Formel Eins:Der größte Gegner ist ein Ventil

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Räikkönen wird von der Technik gebremst, Schumacher ist zu langsam - nur Alonso dreht solide seine Runden. Von René Hofmann

So wie Juan Pablo Montoya kann man es natürlich auch sehen. Nach seinem zweiten Platz beim Großen Preis von Deutschland sprach der McLaren-Mercedes-Pilot munter in die Mikrofone: "Uns hat heute nur ein wenig Glück gefehlt." Zum Hydraulikschaden, der seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen in der 36. Runde als Führenden ausrollen ließ und dem Finnen in der WM-Wertung nun 36 Punkte Rückstand auf Fernando Alonso bringt, fiel Montoya ein: "So, wie die WM läuft, geht es jetzt vor allem darum, wer Zweiter wird - Kimi oder ich." Kurz darauf schob er froh gelaunt seinen schlafenden Sohn im Kinderwagen aus dem Fahrerlager. Sein Chef, McLaren-Vordenker Ron Dennis, trat derweil einige Meter weiter frechen Fragen demonstrativ widerwillig gegenüber. Die Arme vor der Brust gekreuzt, antwortete Dennis so leise, dass seine wenigen Worte nur die besten Mikrofone der Radioreporter verstehen konnten. "Wir müssen alle aufhören, Fehler zu machen", murmelte Dennis, und, zur WM-Chance befragt, meinte er: "Der Berg ist steil. Ihn noch zu erklimmen, ist schwierig, aber nicht unmöglich."

Ungewöhnliche Pechsträhne bei Mercedes

Zum dritten Mal in diesem Jahr stoppte ein technisches Gebrechen Kimi Räikkönen auf einer Triumphfahrt. In Imola brach die Antriebswelle, am Nürburgring eine Radaufhängung. Dieses Mal ließ ein Ventil den Hydraulikdruck entweichen. Drei Schäden mit unterschiedlichen Ursachen. Weder den Qualitätskontrolleuren noch den Konstrukteuren lässt sich die Schuld an den Defekten eindeutig zuordnen. Irgendwie kommt immer was dazwischen. In Magny-Cours streikte im Training ein Axiallager, in Silverstone die Antriebswelle der Ölsumpf-Pumpe, in Malaysia bremste Räikkönen im Rennen ein defektes Reifenventil. Funktioniert die Technik, versagt bisweilen der Fahrer. Beim Saisonauftakt in Australien drückte Räikkönen am Start das falsche Knöpfchen, woraufhin sein Motor erstarb. Am Nürburgring stieg der 25-jährige einmal zu heftig auf die Bremse. Das zog Vibrationen nach sich und die führten zum spektakulären Abflug in der letzten Runde, den das Team hätte verhindern können, wenn es Räikkönen zum Reifentausch hätte stoppen lassen.

Montoyas Pech- und Pannenserie ist mindestens ebenso eindrucksvoll. Melbourne: Ausflug in die Wiese. Bahrain und Imola: Nicht am Start, wegen eines Sportunfalls. Monaco: Strafversetzung wegen Verstoßes gegen das Reglement. Montreal: Disqualifikation wegen Verstoßes gegen das Reglement. Magny-Cours: Hydraulikschaden. In Hockenheim kostete Montoya ein Patzer in der Qualifikation den Sieg. In der 55-jährigen Formel-1-Geschichte hat es selten ein ähnlich dominantes Team gegeben, das so wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. "Wir haben offensichtlich noch nicht die Parallelität von Speed und Zuverlässigkeit gefunden", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug, der bei der Gelegenheit aber gerne daran erinnert, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass die grauen Wagen weder schnell noch verlässlich waren - nämlich genau ein Jahr.

Schumacher schleppt sich ins Ziel

Damals dominierte Ferrari, jenes Team, welches inzwischen ähnlich tief in Probleme geraten ist wie McLaren, nur umgekehrt: Seit einigen Rennen laufen die Roten zwar wieder mit der Präzision Schweizer Uhren, doch je länger das Rennen dauert, desto langsamer werden sie. In Hockenheim, wo 67 Runden zu drehen sind, ließ Michael Schumacher seine Boxencrew nach 26 Umläufen wissen, dass seine Reifen bald am Ende seien. Er schleppte sich als Fünfter ins Ziel. Teamkollege Rubens Barrichello, der versuchshalber auf eine andere Gummimischung gesetzt hatte, erwischte es noch schlimmer. Er musste sich als Zehnter von beiden Red-Bull-Mobilen überholen lassen.

Einigermaßen schnell und einigermaßen zuverlässig zu sein, das schafft seit Monaten nur einer: Fernando Alonso im Renault. Auch in Hockenheim staubte er den Sieg ab und frotzelte in Räikkönens Richtung: "Dafür, dass man ein halbes Rennen lang der Schnellste ist, gibt es leider nichts." Der 23-jährige Spanier hat sich in diesem Jahr erst einen Fehler geleistet. In Montreal steuerte er seinen Renault übermütig gegen eine Mauer. Der R25 ist kein Wunderwagen, aber wenn einmal etwas kaputt geht, dann erwischt es stets den zweiten Mann im Team, Giancarlo Fisichella. In Bahrain sah der Italiener die Zielflagge nicht, weil sein Motor Schaden nahm, in Montreal spielte nach 32 Runden die Hydraulik nicht mehr mit. In der Fahrerwertung hat ihn das weit zurückgeworfen, was Alonso einen loyalen Helfer beschert. In vier Wochen, beim ersten Großen Preis in der Türkei, könnte sich Alonso den Titel frühestens sichern und zum bisher jüngsten Meister der Serie aufsteigen. Doch dafür müsste Räikkönen dreimal punktelos bleiben.

Briatore gibt sich lässig

Dass er zum besten Autofahrer ausgerufen wird, bezweifelt kaum noch jemand. "Wir haben einen unglaublichen Champion erschaffen", brüstet sich Renault-Teamchef Flavio Briatore. Ein "Dream Team" habe er um sich geschart, dem ein "echtes Wunder" glückte: "In vier Jahren vom Ende des Feldes ganz nach vorne." Selbstbewusst hat sich Briatore vor seinem Motorhome aufgebaut. Lässig hält er die Hände auf den Hüften. Er spricht laut. Was er zu sagen hat, sollen alle hören. Auch die Nachbarn zwei Häuser weiter, links und rechts: Ferrari und McLaren.

© SZ vom 26.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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