Frankfurt-Nürnberg:"Schon ein bisserl kurios"

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Im Trikot, das er sich wünscht: Martin Hinteregger beim Frankfurter Europapokal-Sieg in Mailand in der Vorsaison. (Foto: Antonio Calanni/AP)

Im Januar steckte Martin Hinteregger mit dem FC Augsburg im Abstiegskampf. Er kritisierte seinen Trainer, wurde suspendiert. Nun steht er mit Eintracht Frankfurt im Europapokal-Viertelfinale.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Martin Hinteregger mittlerweile auch diese Rolle bei Eintracht Frankfurt übernommen hat: erster Ansprechpartner für die Medien zu sein. In der magischen Mailänder Nacht, als sich der hessische Bundesligist erstmals seit 24 Jahren und als letzter deutscher Vertreter für ein Europapokal-Viertelfinale qualifizierte, drückten und umarmten sich noch die meisten Mitspieler, tanzten und hüpften im dritten Stock des San Siro die 15.000 Eintracht-Fans, da stand Hinteregger schon vor einem Fernsehmikrofon.

Kapitän Makoto Hasebe musste kurz vor Schluss ein Eisbeutel an den lädierten Schädel gelegt werden, Mittelfeldspieler Sebastian Rode hatten die Physiotherapeuten sogar den Rücken einrenken müssen. Also fasste eben der Winter-Zugang die Geschehnisse zusammen. "Wir sind immer besser ins Spiel gekommen und haben Inter vom Tor weggehalten. Das war der Schlüssel zum Sieg", erklärte Hinteregger. Da hatte einer schnell gesagt, was gesagt werden muss.

Dabei hat Hinteregger die austauschbaren Aussagen der Akteure bei der verbalen Aufarbeitung mal so kritisiert: "Bei den Interviews nach den Spielen schalte ich ab. Das ist so etwas von uninteressant, weil du eh weißt, was kommt." Irgendetwas ist also mit dem 26-Jährigen, der mittlerweile 95 Bundesligaspiele und 52 Europapokaleinsätze absolviert hat und damit der erfahrenste Frankfurter auf der internationalen Bühne ist, auf seiner dritten Bundesligastation passiert. Auf dem Spielfeld ist er so stark wie nie, abseits des Rasens wirkt er so brav wie nie.

Seinen Abschied aus Augsburg soll er angekündigt haben

Den Fokus auf den Fußball zu legen, kann bei einem Profi nicht verkehrt sein, den sie beim FC Augsburg nach einem sagenhaft offenen Satz über Trainer Manuel Baum ("Ich kann nichts Positives über ihn sagen und werde auch nichts Negatives sagen") für untragbar hielten. Sein Weggang bekam mit dem Facebook-Post von Markus Krapf, Besitzer der Bar "11er" und zu Regionalliga- und Zweitligazeiten Geschäftsführer des FCA, einen bitteren Beigeschmack. Krapf schrieb, dass Hinteregger schon im Dezember in seiner Kneipe rumerzählt habe, den Verein im Winter unbedingt verlassen zu wollen. Krapf schrieb: "Schon mal dran gedacht, dass die offenen Worte allein darauf angelegt waren, um aus Augsburg wegzukommen?"

Den Frankfurtern kann das nun ziemlich egal sein. Der am letzten Tag der Transferperiode auf Leihbasis verpflichtete 26-Jährige ist seit dem ersten Arbeitstag unverzichtbar. Gegen Borussia Dortmund verlief sein Debüt noch etwas durchwachsen, danach avancierte der Österreicher in Windeseile zur festen Stütze. Er hat in der Rückrunde in Bundesliga und Europa League jede Minute mitgespielt und ist auch für das Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg (Sonntag 15.30 Uhr) gesetzt.

"Er macht das überragend. Ich habe ihn bei uns noch nie schlecht gesehen. Er spielt halbrechts in der Dreierkette, was als Linksfuß nicht so einfach ist", lobt Trainer Adi Hütter, der seinen Landsmann aus einer gemeinsamen Saison beim FC Red Bull Salzburg kannte. Der Vorarlberger erzählte kürzlich, er könne sich gut an ein Europa-League-Gruppenspiel aus dem Herbst 2014 bei Celtic Glasgow erinnern, wo Salzburg 3:1 gewann. "Da hatte ich mich gefragt, ob er alleine gegen alle spielt. Ich habe gewusst, was er zu leisten imstande ist." Es sei aber nicht selbstverständlich gewesen, "dass er bei uns so schnell Fuß fasst - die Konstellation passt gut."

Frankfurt will ihn offenbar behalten - und er will wohl bleiben

Hinteregger war das vielleicht letzte fehlende Puzzlestück, um die Eintracht für Herausforderungen wie gegen Schachtjor Donezk oder Inter Mailand zu präparieren. Der 1,86-Meter-Mann besticht durch Übersicht, Abgeklärtheit, Zweikampf- und Kopfballstärke - und teilweise spielt er jetzt sogar famose Pässe in die Tiefe. Er scheint ein weiterer gelungener Einkauf einer bemerkenswerten Frankfurter Transferpolitik zu sein, die die Metamorphose vom Abstiegskandidaten im Mai 2016 zur Spitzenmannschaft im März 2019 erklärt. Es wäre nur logisch, würde die Eintracht im Sommer versuchen, den Abwehrspieler fest an den Klub zu binden - beide Seiten können sich das offenbar gut vorstellen.

In der Pressekonferenz vor dem Mailand-Hinspiel sagte Hinteregger: "Das alles ist für mich schon ein bisserl kurios. Vor einigen Wochen war ich noch ganz woanders. Ich habe die Aufgabe aber angenommen und kann der Mannschaft und dem Verein extrem helfen. Ich haue alles rein." Seit einem Dutzend Pflichtspielen ist Frankfurt ungeschlagen, viele träumen bereits von der direkten Champions-League-Qualifikation und einem Europapokalsieg. Auch Hinteregger gehört zu den Protagonisten, die sich kein Limit setzen. Wie sagte er am Donnerstagabend noch? "Die Reise kann weitergehen. Wo das endet, werden wir sehen."

© SZ vom 17.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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