Fußball in den USA:Spitzen gegen Klinsmann

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Fast so kopfballstark wie einst Jürgen Klinsmann: US-Nationalstürmer Dom Dwyer (Nummer 14). (Foto: Mark Humphrey/AP)

Die amerikanischen Nationalspieler kritisieren ihren entlassenen Ex-Coach - enttäuschen aber auch unter seinem Nachfolger.

Von Jürgen Schmieder, Nashville/Los Angeles

Wer dieses Fußballspiel am Samstag nicht in voller Länge gesehen hat, der mag nun vielleicht denken: Ach guck mal, haben sie schon wieder nicht verloren, diese Amerikaner. Läuft bei denen, seit sie Jürgen Klinsmann nach Niederlagen gegen Mexiko (1:2) und Costa Rica (0:4) hinausgeworfen und dafür Bruce Arena zurückgeholt haben: neun Spiele, keine Niederlage, wieder auf Kurs in ihrer WM-Qualifikationsgruppe. Und nun gab es zum Auftakt des Gold Cups, der Kontinentalmeisterschaft, ein 1:1 gegen den nominell stärksten Gruppengegner Panama, es folgen Partien gegen Martinique und Nicaragua. Kann sich doch sehen lassen, oder?

Jürgen Klinsmann verfolgt nun die Karriere seines Sohnes, der Torwart bei Hertha werden will

Was sich nicht sehen lassen konnte, das war die Spielweise der Amerikaner. Es war eine uninspirierte, bisweilen fast lustlose Vorstellung, symbolisch dafür war der Ausgleich für Panama in der 60. Minute: Die Amerikaner schoben sich die Bälle zu, dann passten sie, womöglich aus lauter Langeweile, zu einem Gegenspieler und wunderten sich erst mal, wie der Ball denn nun zum Gegner gekommen sein könnte. Bei der Flanke dachten sich die Verteidiger, dass Torwart Brad Guzan schon irgendwie abwehren würde - was der auch erst mal tat. Weil die Amerikaner ihre komfortablen Stehplätze aber keinesfalls verlassen wollten, schnappte sich Miguel Camargo den Abpraller und schob ihn ins Tor.

Es gibt in den USA zahlreiche Menschen, die nur Vier-Minuten-Zusammenfassungen von Sportereignissen verfolgen. Die sehen das prächtige Dribbling mit anschließender Flanke von Kelyn Rowe und die Gerd-Müller-Drehung von Dom Dwyer zur Führung kurz nach der Halbzeit. Sie sehen ein paar weitere Momente, die man bei gnädiger Betrachtung als halbwegs gelungene Spielzüge oder gar Torchancen durchgehen lassen könnte - und sie sehen, weil US-Sender die Fußballspiele der Nationalelf mittlerweile wieder gnädig betrachten, nur ein paar der vielen Gelegenheiten Panamas. Diese Höhepunkt-Gucker dürften nun also denken: Läuft doch.

Bruce Arena ist kein experimentierfreudiger Erneuerer wie Klinsmann, er ist ein ergebnisorientierter Pragmatiker. Er hat die Nationalelf schon bei der WM 2002 ins Viertelfinale geführt, das gilt bis heute als größter Erfolg des US-Männer-Fußballs. Später etablierte er sich mit knackigen, teils nationalistischen Aussagen ("Nationalspieler sollten Amerikaner und nicht in anderen Ländern geboren sein. Ich denke, ein Amerikaner sollte die Nationalelf trainieren und die meisten Spieler aus der Major League Soccer kommen") als einer heftigsten Kritiker Klinsmanns. Als er im November 2016 erneut zum Nationaltrainer berufen wurde, erkannte er, dass die Idee mit den im Ausland geborenen und in europäischen Topligen beschäftigten Fußballern vielleicht doch nicht so schlecht ist, also sagte er: "Ich begrüße jeden, der spielberechtigt ist - ich will nur klarstellen, dass sie auch mit ganzem Herzen dabei sind."

Man muss sich Arena als verlässlichen Typen vorstellen, dem Überraschungen zuwider sind und der wochenlang überlegt, ob er mit einer 4-5-1-Formation beginnen soll oder doch lieber mit einer 4-5-1-Formation - und dann nach intensiver Debatte mit sich selbst beschließt, es mit einer 4-5-1-Formation zu probieren. "Ich habe drei Wochen vor der Partie gegen Mexiko von Arena erfahren, dass ich spielen würde", sagt Verteidiger Omar Gonzalez: "Bei Klinsmann wussten die Akteure oft bis zum Spieltag nicht, woran sie waren. Man hat gesehen, was dabei herauskommt, wenn Spieler nicht wissen, ob und auf welchen Positionen sie spielen werden. Dann verliert man eben auch mal ein Heimspiel."

Es ist natürlich sehr fraglich, ob die Festlegung einer Startelf drei Wochen vor einer Partie angesichts von Verletzungen und Formschwankungen wirklich sinnvoll ist - doch im amerikanischen Fußball gilt freilich, was in jeder Sportart auf der ganzen Welt gilt: Wer gewinnt, hat Recht.

Arena hat nicht sehr oft gewonnen (vier von neun Spielen), er hat aber auch noch nicht verloren. Also sagt Stürmer Jozy Altidore: "Es herrscht eine andere Atmosphäre als vorher - eine, bei dem alle hinter dem Trainer stehen." Verteidiger Geoff Cameron ergänzt: "Die Jungs sind nun positiver gestimmt und selbstbewusster."

Das sind auch Spitzen gegen Klinsmann. Wer die meisten Partien der US-Nationalelf in den vergangenen Jahren in voller Länge gesehen hat, weiß freilich, dass Klinsmann sinnvolle Dinge vorangetrieben und Experimente gewagt hat, die sich nun auszahlen. Die Höhepunkt-Gucker aber bewerten Klinsmanns Arbeit mit jeder Nicht-Niederlage von Arena negativer - zumal gerade herauskam, dass auf dem Konto des US-Verbands ein Minus von 6,2 Millionen Dollar "aufgrund von Veränderungen im Trainerstab" verbucht wurde.

Klinsmann dementiert derweil Gerüchte, wonach er demnächst Trainer beim englischen Premier-League-Absteiger FC Sunderland werden könnte. Offenbar verfolgt er lieber die Karriere seines 20-jährigen Sohnes Jonathan, der sich gerade bei Hertha BSC um einen Vertrag als Torwart bemüht. Jonathan Klinsmann spielt für die amerikanische U 20-Auswahl und ist womöglich bald ein Kandidat für Bruce Arena. Zu Arenas Beruhigung sei gesagt: Klinsmann junior ist in Newport Beach/USA zur Welt gekommen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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