Formel 1:Scheinheilige Dreieinigkeit

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Ferraris überraschender Pakt mit Bernie Ecclestone und dem Automobil-Weltverband lässt die Konkurrenten schäumen. Die beklagen schon seit einiger Zeit eine verdächtige Nähe zwischen Fia und Ferrari und fürchten um den fairen Wettkampf.

Von René Hofmann

Die Nachricht kam unvermittelt. Am 19. Januar um 15.26 Uhr verschickte die Ferrari-Pressestelle eine e-Mail, in der sie nüchtern mitteilte: Der Rennstall hat sich mit dem Automobil-Weltverband Fia und der Vermarktungsagentur Formula One Management (Fom) darauf geeinigt, das Concorde Agreement von 2008 bis 2012 zu verlängern.

Bernie Ecclestone hat sich Ferrari auf seine Seite geholt. (Foto: Foto: Reuters)

Der Vertrag legt die Regeln fest, nach denen in der Formel 1 gespielt wird und wie die Einnahmen verteilt werden. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, Fia-Präsident Max Mosley und Fom-Präsident Bernie Ecclestone jubelten: "Eine starke Botschaft für die Stabilität der Formel 1" (Montezemolo), "die Zukunft ist gesichert" (Ecclestone), "das älteste Team bleibt in der WM" (Mosley).

Die Worte ließen die anderen Mitwirkenden an dem Spektakel schäumen. Schon lange wird der Fia eine verdächtige Nähe zu Ferrari nachgesagt, so offen wie an diesem Mittwoch im Januar war die Dreieinigkeit Montezemolo-Mosley-Ecclestone aber noch nie aufgetreten. In den vergangenen Jahren hatte die Scuderia aus Maranello stets lautstark die Ziele von Mercedes, BMW und Renault unterstützt, die sich in der Firma GPWC zusammengeschlossen hatten, um Ecclestone Macht und Geld zu entreißen. Plötzlich ließ Ferrari das Zweckbündnis platzen und düpierte damit die ehemaligen Partner. Erst eine halbe Stunde vor dem Versand der e-Mail erfuhren die, welche Bombe da unterwegs war.

Lange dauerte es nicht, bis durchsickerte, warum sich die Italiener mit Ecclestone einließen. 100 Millionen Dollar, behaupten britische Zeitungen, soll ihnen die Unterschrift gebracht haben. Zudem werden sie ab sofort mit einem höheren Anteil von Ecclestones Einnahmen bedacht, was ihnen pro Jahr noch einmal knapp 100 Millionen Dollar bringen soll.

Die anderen Teams werden weiter mit 47 Prozent der TV-Einnahmen abgespeist, die sich auf schätzungsweise 200 Millionen Dollar jährlich belaufen. Insgesamt erwirtschaften Ecclestones diverse Firmen nach Informationen des Guardian im Jahr etwa 800 Millionen Dollar, wovon nicht einmal ein Viertel an die Teams geht. Eine lächerliche Quote - das weiß auch Ecclestone.

Selbst die Japaner protestieren

Kurz nachdem er Ferrari auf seine Seite gezogen hatte, bot der 74-Jährige auch den anderen neun Rennställen einen Deal an: Ab 2008 würde er gerne 50 Prozent seiner Gewinne ausschütten, und wer sich ihm jetzt zuneigt, könne in drei Jahren für die Zeit von 2004 bis 2007 noch dazu eine rückwirkende Auszahlung erwarten. Publik machte den Vorschlag pikanter Weise Fia-Präsident Max Mosley, der den neun Zögernden dringend empfahl, sich auf den Handel mit seinem alten Freund Ecclestone einzulassen.

Eine Geste, die bei den großen Autokonzernen gar nicht gut ankam. Selbst die in politischen Fragen äußerst zurückhaltenden Japaner Honda und Toyota fühlten sich herausgefordert. Sie traten der deutsch-französischen Allianz von BMW, Mercedes und Renault bei, die ausrichten ließ: Statt einen Pakt mit Ecclestone und Mosley wollten sie ab 2008 einen "transparenten und kommerziell, technisch und sportlich fairen" Wettkampf. Ein Treffen Ende Januar am Flughafen London Heathrow, bei dem Reglementänderungen für die Zeit nach 2007 besprochen werden sollten, verkam daraufhin zur Farce: Es tauchten nur die Ferrari-Vertreter Jean Todt (Team-) und Ross Brawn (Technikchef) auf.

Das Protokoll des Treffens liest sich wie ein Witz. Standard-Elektronik: "Jean Todt erklärte, dass Ferrari eine Standard-ECU prinzipiell unterstützt (...). Die Fia will eine Standard-ECU (...)." Einheits-Antriebsstrang: "Jean Todt sagte, Ferrari unterstütze diesen Vorschlag, durch den es zwei Mio Dollar sparen würde. Die Fia befürwortet ihn (...)."

So viel Einigkeit ist außergewöhnlich in der Formel 1. Bei den anderen großen Teams ließ das den Verdacht keimen, Ferrari habe sich sein Mitspracherecht in Regelfragen gleich in den neuen Vertrag schreiben lassen. Am 16. Februar holten die Renegaten zum Gegenschlag aus. Seit Jahren schmiedet die GPWC Pläne für eine Alternativ-Serie. Die Marketingagentur iSE kundschaftete dafür die Geschäftspraktiken von Ecclestone aus.

Am 16.Februar gab sie in Cliveden bei London den staunenden Abgesandten der nicht-Ferrari-Fraktion einen detaillierten Einblick, womit der ehemalige Gebrauchtwagenhändler so alles Geld verdient - und wie viel. Die Präsentation endete mit der verlockenden Aussicht, die Teams könnten leicht 80 Prozent der jährlichen Einnahmen einstreichen, wenn sie zusammenhielten und sich von den bisher herrschenden Mächten Ecclestone und Mosley abwenden würden, wozu einige wild entschlossen sind. "Wir werden nicht im Grand-Prix-Rennsport antreten, wenn nicht für alle die gleichen Regeln gelten", droht McLaren-Chef Ron Dennis. "Es stinkt im Moment in diesem Sport", sagt Williams-Eigner Frank Williams: "Und es wird immer schlimmer und schlimmer."

Drohen, klagen, erpressen

Die Atmosphäre ist vergiftet, die Bandagen werden härter. Als Replik auf die Anschuldigungen hat Mosley in seinem nächsten Interview im Focus Dennis gleich einmal beleidigt ("Er ist nicht besonders clever. Diskussionen mit ihm sind Zeitverschwendung") und Williams verraten, dass sein derzeitiger Motorenpartner BMW gerade damit liebäugelt, das Schweizer Sauber-Team zu übernehmen.

Drohen und anschwärzen, klagen und erpressen - selten sind die Umgangsformen in der Serie ähnlich verdorben gewesen. Max Mosley, der oberste Regelhüter jedoch sagt: "Ich denke, die Formel 1 war nie in einer besseren Verfassung."

© Süddeutsche Zeitung vom 2.3.3005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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