Fußball-Relegation:Nur fest dran glauben

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"Das Ding ist noch nicht durch": Seligenportens Trainer Roger Prinzen warnt seine Mannschaft vor dem Rückspiel. (Foto: imago/Zink)

Für den SV Seligenporten ist der nicht für möglich gehaltene Regionalliga-Verbleib plötzlich wieder nah - Gegner Viktoria Aschaffenburg gibt sich freilich trotz der Hinspiel-Niederlage nicht auf.

Von Christian Bernhard

Roger Prinzen hat kürzlich eine lange Whatsapp-Nachricht verfasst. Eine Nachricht, die sehr überzeugt klang und damit überspielte, dass er keinen Einfluss darauf hatte, ob die von ihm beschriebene Situation überhaupt eintreten würde. Prinzen schrieb also in den Mannschafts-Chat: "Wir fahren nach Aschaffenburg. Wir fahren da hin." Der Trainer des Regionalligisten SV Seligenporten wollte, dass seine Spieler "mit allen Sinnen spüren" und darauf vorbereitet waren, dass sie am Donnerstag in den Bus nach Aschaffenburg einsteigen würden. Anscheinend, sagte er am Freitag, "haben das viele gemacht".

Trainer Prinzen hat den Spielern erklärt, sie müssten bereit sein - ohne zu wissen wofür

Das kann man so sagen: 2:0 gewann der SV Seligenporten am Donnerstagabend das Hinspiel der ersten Relegationsrunde zur Regionalliga beim Bayernligisten Viktoria Aschaffenburg. Bastian Herzner (25.) und Tobias Kramer (48.) erzielten die Tore vor 2547 Zuschauern, die nach einem sehr druckvollen Start der Viktoria euphorisiert gewesen waren. Herzners 1:0 nach einer Standardsituation erstickte diese Euphorie jäh. "Geschockt" seien die Aschaffenburger gewesen, sagt Prinzen, "auf einmal war es mucksmäuschenstill im Stadion." So habe seine Mannschaft das Spiel auf ihre Seite bekommen. Diese hat nun eine ideale Ausgangsposition für das Rückspiel am Montag in Seligenporten (16 Uhr). Der bis vor kurzem nicht für möglich gehaltene Klassenverbleib ist plötzlich zum Greifen nah.

Die Ausgangslage war ja sehr speziell gewesen: Zehn Tage lang war der SVS im Unsicheren, erst am Dienstagabend war klar, dass er als 17. der Regionalliga-Abschluss-Tabelle noch im Rennen um den Klassenverbleib war - nach dem Abstieg der Profis des TSV 1860 München aus der zweiten Liga, der nach sich zog, dass die zweite Mannschaft der Löwen aus der Regionalliga absteigen muss. Prinzen spricht von einer "mentalen Geschichte", wenn er rückblickend über diese Konstellation spricht: "Wie willst du einem Ziel nacheifern, von dem du gar nicht weißt, erreiche ich das? Tritt es überhaupt ein?"

Der ehemalige Trainer der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg, der erst Ende April den Trainerjob in Seligenporten übernommen hatte, sah die Situation als Herausforderung an. Eine, die ihm gut ins Konzept passte. Prinzen beschäftigt sich generell mit dem Thema Coaching, "mich interessiert es, mit Menschen zu arbeiten", sagt er. Sein Hauptaugenmerk lag darauf, den Spielern klar zu machen, dass sie bereit sein müssen. "Nicht: Hoppala, ich muss jetzt nach Aschaffenburg fahren." Prinzen glaubt, dass etwas eher eintritt, wenn man nur fest daran glaubt. Obwohl er und seine Mannschaft in dieser Situation überhaupt keine Einflussmöglichkeiten hatten, der Ball lag einzig und allein beim TSV 1860 München.

Viktoria-Coach Seitz weiß aus eigener Erfahrung, wie man Fußball-Wunder realisiert

Schon bei seinem Amtsantritt in Seligenporten hatte er verkündet: "Das ist für uns die Vorbereitung auf eine mögliche Vorbereitung, falls 1860 absteigt." Er selbst gab sich dabei nach außen sehr gelassen. Die Nachricht, dass die Löwen in die Zweitliga-Relegation mussten, nahm er nebenbei bei einem Kaffee nach einer Radtour auf. Das Relegations-Rückspiel der Löwen gegen Jahn Regensburg verfolgte er erst von der zweiten Hälfte an im Fernseher. Es gab kein gemeinsames Mannschafts-Gucken.

Auch für Aschaffenburgs Trainer Jochen Seitz war die Situation nicht leicht gewesen. Er hatte erst am Dienstagabend erfahren, dass es gegen Seligenporten geht, und nicht gegen den SV Schalding-Heining. Die ganze Situation, mit der nach hinten verschobenen Relegation, hatte er als "Katastrophe" bezeichnet. Der Sprung in die Regionalliga sei hoch, "da stoßen wir mit unseren Mitteln an eine Grenze", sagte er nach dem 0:2.

Prinzen gibt sich dennoch zurückhaltend, er will die Spannung bei seiner Mannschaft hochhalten. Die Entscheidung sei nach wie vor offen, sagte er, "es ist noch nicht gelaufen". Seine Spieler haben das angeblich verinnerlicht. Jeder, so Seligenportens Trainer, sei sich bewusst, "dass das Ding noch nicht durch ist".

Seitz spricht von einer "extrem schwierigen" Situation, "aber aufgeben werden wir uns nicht", betonte er. Er weiß aus erster Hand, wie Fußball-Wunder Realität werden können: Im Mai 2000 half er als Spieler der SpVgg Unterhaching tatkräftig mit, die letzten Bundesliga-Titelhoffnungen von Bayer Leverkusen zu begraben. Beim denkwürdigen 2:0-Sieg der Hachinger, der den FC Bayern in letzter Minute zum Meister und Leverkusen zu "Vizekusen" machte, bereitete er das 2:0 von Markus Oberleitner vor.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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