Freundschaftsspiel:Deutschland siegt, Schäfer fliegt

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Durch Tore von Kuranyi und zweimal Klose bezwingt die DFB-Nationalmannschaft Kameruns Auswahl am Ende mühelos. Das wollte der Chef von Kameruns Fußballverband nicht auf sich sitzen lassen.

Nur drei Stunden nach der 0:3-Niederlage gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Leipzig ist Winfried Schäfer als Trainer der Auswahl Kameruns entlassen worden.

Brachte die Seinen auf den richtigen Weg: Kevin Kuranyi. (Foto: Foto: ddp)

Verbandspräsident Mohamed Iya gab in der Nacht zum Donnerstag die Entscheidung nach einer Krisensitzung der Verbandsführung im Mannschaftshotel des viermaligen Afrika-Meisters bekannt.

"Mit dieser Niederlage war er nicht mehr zu halten. Man kann keinem in Kamerun diese Leistung verkaufen", begründete Iya die vorzeitige Trennung von Schäfer.

WM 2006 wohl ohne Kamerun

Der ehemalige Bundesliga-Trainer war seit knapp drei Jahren für die Nationalmannschaft Kameruns verantwortlich. Der Vertrag des 54-Jährigen beim Olympiasieger von Sydney 2000 hatte noch eine Laufzeit bis 2006.

Die Qualifikation für die 2006 stattfindende Weltmeisterschaft in Deutschland ist allerdings nach mangelhaften Ergebnissen in den ersten Qualifikationsspielen stark gefährdet.

Spät kam die deutsche Mannschaft in Schwung beim WM-Testspiel gegen Kamerun, dann aber mächtig: Mit 3:0 (0:0) dank Treffern von Kevin Kuranyi (72.) und dem eingewechselten Miroslav Klose (82./88.) bezwang die Auswahl von Jürgen Klinsmann vor 44000 Zuschauern in Leipzig einen Gegner, der allerdings sichtlich stark mit sich selbst beschäftigt war. Erst ein beherzter Sturmlauf nach der Pause sicherte den ersten Heimsieg unter dem neuen Bundestrainer-Stab.

Frust aus den Beinen schießen

Für buntes Treiben war jedenfalls garantiert, die deutsche Auswahl wollte ihr neues Outfit testen, hellrot leuchtende Jerseys zu weißen Hosen, Kamerun wollte sich den Frust aus den Beinen schießen - bis gestern abend, 18 Uhr, war nämlich keineswegs sicher, ob sie zu dem Spiel überhaupt antreten würden.

Punkt 18 Uhr lief ein Ultimatum ab, das die Spieler ihrem Verbandspräsidenten zur Zahlung ausstehender Prämien gesetzt hatten. Um 17.50 Uhr erschien der Funktionär, zehn Minuten vor Ablauf des Ultimatums - und dem Beginn eines riesigen Eklats.

Hinter den Kulissen rumorte die Affäre weiter, in der sich Coach Winfried Schäfer für seine Eleven verfochten hatte. Schließlich hatte auch er fünf Monate lang kein Gehalt mehr gekriegt. Kameruns Fußball-Legende und Verbands-Intimus Roger Milla rügte gleichwohl den sportlichen Leiter: "Bei uns haben viele Probleme die Atmosphäre vergiftet. Disziplin ist wichtig, das beginnt bei den Spielern und geht bis zum Trainer."

Kleinlicher Pfeifenmann

Geladen kamen die Gäste aufs Feld, mit aggressivem Forechecking hielten sie sich die ersten deutschen Angriffswellen vom Hals, immerzu angetrieben vom Mann mit der weißgelben Löwenmähne am Spielfeldrand - den Dauermotoriker Schäfer knöpfte sich schon bald der Fifa-Aufpasser vor. Zwölf Minuten waren gespielt, bis Schneider das erste Mal gefährlich aufs Tor schoss, nach 21 Minute köpfte Kuranyi aus sieben Metern knapp nebens Tor.

Und war gleich darauf zu verdutzt, um die Chance zu nutzen, als ihm Kameruns Torwart Kameni völlig unbedarft den Abschlag vor die Füße kickte. Die DFB-Auswahl bestimmte das Spiel, in die Bredouille brachten sich die Afrikaner aber immer nur selbst, vermittels erstaunlicher Schlampereien im Umgang mit dem Spielgerät. Als dieses nach 24 Minuten im Kameruner Tor lag, konnte nur noch Schiedsrichter De Santis helfen - der Italiener tat es, er hatte den Freistoß, den Ballack aus 20 Metern versenkt hatte, noch nicht per Pfiff freigegeben. Per Gestenspiel allerdings schon, insofern war die Aberkennung des Tores eher kleinlich.

Schon nach 35 Minuten holte Schäfer seinen Abwehrchef Mettomo vom Feld, angeblich wegen einer Oberschenkelzerrung, vielleicht hatte es ja auch daran gelegen, dass sich die Kameruner Abwehrordnung zeitweise aufzulösen schien. Stürmerstar Eto'o hatte sich deshalb gar mit Mettomo angelegt.

Doch all die internen Aufregungen blieben folgenlos, die deutsche Elf nutzte ihre Überlegenheit nicht gegen ein Team, das branchenintern immer noch gern als unberechenbares Raubtierrudel verklärt wird, tatsächlich aber nicht mehr Gefahr verbreitete als eine Betriebssportgruppe. Die zwei Schüsschen, die Lehmann vor der Pause festhalten musste, waren nur deshalb aufregend, weil des Torwarts Aktionen stets deutlich mit Pfiffen und Beifall bedacht wurden. Ein paar interne Problemchen plagen eben auch Bundestrainer Klinsmanns Truppe.

Aggressive Gegner waren bei Robert Huth in guten Händen. (Foto: Foto: ddp)

Nach Wiederanpfiff ließ sich diese das aber nicht mehr anmerken. Wesentlich druckvoller rannte die deutsche Mannschaft jetzt an, vor allem Ballack setzte die Angreifer immer wieder gut in Szene. Doch Asamoah rutschte weg, nachdem er Kameni schon umdribbelt hatte (51.), Kuranyi traf aus zehn Metern das Tor nicht (54.). Klinsmann brachte Klose für Asamoah, Hitzlsperger für Lahm.

Mitleidslose DFB-Auswahl

Und die Nickligkeiten nahmen zu, den Gästen war Lustlosigkeit und Gereiztheit immer mehr anzumerken.Allmählich grub sich eine gewisse Fassungslosigkeit in die Gesichter von Klinsmann und Assistent - fleißig, doch uninspiriert, so hatten sie dieses Aufgebot ja übernommen. Kuranyis 1:0 (72.), nach einem Sololauf mit glücklichem Schlenzer durch Kamenis Beine, fiel rechtzeitig, um größere Katerstimmung zu verhindern.

Kameruns Deckung glich fortan einem Hühnerhaufen, mit dem Afrika-Meister von 2002 hatte diese Mannschafrt nur noch den Titel gemein. Kuranyi hätte per Kopf ungestört erneut treffen müssen. Das tat Klose, der einen Querschläger von Rigobert Song maßgerecht auf den Fuß serviert bekam (78.).

Auch die restlichen Spielminuten verliefen wie vorgezeichnet: Djemba-Djemba sah die Gelb-Rote Karte nach einem Frustfoul (80.), winkend verabschiedete er sich Richtung Kabine. Die DFB-Auswahl, die hier ja wieder den WM-Ernstfall probte, ließ mitleidlos Ball und Gegner laufen, Kamerun gab sich auf. Und hatte mächtig Glück, nur noch das 3:0 durch Kloses Abstauber (88.) hinnehmen zu müssen.

© Süddeutsche Zeitung vom 18.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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