Geschäftsflieger der Uefa unternahm. Bei Ljubljana weihte er das Verbandszentrum des nationalen NZS ein, Präsident Aleksander Čeferin dankte herzlich. Er könnte bald mehr für Infantino tun: Čeferin hat beste Karten bei der Uefa-Präsidentenkür im Herbst.

Die Fifa-Ethiker hatten schon Infantinos Amtsvorgänger Blatter sowie dessen langjährigen Chef an der Uefa-Spitze, Michel Platini, für mehrere Jahre gesperrt - bei der Zwei-Millionen-Zahlung zwischen Blatter und Platini war die Sachlage jedoch deutlicher.

Die Ethiker der Fifa verpassten es nun, die elementare Bedeutung unabhängiger Aufpasser zu zeigten. Dass es zu einer Verfahrens-Eröffnung gegen den neuen Präsidenten kam, schickte zunächst ein deutliches Signal: Dass es gerade im Sport keine Sonnenkönige mehr geben darf, die mit den Reichen und Mächtigen in Hinterzimmern dealen - und faktisch trotzdem unantastbar sind. Dieses Signal hat die Ethik-Kommission nun durch das Schließen der Akte Infantino allerdings selbst geschwächt.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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