Freiburgs erster Auswärtssieg:Erwachsene Youngster

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Maximilian Philipp (Mitte) lässt sich nach dem ersten Tor in Bremen feiern. (Foto: Oliver Hardt/Getty)

Der SC Freiburg, bisher auswärts ohne Punkt, nutzt beim 3:1-Sieg beim SV Werder mit erstaunlicher Reife wiederholte Bremer Abwehraussetzer und festigt den achten Tabellenplatz.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Ganz allein und als einer der ersten rannte Christian Streich vom Rasen des Weserstadions ins Innere der Arena, ging allein Richtung Kabine, wähnte sich womöglich unbeobachtet. Oder es war ihm schlicht egal, ob ihm jemand dabei zusah, wie er sich geradezu diebisch, ja beinahe schnitzelartig freute über diesen ersten Auswärtssieg des SC Freiburg. Zweimal ballte Streich die Fäuste, als er die Treppen hinaufflog Richtung Kabinentrakt, und als er schon um die schlecht beleuchtete Ecke gebogen war, hallte sein glückliches, "Ja! Jawoll!" zurück in die Mixed Zone. Streich lebt diesen Fußball wie derzeit kein zweiter Trainer in der Liga, für ihn ist das ganz gewiss keine Sache auf Leben und Tod. Es ist wichtiger, viel wichtiger.

Der 3:1-Sieg des Aufsteigers bei Werder Bremen kam unerwartet, das muss man wohl so sagen. Nicht, dass die Bremer nicht in der Lage wären, jederzeit gegen absolut jeden Gegner und in jeder Höhe zu verlieren - Werders Torwart Felix Wiedwald fasste das recht gelassen und im Stile eines selbstironischen Werbetexters gelassen so zusammen: "Werder Bremen, das steht in den letzten Jahren für viele Gegentore." Aber Freiburg war bisher in dieser Saison eben nicht die Mannschaft, der man zutrauen musste, einen vor Emotionen bebenden Ort wie das Weserstadion im Handstreich zu nehmen.

Kein Punkt auswärts bisher und unter der Woche noch 120 (verlustreiche) Pokalminuten gegen den Zweitligisten Sandhausen in den Knochen, dazu das Wissen, "was hier in Bremen möglich ist, wenn die Mannschaft vor diesem Publikum, das durch und durch Werder ist, ins Laufen kommt", wie Christian Streich sagte. Aber dann habe dieser Trainer in seiner Ansprache "genau die richtigen Worte gefunden", sagte Freiburgs Youngster Maximilian Philipp. "Egal ob wir gewinnen oder verlieren, wir sollten zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, mit Mut und Leidenschaft."

Maximilian Philipp ist derzeit der erfolgreichste deutsche Bundesliga-Schütze

RB Leipzig mag der beste Aufsteiger der Bundesliga-Geschichte zum jetzigen Zeitpunkt einer Saison sein, die eigentliche Sensation freilich ist diese Truppe aus dem Breisgau, die seit mehr als zwanzig Jahren zwischen erster und zweiter Liga pendelt, aber ebenso lange nach jeder Rückkehr in die Bundesliga dort wieder überraschend stark auftritt. Die Freiburger Fußball-Schule produziert nun schon seit Jahrzehnten immer wieder neue, in sich logische Mannschaften auf hohem Niveau; und immer wieder auch Spieler, denen man schon am Anfang ihrer Laufbahn eine große Karriere prophezeien kann.

Im aktuellen Freiburger Team ist das eben Maximilian Philipp, 22. Nach dem 9. Spieltag ist er der beste Deutsche unter den Toptorjägern der Bundesliga, mit seinem Treffer zum 1:0 in Bremen schob er sich auf Platz fünf. Das Tor selbst wiederum war ein Klasse-eins-Treffer, Philipp taxierte Mann für Mann in der zögerlichen Bremer Defensive auf deren offenkundig nur bedingte Abwehrbereitschaft, keiner griff ihn an, vier, fünf Bremer standen bei Philipps Solo Spalier. "Früher", sagte Philipp, "hat der Trainer mich immer dafür kritisiert, dass ich zwar einen guten Schuss habe, aber einfach draufhaue." Jetzt macht er es mit Auge, in Bremen wartete er, bis er das Loch in der paralysierten Werder-Abwehr fand, dann ließ er ein halbes Dutzend Gegner hinter sich, guckte sich auch noch Torwart Wiedwald aus und traf zur Führung nach 29 Minuten. Schon zehn Minuten später, als der zuletzt gefeierte, diesmal aber komplett überforderte Werder-Angreifer Ousman Manneh seinen Freiburger Kollegen Karim Guédé im Strafraum plump und am Trikot festhielt, war das Spiel schon fast entschieden. Vincenzo Grifo verwandelte den Strafstoß sicher.

"Erwachsen" sei die Leistung seiner Mannschaft gewesen, sagte der selbst gerade erst erwachsene U21-Nationalspieler Philipp. Auch wenn in der zweiten Halbzeit die Bremer erst auf 1:2 herankommen durften (Garcia, 67.) und wenig später der eingewechselte Nils Petersen seine einstigen Kollegen - er war von Werder nach Freiburg gewechselt - durch Auslassen einer Großchance am Leben ließ: Freiburg verdiente sich den Sieg und hatte, wie Trainer Streich bemerkte, noch etwas "Spielglück", weil der Ball beim 3:1 abgefälscht wurde (Abrashi traf in der 75. Minute). Alles in allem ist der heimstarke Sport-Club nach den ersten Auswärtspunkten der Saison gefestigter Achter. Oder, wie Christian Streich sagen würde: "Ja! Jawoll!"

© SZ vom 30.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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