Fußball:"Krankl schießt ein - I werd' narrisch"

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Viele Legenden ranken sich um Östereichs 3:2 gegen Deutschland in Cordoba vor 25 Jahren - nicht alle stimmen.

Michael Smejkal

(SZ vom 18.6.2003) - Koncilia; Sara, Obermayer, Pezzey, Strasser; Hickersberger, Prohaska, Kreuz, Krieger; Krankl, Schachner. Diese elf Namen sind auch ein Vierteljahrhundert danach in Österreich jedem ein Begriff. Und ein zwölfter Begriff gehört auch noch dazu: Cordoba. Jene argentinische Provinz-Hauptstadt, in der am 21. Juni 1978 Österreich einen Tag lang das Provinzielle abgestreift hat und nach eigenem Dafürhalten Fußballgeschichte geschrieben hat. "Ein Tag, geboren für die Geschichte, unüberbietbar", sagt Hans Krankl 25 Jahre später noch. Ein Tag, an dem vor allem die Legenden geboren wurden.

Denn genau genommen ging es an diesem 21.Juni 1978 für Österreich und Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft nicht mehr um viel. Österreich hatte nach Niederlagen gegen die Niederlande und Italien jede Chance auf den Finaleinzug verspielt, für Deutschland waren die Chancen begrenzt: Allein ein Sieg mit mindestens fünf Toren Unterschied hätte der DFB- Elf in der WM-Zwischenrunde geholfen, und daran glaubten offenbar nicht einmal die Akteure selbst, die sich zudem in inneren Grabenkämpfen aufrieben. Am Ende siegte Österreich dank eines Eigentors von Berti Vogts und zweier Treffer von Hans Krankl 3:2 und damit begannen die meisten Missverständnisse, die in Österreich bis heute gepflegt und weiterentwickelt werden. Denn Cordoba 1978 steht in der österreichischen Heldenverehrung neben Klammers Olympiasieg auf dem Patscherkofel und Niki Laudas WM-Titel.

Im Wort Cordoba schwingen auch heute noch all jene Emotionen mit, die man der stets jüngeren Generation so gerne vererben würde. Teamgeist, der Glaube an die eigene Stärke und die ewige Geschichte von den elf Freunden auf dem grünen Rasen. Sehr wenig davon war in Cordoba tatsächlich der Fall. Österreichs Team - nach zwei Jahrzehnten erstmals wieder bei einer WM - war zu diesem Zeitpunkt längst mit profaneren Dingen beschäftigt als dem Begründen von Legenden. "Cordoba war nur ein Spiel", sagt Herbert Prohaska, der auch keinen Zweifel daran lässt, dass es keineswegs das wichtigste seiner Karriere war. "Wichtig war es für Hans Krankl."

Der war zu diesem Zeitpunkt längst sein großer Gegenspieler. Denn ursprünglich dachte niemand daran, dass Österreich in Argentinien die zweite Gruppenphase erreichen würde. Brasilien, Spanien und Schweden hießen die übermächtigen Gegner, und als der Team-Torhüter Friedl Koncilia mit Prämienverhandlungen für ein mögliches Weiterkommen begann, reagierte die Öffentlichkeit verständnislos und der Präsident amüsiert. Präsident Karl Sekanina war der damals allmächtige Boss des Gewerkschaftsbundes, und er behandelte Spieler, Teamchef, Verband und Medien wie eine Untersektion der Metaller-Gewerkschaft. "Wenn´s net wollts, fahr ich mit der Unter 21 nach Argentinien", teilte er bei einer Verhandlung seinem Gegenüber mit. Letztlich wollten sie dann doch alle, und sie wollten so viel, dass sie schließlich gar nicht mehr wussten, wie es weitergehen sollte. Denn erst besiegten sie Spanien, anschließend Schweden und trotz der Niederlage gegen Brasilien war Österreich Gruppensieger geworden.

Was nun? Die Teamspieler erinnerten sich im abgelegenen Trainingsquartier von Moreno daran, dass eine Bank ihnen just für diesen in der fernen Heimat ja völlig unvorstellbaren Fall des Weiterkommens als Sonderprämie die Anreise aller 22 Spielerfrauen versprochen hatte. Darob zerbrachen Freundschaften und das Teamklima. "Ich dachte mir, dass wir nie mehr wieder zu einer WM kommen würden und wollte die sportliche Chance nutzen", sagt Herbert Prohaska noch ein Vierteljahrhundert später, weshalb er gegen die Anreise der Frauen plädiert hatte. Krankl war Wortführer jener Spieler, die sich für die Anreise der Frauen einsetzten. Das Verhältnis der beiden soll bis in die neunziger Jahre von diesem Zwist belastet gewesen sein, berichten Insider.

Das nächste Spiel ging gegen die Niederlande 1:5 verloren, während die Spielerfrauen gleichzeitig auf dem Weg nach Argentinien waren. "Aktion Lebensborn", höhnten holländische Zeitungen, und Österreichs Teamchef Helmut Senekowitsch wusste nicht, welche jetzt die schlimmste Niederlage war: das Debakel gegen die Niederlande, die interne Niederlage gegen die Spieler oder die taktische Lektion, die er von seinem Landsmann Ernst Happel auf der niederländischen Bank erhalten hatte.

In diesem Klima bestritt Österreich am 21. Juni 1978 sein letztes Gruppenspiel gegen Deutschland. "Wir wollten alle nur noch weg aus Argentinien", sagt Wolfgang Winheim, der 1978 als Journalist in Argentinien war. Krankls Erinnerungen an das Spiel: "Die Deutschen haben untereinander von Beginn an auf dem Spielfeld gestritten. Da habe ich gewusst: Heute geht etwas. "

Das letzte Missverständnis rankt sich um den legendären Reporter Edi Finger senior. Der schrie nach Krankls 3:2 seine bekannten Worte "Krankl schießt ein - I werd' narrisch", in das Mikrofon - allerdings im Radio. Erst als das ZDF seine abendliche Zusammenfassung mit diesen Worten unterlegt hatte, bekamen Fingers Worte jenen Stellenwert.

Für Österreichs Spieler war Cordoba fast durchwegs der Beginn großer Karrieren: Hans Krankl wechselte zum FC Barcelona, Herbert Prohaska sollte später den AS Rom zur ersten italienischen Meisterschaft nach 41 Jahren führen, der mittlerweile verstorbene Bruno Pezzey ging zu Eintracht Frankfurt, Josef Hickersberger zu Fortuna Düsseldorf, Schachner war sieben Jahre Legionär in Italien, Kreuz und Krieger spielten in den Niederlanden.

Nur dem Teamchef sollte Cordoba kein Glück bringen. Noch in der Nacht nach dem Triumph trat er verbittert über die Behandlung durch den ÖFB zurück. Aber zum Feiern war in dieser Nacht in Cordoba auch im österreichischen Team den wenigsten zumute. Die Geburt der Legende sollte noch etwas länger dauern.

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