Fußball: Red Bull Salzburg:"Was soll ich mit dem?"

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Huub Stevens, neuer Trainer bei Red Bull Salzburg, stellt ein halbes Dutzend unbekannter Spieler vor, der Testspiel-Gegner FC Bayern ist nur Beiwerk.

Michael Smejkal

Es gibt sie, die Sprüche, an die man ein ganzes Leben lang erinnert wird, mit denen man zitiert wird und die doch meist ein ganz falsches Bild von einer Person zeichnen. Interessant ist, dass viele davon aus dem Bereich des Fußballsports stammen. So hat sich selbst der stets so bedächtig, überlegt und vor allem selten formulierende Milliardär Dietrich Mateschitz in der Emotion zu einem Zitat hinreißen lassen, an dem sein Fußball-Engagement nun gemessen wird. "Fußball ist ein intelligentes Strategiespiel", hat er dereinst im Frühjahr 2005 befunden, als er nach dem Kauf des Salzburger Traditionsklubs Austria in das Marktsegment rundes Leder eingestiegen war.

Huub Stevens ist seit Saisonbeginn Trainer bei Bayerns Testspiel-Gegner Red Bull Salzburg. (Foto: Foto: Imago)

Vier Jahre, vier Trainer und ein ganzes Dutzend in Ungnade gefallener Sportdirektoren und Fußballbeauftragter (zu denen sich auch Franz Beckenbauer zählen darf) später wartet man in Salzburg immer noch auf das Ziel der Strategieübung, welches so klar vor Augen und dennoch fern liegt: die Champions League. Als fünfter Trainer in fünf Jahren kann der neue Übungsleiter Huub Stevens im Unterschied zu den Vorgängern wenigstens befreit von Sozialromantik an die Arbeit gehen.

Red Bull tut, was es am besten kann

Dabei hat Stevens den schönsten und einfachsten seiner Arbeitstage an diesem Freitag vor sich. Dann zeigt sich, was das Unternehmen Red Bull weltweit so groß gemacht hat: Marketing, Marketing, Marketing. Schon in der Früh werden Journalisten mit einer der historischen Privatmaschinen des Unternehmers in dessen privates Flugzeugmuseum Hangar 7 am Salzburger Flughafen geflogen, wo ab Mittag die große Mannschaftspräsentation steigt.

Am Abend kommen Gäste vorbei, und wenn der FC Bayern in seiner Geschichte je Beiwerk zu einer Veranstaltung war, dann an diesem Tag und dort vor 30.000 Zuschauern in der ausverkauften EM-Arena. Das war nicht viel anders, als man einst Arsenal zur Eröffnung des Oberranges eingeladen hat, man gewann 1:0, feierte sich selbst - und dann trennten sich die Wege. Für Arsenal ging es in die Champions League, für Salzburg zum SV Ried.

Das Umschalten auf den Alltag wird auch für Stevens und seine für österreichische Verhältnisse einzigartige Millionentruppe schwierig werden. Bereits am kommenden Mittwoch treffen die Salzburger in der Champions League-Qualifikation auf Bohemians Dublin, und Stevens soll in drei Vorrunden wahr machen, was allen seinen Vorgängern misslungen ist: die Qualifikation für die Gruppenphase.

Das exotische Österreich

Deswegen sei er auch gekommen, sagt Stevens, auch weil in Salzburg etwas ganz Großes in Sachen Fußball entstehen würde. Wer möchte da nicht gerne dabei sein? Vor wenigen Wochen hat das noch etwas anders geklungen bei Mijnheer Stevens, er sprach in deutschen Zeitungen davon, dass er eine Aufgabe in einem exotischen Land annehmen werde. Aber wahrscheinlich ist das mittlerweile die internationale Sichtweise auf Fußball in Österreich.

Abseits aller Exotik steckt der Niederländer in derselben Klemme wie seine Vorgänger. Für Österreich ist die Mannschaft zu groß, zu teuer und zu überlegen, international reichte es bisher dann doch nicht. Auch nicht zur Verpflichtung eines Stars, von dem hier die Fans so träumen. Stevens holte in den letzten Wochen ein halbes Dutzend eigentlich fast unbekannter Spieler, ein Slowake und ein Bosnier sollen die neuen Spielgestalter sein. Von denen hat man in Salzburg mittlerweile fast ein Dutzend, doch so richtig glücklich haben sie noch niemanden gemacht.

Lothar Matthäus holte vormals den serbischen Teamspieler Sasa Ilic, der später Co Adriaanse nicht ins Konzept gepasst hat, Adriaanse setzte auf den Kameruner Somen Tchoyi und Trapattoni tendierte einst zum Schweizer Nationalspieler Johan Vonlanthen, mit dem Stevens nicht kann. Der einstige Schweizer Jungstar wurde zu Wochenbeginn zur Amateurmannschaft versetzt. Das alles erinnert ein wenig an das Kurzgastspiel des Vier-Millionen-Einkaufs Andreas Ivanschitz, über den Signore Trap nach dem ersten Training gesagt haben soll: "Was soll ich mit dem?"

Angeregt im Krimpelstätter

Dass im Mittelfeld fast jede Position dreifach besetzt ist, entspricht dem wirtschaftlichen Größenverhältnis zwischen Salzburg und dem Rest der Liga. Selbst Herausforderer Rapid Wien hat nur ein Viertel des Salzburger Budgets von rund 50 Millionen Euro. Doch wie schnell aus dem Luxusproblem ein echtes wird, weiß Stevens, wenn der Alltag ab September nicht Champions League sondern "tipp3-Bundesliga" heißt und er seinen Riesenkader zwischen Mattersburg und Kapfenberg bei Laune halten muss.

Darüber hat ihm wohl auch Vorgänger Co Adriaanse berichtet, der trotz des errungenen Meistertitels im Mai als Trainer gehen musste. Die beiden Niederländer haben sich neulich in der alt-salzburger Gaststätte Krimpelstätter getroffen. Sehr angeregt sollen sich dort der neue und der alte Coach unterhalten haben, auf einem Boden, der es in sich hat: Dort finden seit jeher die Premierenfeiern des Jedermann statt, des Salzburger Mysterienspiels um das Sterben und Leben des reichen Mannes. Vielleicht sogar ein stimmiges Bild, das nur in einem Detail hakt: Selbst auf der Bühne vor dem Dom wird langsamer gestorben als in Salzburg im Trainerbusiness.

© SZ vom 10.07.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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