Fußball-Bundestrainerin:Witz und Weitblick

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Martina Voss-Tecklenburg wird als Nachfolgerin von Horst Hrubesch präsentiert. Sie soll die Fußball-Nationalspielerinnen an die Weltspitze zurückführen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Dass Martina Voss-Tecklenburg am Tag vor ihrer Präsentation noch einen Friseurbesuch eingeschoben hat, wird kein Zufall gewesen sein. Auf die öffentliche Vorstellung als neue Bundestrainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft hatte sie ja viel zu lange warten müssen, "nun bin ich froh, dass es endlich losgeht". Obwohl ihre Verpflichtung bereits Ende April verkündet worden war, konnte ihr bis Sommer 2021 datierter Vertrag erst kürzlich am 15. November Gültigkeit erlangen. Der einfache Grund: Die gebürtige Duisburgerin wollte ihre Mission als Schweizer Nationaltrainerin nicht vorzeitig aufgeben, auch wenn sie es letztlich über den ungewollten Umweg der Playoffs nicht schaffte, die Eidgenossen zur Frauen-WM 2019 in Frankreich zu führen. Das Doppelleben, sagte sie am Freitag, sei "nicht so einfach gewesen", denn im Hintergrund wurde sie von ihrer Assistenztrainerin Britta Carlson bereits über alle Entwicklungen bei den DFB-Frauen auf dem Laufenden gehalten.

Nach eigenem Bekunden sei die Berufung der Höhepunkt und auch gleichzeitig "der letzte Schritt meiner Trainerkarriere". Kaum jemand aus dem Kreis verdienter deutscher Fußballerinnen hat sich so konsequent in diesem Fachgebiet weiterentwickelt wie die temperamentvolle Powerfrau, die ihre im Februar 2012 begonnene Mission beim Schweizer Fußball-Verband mit großer Leidenschaft ausübte, um dort den Frauen- und Mädchenfußball aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. In der Schweiz gab sie Trainerin, Talententwicklerin und eine Art Sportdirektorin in Personalunion. "Zeitweise stand ich fünf Tage die Woche auf dem Trainingsplatz", erinnert sie sich.

Sie ist eine echte Leaderin, verbindet Witz mit Weitblick, gilt als ebenso kompetent wie selbstbewusst und kann hartnäckig, fast unnachgiebig sein, wenn es um ihre Überzeugungen geht. Ihr gehen jegliche Berührungsängste mit Männerrunden ab. Ihre Ansagen sind klar, ihre Vita ist facettenreich. Dass sie erst als Verbandssportlehrerin, dann als Vereinstrainerin (FCR 2001 Duisburg, USV Jena) gearbeitet hat, vermittelt ihr einen breiten Erfahrungshorizont als Trainerin, der ihrer Vorgängerin, der in dieser Funktion am Ende überforderten Steffi Jones, vollkommen fehlte. Dass Interimscoach Horst Hrubesch ihr wieder ein funktionierendes Team übergibt, erleichtert die Aufgabe. "Horst hat mir eine Basis gelegt", lobte Voss-Tecklenburg, 50, die aber wahrscheinlich mehr als die von ihr genannten "Nuancen" sieht, um das junge Ensemble noch besser zu machen.

Allein die hochkarätige Besetzung bei ihrer Vorstellungsrunde in der DFB-Zentrale mit Präsident Reinhard Grindel und DFB-Direktor Oliver Bierhoff untermauerte, welchen Stellenwert der neuen Führungskraft für den weiblichen Bereich zukommt, die sich bei einer zufälligen Begegnung auch mit dem Kollegen Joachim Löw schon ausgetauscht hat. Martina Voss-Tecklenburg, der "Flankengott aus dem Kohlenpott", wie Grindel in seiner Rede reimte, stehe für attraktiven Fußball, sie soll nun "an die Erfolge der Vergangenheit anknüpfen". Ihre Nebentätigkeit als Aufsichtsratsmitglied beim Bundesligisten Fortuna Düsseldorf dürfe die nun wieder am Niederrhein in Straelen wohnende Voss-Tecklenburg übrigens fortführen, erläuterte der Verbandschef: Die hauseigene Ethikkommission konnte keine Interessenskonflikte erkennen.

„Ich bin ein Kind des DFB“: Martina Voss-Tecklenburg, 50, Nationaltrainerin aus Duisburg. (Foto: Salvatore Di Nolfi/dpa)

Obwohl ihr abruptes Ende aus der Nationalmannschaft nach 125 Länderspielen unschön verlief - die damalige Bundestrainerin Tina Theune bootete sie nach einem Streit mit ihrer Mitspielerin Inka Grings vor den Olympischen Spielen 2000 aus -, war Voss-Tecklenburg sofort Feuer und Flamme, als "das Heimatland rief", wie sie es formulierte. "Ich bin ein Kind des DFB. Ich habe mit 16 Jahren mein erstes Länderspiel gemacht. Ich habe große Lust auf diese Aufgabe."

Dass das Frauen-Nationalteam seit Jahresbeginn direkt in der Direktion von Oliver Bierhoff verortet wird, sollte dem Olympiasieger und Weltranglisten-Zweiten helfen, seine Position nicht zu verlieren. Bierhoff als Direktor Nationalmannschaften benannte interessanterweise zwar die Zielsetzung, die darin besteht, "Frauen und Männer zurück an die Weltspitze" zu führen, aber eine klare Vorgabe für die Frauen-WM 2019 in Frankreich (7. Juni bis 7. Juli) gab er nicht aus. Auch die neue Trainerin wollte sich nicht festlegen lassen, sondern zuerst die Eindrücke eines Trainingslagers im Januar in Marbella und einer Frankreich-Reise im März einwirken lassen. Aber sie sagte dann auch: "Ich möchte Titel gewinnen. Ich war noch nie Weltmeisterin."

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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