Fußball:Ghaddafi und die Frauen

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Wie Perugias Präsident Luciano Gaucci aus einem Provinzklub eine Weltsensation zu machen versucht.

Von Birgit Schönau

Al Saadi Ghaddafi jedenfalls wird gegen Wolfsburg nicht spielen. "Er trainiert fleißig", sagt Perugias Teammanager Alberto Di Chiara. "Vielleicht setzen wir ihn im Italien-Pokal ein." Das neue italienische Ausländergesetz verlangt von Profiklubs, für jeden Ankömmling aus Nicht-EU-Ländern einen anderen "extracomunitario" wegzuschicken. "Eine Katastrophe für die kleinen Vereine", klagt Di Chiara. Es habe etwas gedauert, den Kandidaten für Ghaddafi zu verkaufen, aber nun sei der Transfer perfekt, leider zu spät für das Finale des UI-Cups gegen die Deutschen, am Dienstag.

Anfang Juli noch hatte Präsident Gaucci sein Schloss zur Verfügung gestellt, um den Sohn des libyschen Revolutionsführers Presse und Society zu präsentieren. Es war ein rauschendes Fest. Der ganz in Weiß gekleidete Petrol Boy wurde hofiert wie ein Märchenprinz aus 1001 Nacht, soll er doch Glanz bringen in die Provinzstadt Perugia - mehr noch, als seinerzeit der Japaner Hidetoshi Nakata. In Nakatas Gefolge waren japanische Journalisten in die kleine Hauptstadt der Region Umbrien geströmt, auf ihrem Fuß folgten die Reisegruppen.

Bald war Perugia in Japan genauso bekannt wie Rom und Mailand, und Nakatas rotweißes Trikot wurde im Fernen Osten ein Bestseller. Perugia zehrt noch heute von Nakata, der zum AS Rom verkauft wurde, später zu Parma ging und nun von Lazio Rom umworben wird. Der Sponsor der Umbrer ist der japanische Autoriese Toyota, bemerkenswert für einen Klub, der noch nicht einmal ein überdachtes Stadion hat.

Und wer weiß, was Ghaddafi noch verspricht. Fußballerisch, na ja. "Der will halt ein bisschen Spaß haben hier", sagt Fausto Breghi, der Mann an der Klubbar. "Kann er sich ja leisten, so ein Schnuppern in der Serie A." Und was passiert, wenn Perugia gegen Juventus Turin antritt, in deren Verwaltungsrat Al Saadi Ghaddafi als zweitgrößter Aktionär nach der Agnelli-Familie sitzt? Teammanager Di Chiara lächelt amüsiert. "Das Match gegen Juventus ist für uns auch sportlich ein wenig . . . delikat. Daher ist der Einsatz von Ingenieur Ghaddafi eher unwahrscheinlich."

Geschichten jedenfalls gibt es schon genug. Dass Ghaddafi im Südtiroler Trainingslager am späten Samstagabend partout seinen Bart stutzen lassen wollte, und solange nach einem Frisör rief, bis der kam und selbstredend ein fürstliches Trinkgeld kassierte. Dass er sich, die Leibwächter bei Fuß, vorzugsweise im Hubschrauber bewegt und tausende von Euros darauf verschwendet, das Flugpersonal untätig warten zu lassen - wenigstens die Unpünktlichkeit des Libyers ist bereits legendär. Beim Klub übersehen sie das. "Ein korrekter Junge, voller Respekt", beschreibt Präsident Luciano Gaucci seinen neuesten Coup, der Perugia einen nie dagewesenen Andrang der Weltpresse bescherte. Mehr sagt Gaucci nicht. Er lehnt sich zurück und wartet sehr höflich auf weitere Fragen.

Als "vulcanico" wird der 64-jährige Besitzer dreier Profiklubs - neben dem AC Perugia hält er die Drittligisten Catania und Sambenedettese - gern beschrieben. Gaucci ist berüchtigt für seine Wutausbrüche vor allem gegen die Funktionäre des Fußballverbandes Federcalcio. Da kann er schon mal handgreiflich werden. "Die Mafia", erklärt Gaucci jetzt im Ton größter Selbstverständlichkeit, "ist ja nicht auf Sizilien. Sie sitzt in Rom, raten Sie mal, in welchem Palazzo."

Sein letzter Kreuzzug gegen Federcalcio-Präsident Franco Carraro betrifft Gauccis Verein Catania. Die Sizilianer sind gerade abgestiegen, aber Gaucci versucht, sie mit allen Mitteln in der Zweiten Liga zu halten. Bei einem Spiel gegen den damaligen Zweitligisten Siena sei bei den Gegner ein Spieler im Einsatz gewesen, der seine Sperre mit einem Match für die Jugendmannschaft gebrochen habe, argumentiert Gaucci. Nicht alle können ihm folgen. Aber er ist eisern. Die Angelegenheit ist zur offenen Fehde zwischen Sizilien und Rom eskaliert, die Politik hat sich eingeschaltet, denn hinter Catania stehen hunderttausende von Wählerstimmen. Der Römer Gaucci hat die Protestmärsche der Sizilianer in die Hauptstadt angeführt. "Zehn Millionen Euro haben sie mir geboten, um meine Forderungen zurückzuziehen", behauptet Gaucci. "Aber auch für 100 Millionen werde ich Sizilien nicht verraten."

Kürzlich berichtete die Presse, Gaucci habe eine Million Euro im Lotto gewonnen. "Das ist doch schon fünf Jahre her", winkt er ab. Und was haben Sie gemacht mit dem Geld? Die kleinen Augen im breiten Gesicht des Presidente blitzen. "Ich bitte Sie. Eine Million. Was ist eine Million! Der Zehennagel eines Fußballers!" Der AC Perugia kommt mit einem Umsatz von 15 Millionen Euro aus, und Gaucci hat allen vorgemacht, wie man mit einem eisernen Sparkurs solide Ergebnisse erzielen kann. Es ist das sechste Jahr in Folge in der Serie A, und wenn Perugia in den Wettbewerb um den Uefa-Cup einziehen sollte, wäre das der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.

Seit zwei Jahren wird die Mannschaft von Serse Cosmi trainiert, der in Perugia geboren wurde und mindestens so "vulcanico" ist wie der Chef. Als er anfing, bekam Cosmi das niedrigste Trainergehalt der Serie A. Noch immer ist es ein Zehntel dessen, was Fabio Capello beim AS Rom kassiert, aber Serse Cosmi gilt als aussichtsreichster Kandidat für Capellos Nachfolge.

Auch Gaucci kommt vom AS Rom. Er war Vizepräsident, als die Roma 1983 Meister wurde, noch heute sitzt er gern bei Heimspielen im Olympiastadion, als tifoso, wie er betont. Er ist Geschäftsmann durch und durch, mit jener gar nicht glatten, etwas bauernschlauen Wurstigkeit, die den romano de roma auszeichnet. Aber für den Fußball hegt er echte Sentimentalität, und außerdem ist Luciano Gaucci ein Mann mit Prinzipien. Letztes Jahr hat er seinen Spieler Jung Hwan Ahn gefeuert, nachdem der bei der WM mit einem Golden Goal die italienische Nationalmannschaft nach Hause geschickt hatte. "Aber doch nicht wegen seines Tors", beteuert Gaucci. "Ahn hatte abfällige Bemerkungen über Italien gemacht, und das konnte ich ihm nicht durchgehen lassen."

Klein hat Luciano Gaucci angefangen, als Straßenbahnfahrer in seiner Heimatstadt Rom. Der Schwiegervater besaß einen kleinen Reinigungsbetrieb, den übernahm Gaucci, als er die Straßenbahn Leid geworden war, und machte daraus ein Großunternehmen mit 3000 Putzfrauen und -männern. Er ist ein reicher Mann, vieles investiert er in seine Pferde, denn Pferderennen liebt er fast noch mehr als Fußballspiele. Am allermeisten aber liebt Luciano Gaucci, der mal einem Schiedsrichter ein vielversprechendes Fohlen schenkte und deshalb den Aufstieg in die Zweite Liga verpasste, das Spiel mit der Provokation. Er stellte die ehemalige Nationalspielerin Carolina Morace als Trainerin seines Klubs Viterbese ein, die erste Frau auf einer Bank im Profibetrieb. "Eine tolle Frau, die Morace", schwärmt Gaucci noch heute. Ihr zu Ehren ließ er das Stadion ganz in Rosa ausschlagen, aber es krachte dann doch schnell zwischen den beiden : vulcanico.

Jetzt ist ihm noch etwas Besseres eingefallen: "Eine Frau bei Perugia. Es gibt keine Regel, die das verbietet. Aber", Gaucci lacht vergnügt, "es wird ein Weltkrieg ausbrechen mit dem Fußballverband." Eine Frau in der Serie A. Sogar aus Australien seien Reporter angereist, berichten die Kollegen der Lokalpresse, die Gaucci schätzen, "denn mit ihm ist immer was los". Den neuen Vorstoß nehmen sie allerdings nicht ganz ernst. "Dann stelle ich mein Spielsystem eben um auf 90-60-90", hat Trainer Cosmi gefrotzelt. Gaucci tut, als verstehe er die Aufregung nicht. "Überall arbeiten Frauen gleichberechtigt neben den Männern, auch am Fließband bei Fiat. Warum also nicht auch im Fußball? Es kommt ja nicht allein auf Kraft an, sondern auf Taktik und Intelligenz." Er weiß noch nicht, wen. "Birgit Prinz? Nie gehört. Wie alt, 26? Ein bisschen am Limit, aber interessant, interessant."

Erst müssen Videokassetten gesichtet werden, denn so kauft Perugia seine Spieler ein. Im winzig kleinen Vip-Raum steht ein großer Fernseher, davor wuchtige, schwarze Ledersessel, ein falscher Perserteppich. Hier sitzen die Gauccis und schauen sich Spieler aus aller Welt an. Auch Al Saadi Ghaddafi haben sie so spielen sehen. Gerade sind die Sessel mit der Frau des Präsidenten und der kleinen Tochter besetzt. Sie schauen zusammen eine Telenovela, bis die Tochter Rebecca in die Tasche der Mutter greift. Rebecca fischt eine Handvoll Lottoscheine heraus und fragt nach einem Stift. Dann spielt Familie Gaucci Lotto. Für den nächsten Zehennagel. Die von Ghaddafi waren übrigens umsonst.

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