Freiburger Debatte nach der Niederlage:Streich vermutet "Machenschaften" 

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Freiburgs Torwart Alexander Schwolow kann den Elfmeterschuss von Hoffenheims Andrej Kramaric zum 2:1 nicht halten. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Erst Kritik an der harten Freiburger Gangart - nun ein umstrittener Strafstoß kurz vor Schluss: Trainer Streich bemüht nach dem 1:2 Verschwörungstheorien.

Fritz Keller hob sein Mobiltelefon zum Beweis in die Höhe und zeigte immer wieder jene Szene, die für so viel Verdruss beim SC Freiburg geführt hatte. Gerade ein paar Minuten war dieses doch noch aufregende Spiel vorüber, das der SC mit 1:2 bei der TSG Hoffenheim verloren hatte. Und hinter Keller standen später also Reporter und schauten mit dem Freiburger Präsidenten auf dessen Handy noch einmal jene Aktion an, die zum Elfmeter-Siegtor der Hoffenheimer durch Andrej Kramaric in der 81. Minute geführt hatte.

Keller kommentierte. Für ihn machte Hoffenheims Sebastian Rudy "ganz klar" einen Schritt zurück in Freiburgs glücklosen Abwehrspieler Caglar Söyüncü hinein, bevor er zu Fall kam. "Ganz klar kein Elfmeter!", meinte Keller. Schiedsrichter Deniz Aytekin hingegen erklärte, Söyüncü habe sich "klar aufgestützt". Weil nur vier Minuten später Freiburgs Stürmer Florian Niederlechner nach einem Laufduell mit Hoffenheims Verteidiger Ermin Bickcic zu Fall gekommen war (wenn auch nur nach einer minimalen Berührung), regten sich die Freiburger nur noch mehr über die Niederlage auf. Denn diesmal blieb der Elfmeterpfiff aus. Aytekin ordnete die Berührung als "einen nicht unüblichen Kontakt" in der Bundesliga ein.

In Regelkunde hatte Nagelsmann eine 2,0 - die Elfmeter-Analyse überlässt er anderen

Dieses Spiel, das wie ein Abnutzungskampf respektive wie Taktikschach begonnen hatte, am Ende erhitze es die Emotionen aller Beteiligten. Für Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann waren beide strittige Entscheidungen "Kann"-Entscheidungen". Er wolle aber nicht im Detail urteilen, witzelte er, im Fach Regelkunde habe er mit einer 2,0 eine seiner schlechteren Noten in der Fußballehrer-Prüfung bekommen. Für Freiburgs Trainer Christian Streich hingegen passten der Ausgang des Spiels und die Entscheidungen zu Ungunsten seines Teams zur Vorgeschichte dieses Baden-Derbys. Oder wie Streich sagte: zu "den Machenschaften unter der Woche".

Hoffenheims Manager Alexander Rosen hatte den Freiburgern am Donnerstag "eine Aggressivität im Grenzbereich" unterstellt, die "vom Trainer an der Seitenlinie gepuscht" werde. "Wahnsinn", nannte das Streich nach der bitteren Niederlage. Schon vor dem Anpfiff hatte er Rosens Aussagen als "Kampagne" bewertet, die versuchen solle, "Umfeld und Schiedsrichter zu beeinflussen". Plötzlich sei seine Mannschaft der Aggressive-Leader der Liga: "Dabei wollen wir nur Fußball spielen", sagte Streich. Dass seine Elf in so eine Ecke gestellt werde, kann Streich nicht begreifen, im letzten Jahr sei Freiburg die fairste Mannschaft der zweiten Liga gewesen, und nach Hoffenheim sei sie als Achte in der Foulstatistik der Bundesliga gekommen. "Und plötzlich sind wir eine Klopfertruppe? Wie kommt jemand dazu, so etwas zu sagen?" Um den Lauf der Dinge zu beeinflussen, war die Antwort, die Streich nicht sagte, aber dachte.

Rosen hingegen erklärte in einem langen Monolog, seine Zitate seien ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er habe seine Mannschaft sensibilisieren und niemanden in irgendeine Ecke stellen wollen. Hoffenheim gegen Freiburg - das Derby der Nordbadener gegen die Südbadener bot also einiges fürs Showgeschäft.

Gerade noch zweite türkische Liga: Caglar Söyüncü steht im Blickpunkt

Es ist für die Freiburger zwar ärgerlich, so verloren zu haben - aber der Sieg der Hoffenheimer war aufgrund der Mehrzahl an Torchancen "letztendlich verdient", wie TSG-Trainer Nagelsmann nicht zu Unrecht analysierte. Zur tragischen Figur auf dem Platz wurde der junge Türke Söyüncü, 20, der zunächst mit einem unerklärlichen Fehlpass Hoffenheims Mittelstürmer Sandro Wagner zum 1:0 auf die Reise schickte (34.). Dann wiederum setzte er mit einem herrlichen Pass über 40 Meter Niederlechner vor dem 1:1 in Szene (77.) - ehe er wiederum nur vier Minuten später den Elfmeter zu Hoffenheims Siegtreffer verursachte. "Der Junge kommt aus der zweiten türkischen Liga, spielt nun Bundesliga und ist mit der türkischen Nationalmannschaft unterwegs. Der erlebt gerade Unglaubliches, da passieren halt Fehler", erklärte Streich, dessen Mannschaft also weiterhin auf den ersten Auswärtspunkt in dieser Saison warten muss.

Hoffenheim hingegen bleibt ungeschlagen und befindet sich mit 13 Punkten und dem dritten 2:1-Sieg in Serie "im Aufwind", wie Mittelfeldspieler Lukas Rupp feststellte. Dass Hoffenheim nun auch enge Spiele gewinnt - statt sie wie in der Vergangenheit zu verlieren -, könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieses Team gerade eine neue Siegermentalität entwickelt. Auch gefördert durch Mittelstürmer Wagner, der Gegenspieler zermürben und gegnerische Fans gegen sich aufbringen kann, aber auch die eigenen Anhänger und Mitspieler mitreißen. Gegen Freiburg ist ihm das gelungen. "Das ist genau das, was wir mit seiner Verpflichtung aus Darmstadt erreichen wollten", freut sich Trainer Nagelsmann und findet: "Wenn man über meine Mannschaft einmal sagt, sie sei der Aggressive Leader der Liga, dann fände ich das geil - weil ich genau darauf hinarbeite."

© SZ vom 16.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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