Formel 1 am Nürburgring:Fans verzweifelt gesucht

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Weil die Zuschauer trotz Sonderangeboten ausbleiben, starten die Veranstalter am Nürburgring eine Charmeattacke: Die Rennfahrer werden zu Reiseführern, Eddi Jordan muss trommeln und die Kontrahenten Montoya/Schumacher spielen ein bisschen Krieg.

Von René Hofmann

Am vergangenen Sonntagnachmittag hat Walter Kafitz aufmerksam ferngesehen. Und sich anschließend gefreut. Seit Michael Schumacher in Monte-Carlo auf drei Rädern aus dem Tunnel kam, klingeln die Telefone am Nürburgring deutlich öfter, und Geschäftsführer Kafitz kann darauf hoffen, dass der Große Preis von Europa doch kein großer Reinfall wird.

Vollgas vor halbleerer Tribüne: Die Formel 1 muss umdenken. (Foto: Foto:)

2002 lockte die Formel 1 gut 300000 Zuschauer in die Eifel, im vergangenen Jahr waren es rund ein Drittel weniger. Geld konnte die Nürburgring GmbH so nicht mehr verdienen. Dieses Mal fällt die Wettfahrt mit Pfingsten zusammen, Kafitz muss kämpfen, die mäßigen Vorjahreszahlen zu erreichen. Prognosen möchte er keine abgeben.

"Wir wissen von all unseren Veranstaltungen, dass die Fans ihre Entscheidungen immer später treffen", sagt er. Optimismus klingt anders. 96 Prozent Auslastung sind notwendig, um alleine die Kosten wieder einzuspielen, hat Hermann Tomczyk, einer der Präsidenten des Mitveranstalters ADAC, jüngst verraten.

Ein Geschäft ist die Formel 1 nur noch selten

Damit ist die Formel 1 nur in Ausnahmefällen noch ein Geschäft. Dass der Nürburgring die Serie bis 2009 jedes Jahr sicher zu Gast hat, könnte ihn noch teuer kommen. Damit das Rennen wenigstens nicht vor halbleeren Rängen über die Bühne geht, hat Kafitz die Preise in diesem Jahr drastisch gesenkt.

Der Freitag, an dem es um nichts geht, ist jetzt "Familientag". Der Blick auf die lauten Autos kostet dann 29 Euro; im Vorjahr waren es noch 50. Am "Party-Samstag" ist ein Ticket statt für 100 Euro für 59 zu haben, Eintritt zu einem Konzert mit der Band von Eddie Jordan inklusive. Der Teamchef von Nick Heidfeld spielt am liebsten Schlagzeug. Allmählich begreifen die Protagonisten offenbar, dass sie die Trommel ein bisschen öfter rühren müssen, wenn die fetten Jahre noch andauern sollen.

Selbst die Fahrer ließen sich in die Pflicht nehmen. Artig wollen sie am Samstag 140 Besucher über ihren Arbeitsplatz chauffieren. In Indianapolis und in Melbourne funktionierten ähnliche Charmeattacken schon: Dort zwängten sich Tausende Neugierige am Tag der offenen Boxengasse an den Garagen vorbei und stellten sich artig in die Schlange einer eilig einberufenen Autogrammstunde.

Die Rivalen pflegen die Feindschaft

Auch am Nürburgring stürmten am Donnerstag Tausende für 20 Euro die Straße hinter den Kommandoständen und wollten per Bus das 5,148 Kilometer lange Asphaltband erkunden. Die Nähe und der schwelende Konflikt zwischen Schumacher und Montoya reizen. Die Rivalen versprachen bei ihrem ersten Auftritt nach dem Zusammenstoß in Monte Carlo, ihren Händel weiter zu pflegen.

"Der Hintermann muss auf den Vordermann achten." - "Ich dachte eigentlich, jeder kann beschleunigen und bremsen", attackierte Schumacher Montoya noch einmal. Der gab zurück: "Es ist ja nicht das erste Mal gewesen, dass Michael in so einen Vorfall verwickelt war. Aber das erste Mal, dass er nicht unbeschädigt davongekommen ist."

Im vergangenen Jahr beharkten sich die beiden auch am Nürburgring. Auf dem Weg in die Dunlop-Kehre schob sich Montoya auf der ungewöhnlichen Außenbahn neben Schumacher. Im Scheitelpunkt der Kurve berührten sich der Williams und der Ferrari. Michael Schumacher landete im Kies und konnte sich mühsam und nur dank der Schubkraft einiger Streckenposten als Fünfter über die Ziellinie schleppen. Montoya wurde hinter Ralf Schumacher Zweiter. Ginge die Geschichte in diesem Jahr ähnlich aus, würde er sich freuen. Herr Kafitz auch.

© SZ vom 28.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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