Fussball:Aus dem Exil zu Volkshelden

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Iraks Fußballer trainierten unter Lebensgefahr, später fern der Heimat - nun sind sie Gruppensieger.

Von Martin Hägele

Es ist schwer zu sagen, worauf Adnan Hamd Maajid stolzer ist. Es gibt so Vieles. Etwa, dass er mit seiner Fußball-Mannschaft auf Medaillenkurs liegt und sie vielleicht alle als Volkshelden nach Bagdad heim fliegen können. Oder sind es die Glücksgefühle, die Trainer Adnan und seine Kicker in ihren kriegsgeplagten Landsleuten hervorrufen, wenn sie nun als Gruppensieger vor dem Favoriten Portugal stehen? Oder ist es die Gewissheit, dass man überall im Leben eine Chance hat, wenn man nur richtig will und zusammenhält?

Adnan hat nicht einmal aufgegeben, als die Bomben fielen. Er telefonierte die Mannschaft zusammen zum Training, täglich pendelte er die 100 Kilometer zwischen der Provinzstadt Sammara, wohin er seine Familie gebracht hatte, und der Metropole. Als die GI's das Sha'ab-Stadion als Garage für Panzer beschlagnahmten, fand er andere Trainingsplätze "was oft lebensgefährlich war, weil fast überall in Bagdad geschossen wurde". Nach dem offiziellen Kriegsende mussten die Kicker erst recht zusammenrücken.

Als Wanderzirkus Richtung Athen

Weil das Nationalstadion unbrauchbar geworden war, wurden alle Qualifikationsspiele auswärts angesetzt, die Heimpartien auf neutralem Terrain. Notgedrungen musste sich Iraks Fußball-Auswahl zum Wanderzirkus verwandeln, die Olympia-Vorbereitung geriet zu einer Tournee über mehrere Kontinente: Deutschland, England, Australien, Japan, Südkorea, Thailand, diverse Golfstaaten und zum Abschluss die Asien-Meisterschaft, in der die Auswahl einen hervorragenden Eindruck hinterließ.

Dieses Leben im Exil verlangt Disziplin, Demut und Nationalstolz; lauter Tugenden, die beim 4:2-Sieg gegen Portugals erfolgsverwöhnte Auswahl um den Euro-Helden Ronaldinho den entscheidenden Unterschied ausgemacht haben. Dank ihrer Geschlossenheit könnten Adnans Leute selbst Argentiniern oder Italienern gefährlich werden, sollten sich die Wege im Kampf um olympisches Edelmetall noch kreuzen.

Wie lange aber trägt die irakische Solidargemeinschaft, deren Mitglieder nun von Spiel zu Spiel mehr von den Begehrlichkeiten der Branche versucht werden? Ihre Konkurrenten könnten bald aus einer ganz anderen Welt kommen; die Argentinier Kiki Gonzales, Ayala, Saviola oder Tevez sind Multimillionäre wie die meisten der italienischen Serie-A-Profis. Die werden nicht vom Sozial-Fonds der Fifa subventioniert oder müssen dankbar sein, wenn irgendein Verband ein paar Wochen Hotel- und Trainingslager spendiert.

Es werde schwer werden, die Mannschaft noch lange zusammenzuhalten, glaubt Bernd Stange, der ehemalige Nationalcoach und bis vor acht Wochen Adnans Vorgesetzter. Stange musste seinen Job in Bagdad auf Verlangen des Auswärtigen Amts quittieren; sogar sein persönlicher Leibwächter wollte nicht mehr länger die Sicherheit des prominenten Trainers garantieren.

Olympia als Sprungbrett

Jetzt sind es die Spieler selbst, die wohl bald fortgehen - allerdings freiwillig. Zwei haben gerade bei einem Klub in Kairo unterschrieben, andere haben Angebote aus den Profi-Ligen in Jordanien und Syrien oder spielen bereits in Katar. Und um Hajdar Jabah, den Abwehrchef, bemüht sich angeblich ein deutscher Zweitligist. Die olympischen Auftritte sollen als berufliches Sprungbrett in eine komfortablere Welt dienen. Andererseits spüren die irakischen Athleten nun stärker denn je ihre Wurzeln.

Sie wurden in Griechenland empfangen, als schlage in jedem Olympia-Besucher ein irakisches Herz, und Tausende Exil-Iraker, die vor Saddam Husseins Regime geflohen sind, ziehen ihren Landsleuten hinterher durch die griechischen Stadien. Adnans Leute haben endlich wieder Heimspiele.

Und geben dabei etwas zurück. "Meine Spieler haben als Botschafter unser Volk stolz gemacht", sagt Adnan. 20 der 25 Millionen Irakis beobachten die Spiele am Fernseher. Das seien glückliche Stunden, und in denen werde auch nicht geschossen, und als sie davon erfuhren, kam den Fußballern eine Idee. Weil auch in der Antike währen der Spiele alle Waffen ruhten, schickte das Team eine Petition an die Übergangsregierung von Bagdad sowie ans US-Hauptkommando, doch bis zum Ende der Spiele "die alten olympischen Regeln zu beachten und kriegerische Handlungen solange auszusetzen".

Auf diese E-mail ist Adnan besonders stolz. Sonst hat er Angst nämlich vor Nachrichten-Sendungen. Obwohl auch diese gemeinsamen Stunden vorm Fernseher, wenn sie mit ihrem Zorn und ihrer Ohnmacht wegen all der sinnlosen Morde und Attentate irgendwo in Hotelzimmern weit weg von Bagdad zusammengesessen sind, mit zur wohl besten irakischen Fußballmannschaft aller Zeiten beigetragen haben.

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