Fußball-EM 2008:Tarnen & Täuschen

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Der frühere Schalker Tomasz Hajto hat einen Plan ausgeheckt, wie Polen die deutsche Elf bei der EM besiegen kann. Doch dafür fehlen leider die Torschützen.

Klaus Hoeltzenbein

Kein Zweifel, den besten Platz im Stadion hat Tomasz Hajto. Besser noch als der Pilot jenes Hubschraubers, der minutenlang in der Luft über dem Spielfeld steht. Hajto ist näher dran und ist froh, als die Sicherheitslage geprüft ist und das Rotorengeräusch verstummt. Denn Hajto hat an diesem sonnenbefluteten Dienstagmittag eine Spezialaufgabe wie früher als Verteidiger in der Bundesliga: Er redet und redet, und zwei Stunden später redet er immer noch.

Tomasz Hajto glaubt daran, dass die Polen den Deutschen bei der EM ein Bein stellen können. (Foto: Foto: AP)

Von einem eigens errichteten Hochstand aus berichtet Hajto was los ist, dort unten, wo nicht viel los ist. POLSAT, die polnische Antwort auf Premiere, ein Pay-TV-Sender, hatte sich entschlossen, erstmals ein Training der Nationalelf zu übertragen. Live, in voller Länge - und Hajto, 36, ist Stargast . "Voll nass" sei er, sagt Hajto, nachdem die Prüfung in der Mittagsglut doch noch zu Ende geht. Und dann wiederholt er auf Deutsch jene Botschaft, die er seinen Landsleuten in den Stunden zuvor zu vermitteln versucht hat: "Es ist Zeit, die deutsche Mannschaft zu schlagen."

Torschütze gesucht

Vergangenen Samstag war er dort, wo er lange zu Hause war. Und was er dort sah, hat diese Zuversicht gestärkt. Die meisten seiner 201 Bundesligaspiele hat Hajto auf Schalke absolviert, wo er nun das 2:1 der Deutschen gegen die Serben kommentierte. "Seit zwanzig Jahren immer das Gleiche", sagt Hajto: "Die erste Halbzeit sind sie schlecht, die wird verschlafen. Und wenn sie dann Druck haben, drehen sie das Spiel."

Daraus entwickelt er eine Idee für Sonntag, für das erste Gruppenspiel der Polen: "In der ersten Halbzeit, wenn die Deutschen schlecht sind, schießen wir drei Tore. Und in der zweiten Halbzeit haben sie zwar Druck, aber zu wenig Zeit, um selbst noch drei Tore zu schießen." So weit der Tomasz-Hajto-Plan, an dem die Polen ihren Spaß haben dürften. Nur: Wer schießt diese vielen Tore?

Inzwischen ist es zwar so, dass kaum etwas weniger Aussagekraft hat als das Resultat eines Testspiels vor einem großen Fußballturnier, allerdings bekamen die Polen jene drei von Hajto erträumten Treffer zuletzt nur in der Addition zusammen: 1:0 gegen den FC Schaffhausen, 1:1 gegen Mazedonien, 1:0 gegen Albanien, 1:1 zuletzt gegen Dänemark. Nun ja, entgegnet Hajto, dazu müsse man vieles wissen, auch, dass es sengend heiß gewesen sei an jenem Nachmittag mit den Dänen, und dass Maciej Zurawski, der Kapitän, einen Elfmeter verschoss.

Solche Tests seien oft nur Tarnen&Täuschen, aber er teile die Einschätzung in seiner Heimat, dass die aktuelle Elf stärker sei als jene, die bei der WM 2006 in Dortmund durch einen späten Treffer von Oliver Neuville mit 0:1 verlor. An der Zeit sei es, in Klagenfurt die Statistik zu korrigieren: In 15 Duellen konnten die Polen zwar vier Remis, aber noch keinen Sieg gegen die DFB-Elf landen.

"Es geht voran"

Es gebe da eine neue Qualität im Kader, sagt Hajto, nicht so sehr in der Breite, wohl aber in der Spitze. Vier Profis rechnet er sogar zur europäischen Extraklasse: Artur Boruc, 28, den Torwart von Celtic Glasgow, Michal Zewlakow, 32, die Defensivkraft von Olympiakos Piräus, Mariusz Lewandowski, 29, den Mittelfeldspieler des ukrainischen Großinvestors Schachtjor Donezk, sowie den aus seiner Zeit bei Borussia Dortmund bekannten Ebi Smolarek, 27.

"Er spielt keinen Super-Fußball, aber er ist ein Killer, sobald er seine Chance bekommt", sagt Hajto über den nun bei Racing Santander in Spanien beschäftigten Stürmer. Mit neun Toren war Smolarek an der erstmaligen Qualifikation der Polen für eine EM-Endrunde beteiligt. Was ein wichtiger Impuls war, auch schon für das folgende Turnier, das die Polen 2012 gemeinsam mit der Ukraine ausrichten wollen. "Es geht voran", sagt Hajto.

Er begleitet den Fortschritt nicht nur fürs Fernsehen, er spielt weiter - ein, zwei Saisons will er für Gornik Zabrze noch verteidigen. Zabrze ist ein Klub mit Ambition, dem ein deutscher Versicherungskonzern gerade eine Miniatur der Münchner Allianz-Arena finanziert.

Wäre er an diesem Dienstag nach Worten bezahlt worden, Tomasz Hajto hätte einige Anteile an der neuen Arena erwerben können, zumal die Abschlussfrage heikel ist. Was meint er zur jüngsten Behauptung des Zbigniew Boniek, 52, der sagt: "Die polnischen Spieler sind 16 Mal intelligenter als die Deutschen. Hoffentlich werden sie das auf dem Platz beweisen"? Hajto hält inne, verzieht die Mundwinkel, er kennt diesen Boniek, der ein begnadeter Kicker war, aber ein rätselhafter Denker wurde. "Was ist im Fußball wichtig?", fragt er dann: "Dass du nur intelligente Spieler hast? Oder dass du einen Titel gewinnst?" Der Rede-Marathon des Tomasz Hajto endet in einem Akt der Diplomatie. Klaus Hoeltzenbein

© SZ vom 04.06.2008/pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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