Fußball in der Türkei:Terims seltsamer Sinneswandel

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Der Nationaltrainer gerät wegen Personal-Entscheidungen in die Kritik. Es wird sogar spekuliert, dass Staatspräsident Erdoğan interveniert habe.

Von Tobias Schächter, München

"Rücktritt? Davon weiß ich nichts", knurrte Fatih Terim nach der abermals enttäuschenden Leistung des türkischen Nationalteams beim 2:0 in der WM-Qualifikation gegen den Neuling Kosovo am Samstag in Antalya. Es war der erste Sieg der Türken im vierten Spiel - die führenden Kroaten sind schon fünf Punkte weg, die zweitplatzierten Ukrainer drei, die auf Rang drei liegenden Isländer haben zwei Zähler mehr. Nachdem im vergangenen Monat Details aus Terims Vertrag öffentlich wurden, scheint ein Rücktritt des 63 Jahre alten "Imparators" während seiner dritten Amtszeit als Nationaltrainer ohnehin ausgeschlossen zu sein. Mit 3,5 Millionen Euro pro Jahr ist er exorbitant bezahlt, als "Technischer Direktor" hat er die komplette sportliche Macht, bei einer Entlassung müsste sein Gehalt bis Vertragsende 2018 weiterbezahlt werden.

Doch Terims Personalentscheidungen versteht niemand mehr. Die Berufung der Routiniers Arda Turan (Barcelona), Selcuk Inan (Galatasaray) und Burak Yilmaz (Beijing Guoan) gegen Kosovo kam ebenso überraschend wie die Ausmusterung des Trios nach der vermaledeiten EM im Sommer. Die Türkei schied in Frankreich nach schwachen Auftritten nach der Vorrunde aus. Dass Streitereien um Bonuszahlungen zum Riss zwischen Terim und seinem einstigen Liebling Arda geführt hätten, verneinten beide Parteien. Terim fordert totale Unterordnung von seinen Spielern, die Verbannung Ardas und der anderen Leitwölfe wurde als Machtdemonstration des herrischen Trainers interpretiert.

In türkischen Medien gab es zuletzt Spekulationen, Terim habe Arda nur auf Intervention des immer mächtigeren Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurückgeholt. Der hat schon einige Male Einfluss auf den Fußball genommen, im konkreten Fall Terim/Arda während der EM: Arda wurde damals während der Partie gegen Spanien vom türkischen Pblikum ausgepfiffen. Erdoğan rief das Volk erbost zur Unterstützung des Kapitäns auf - und im nächsten Spiel gegen Tschechien wurde Arda wieder frenetisch gefeiert. Auch zu Terim hat der Staatspräsident eine besondere Beziehung. Vor zwei Jahren weihte Erdoğan persönlich das neue, nach Fatih Terim benannte Stadion des aktuellen Süperlig-Tabellenführers Basaksehir in Istanbul ein. Terim bedankte sich nachher stolz für die "nie versteckte, aufrichtige Freundschaft" des Staatschefs.

Nun widersprach der umstrittene Trainer der Annahme, er habe Arda aufgrund des Drucks von Erdoğan wieder berufen: Der Staatschef habe genug zu tun und sich nicht eingemischt, sagte Terim spitz. Vielmehr, so Terim weiter, habe er den ehemaligen Kapitän Emre Belözoglu um Vermittlung gebeten und Arda nach einem Telefongespräch kurz vor Ablauf der Nominierungsfrist berufen. Dann fügte der Trainer widersprüchlich hinzu: "Ich kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Auch habe ich diese Entscheidung nicht mit voller Überzeugung getroffen. Wir sind aber alle Profis und müssen uns auch so verhalten." Arda meinte nach seiner schwachen Leistung gegen Kosovo kleinlaut: "Ich trage das Nationaltrikot immer mit Ehre und Stolz." Wieso er zunächst nicht mehr und dann aber wieder nominiert wurde, bleibt weiter Spekulation.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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