Frauen-Volleyball:Karajan mag nicht mehr

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Hee Wan Lee tritt im Streit mit der Volleyball-Liga als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft zurück. Der Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Sportart in Deutschland.

Felix Meininghaus

Mit drei Worten hat Hee Wan Lee, der Bundestrainer der Volleyball-Nationalmannschaft der Frauen, am Mittwochmorgen die Konsequenzen aus wochenlangen Querelen mit den Bundesligavereinen gezogen: "Ich trete zurück", sagte der Koreaner dem Volleyball-Magazin - und machte damit öffentlich, was er zuvor lediglich Götz Moser und Lutz Endlich mitgeteilt hatte, dem Vizepräsidenten Sport und dem Generalsekretär des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV).

Hee Wan Lee wirft das Handtuch (Foto: Foto: dpa)

Sechseinhalb Jahre lang war der 50-Jährige für die Volleyballerinnen verantwortlich. Die Resultate waren beachtlich, dem ehemaligen Weltklasse-Zuspieler gelang die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2000 und 2004, zudem gewannen die DVV-Frauen bei der EM 2003 die Bronzemedaille. Vor allem die als "Wunder von Baku" gefeierte Qualifikation für Olympia 2004 in Athen war eine Glanzleistung. Doch obwohl die Frauen hierzulande wesentlich erfolgreicher schmettern als ihre Kollegen, herrscht fast durchgängig ein Reizklima zwischen den Klubs und dem Verband.

Nur übereinander geredet

Hee Wan Lee wurde systematisch zwischen den Mühlsteinen aufgerieben. Jetzt geht es nicht mehr. Hintergrund der jüngsten Krise war das Bestreben des Bundestrainers, ein Konzentrationsmodell mit einem Erstligisten ins Leben zu rufen.

Lee hatte sein Konzept im Januar in einem Brief an den DVV-Vorstand vorgestellt: Er wollte, so seine Intention, das Training bei einem Erstligisten übernehmen, bei dem mindestens drei aufstrebende Nationalspielerinnen tätig sind, die er so ganzjährig hätte ausbilden können. Vor allem ging es dem Mann, der in der Szene zu seiner aktiven Zeit "Karajan des Volleyballs" genannt wurde, darum, eine junge Zuspielerin in die hohe Schule des Ballverteilens einzuweisen.

Die Verbandsgewaltigen fanden das Modell gut, es wurde Diskretion vereinbart, bis ein geeigneter Standort gefunden sei. Doch wie so oft in der überschaubaren Volleyball-Familie dauerte es nicht lange, bis die Pläne nach außen sickerten. Ein Sturm der Entrüstung brach los, die Vereinsoberen sprachen von Wettbewerbsverzerrung und Vertrauensbruch.

"Es kann nicht sein, dass Lee und Moser Gespräche führen, während wir uns nicht mal mit den Bundesligisten über das Thema ausgetauscht haben", zürnte Thorsten Endres, der Geschäftsführer der Deutschen Volleyball-Liga (DVL). Achim Exner, Manager in Wiesbaden, beklagte, "dass die Vereine vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollten". Wochenlang wurde über das Modell gestritten - die Bundesliga-Vertreter auf der einen, der Bundestrainer und die DVV-Funktionäre auf der einen Seite.

Bundestrainer nicht angehört

Der Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand, in dem sich Deutschlands Frauen-Volleyball seit Jahren befindet: Es wird viel übereinander und wenig miteinander geredet. Das Fass zum Überlaufen brachte der Umstand, dass die Ligavertreter mit dem DVV-Vorstand am Wochenende anlässlich des Pokalfinales in Halle tagten, der Bundestrainer bei der Aussprache jedoch nicht angehört wurde.

Lee empfand das "als Sauerei" und zog die Konsequenzen. In diesem Zusammenhang mutet eine Pressemitteilung, die in Halle verteilt wurde, geradezu rührend an. Der Streit sei beigelegt, hieß es in dem Bulletin. Lee hatte sich zu dieser Zeit innerlich bereits abgewandt.

Dass viel zu viel Porzellan zerschlagen worden ist, um eine gedeihliche Zusammenarbeit zu gewährleisten, muss sich vor allem der Verband vorwerfen lassen. Bei Hee Wan Lees Amtsantritt 1999 hatte DVV-Präsident Werner von Moltke angekündigt, dem Trainer einen Teammanager zur Seite zu stellen, der als Moderator fungieren sollte. Diese Bringschuld ist bislang nicht eingelöst worden, weshalb sich der scheidende Bundestrainer im Stich gelassen fühlt: "Als ich angefangen habe, hieß es: ,Hee Wan, Du bist nur Trainer. Um alles andere kümmern wir uns.' Ich weiß, dass mein Deutsch nicht so gut ist, aber es gab niemanden, der mir geholfen hat."

Nicht nur Lee übt Kritik

Die elementaren Versäumnisse auf allen Kommunikationsebenen werden nicht nur von Lee bemängelt. Vor allem Götz Moser ist zuletzt in die Kritik geraten. "Wenn ich mir in meinem Verband einen solchen Alleingang geleistet hätte", sagte Matthias Fell, Präsident des Westdeutschen Volleyball-Verbandes, der Münsterschen Zeitung, "hätte ich den Hut nehmen müssen."

"Wir haben Riesenfehler in der Kommunikation gemacht", gesteht Moser. Er könne Lee "absolut verstehen", sagt der Berliner: "Wenn man bestimmte Dinge nicht erreichen kann, muss man die Konsequenzen ziehen." Für sich selbst stuft Moser die Lage indes anders ein: "Wenn ein Bundestrainer zurücktritt, heißt das nicht, dass der Vizepräsident Sport mit ihm zurücktreten muss."

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