Formel 3:Alles sehr skurril

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Am Wochenende endet am Hockenheimring die Saison für Max Günther. Er hat noch theoretische Titelchancen.

Von Anna Dreher

Er wollte ein paar Manöver testen, in den Kurven zum Beispiel. Also ist in dieser Woche der Hockenheimring für Max Günther in die Nähe von Venedig verlegt worden. Ein großer Aufwand war das nicht, alles war recht schnell fertig. Günther ist am Montag aus dem Allgäu nach Italien zum Sitz seines Rennstalls Prema Powerteam gefahren, hat ein paar Gespräche geführt und sich dann in den Simulator gesetzt. Immer und immer wieder ist der Formel-3-Fahrer auf der virtuellen 4,574 Kilometer langen Strecke des Hockenheimrings eine Runde nach der anderen durchgegangen. "Im Rennen kommt es zwar meist eh anders, aber das gibt mir ein gutes Gefühl", sagt Günther. "Und das ist eine wichtige Grundlage - auch wenn ich mit Hockenheim ohnehin viele schöne Erinnerungen verbinde."

Auf dem Hockenheimring findet dieses Wochenende der Saisonabschluss der Formel 3 Europameisterschaft statt. Es ist ein Finale mit Spannung, das dennoch entschieden zu sein scheint, bevor es begonnen hat. Günther ist mit 339 Punkten Zweiter hinter dem Briten Lando Norris (Carlin), der auch die Wertung der Rookies anführt. Günthers Rückstand beträgt 72 Punkte, bei den drei verbleibenden Rennen geht es noch um maximal 75 Punkte.

Norris ist eine konstant starke Saison gefahren, dass er ausgerechnet beim letzten, entscheidenden Wochenende fahrerische oder technische Ausfälle in allen drei Rennen hat, ist unwahrscheinlich. Günthers Anspruch ist dennoch gleich geblieben: Sein Ziel war und ist der Titel.

Um das zu erreichen, müsste der 20-Jährige alle Rennen gewinnen und Norris maximal zwei Punkte einfahren. "Ich weiß, dass meine Chancen sehr gering sind", sagt Günther. "Aber ich nehme die Herausforderung an und will das Unmögliche möglich machen."

Ein bisschen erinnert die Formel 3 in ihrer Schlussphase an die momentane Konstellation in der Formel 1. In beiden Rennserien fahren ein Deutscher und ein Brite um den Titel, und Günther erging es teils wie Sebastian Vettel in der Königsklasse. Nach den Rennen in Asien mit einem frühen Unfall in Singapur und technischen Problemen in Malaysia und Japan hat Vettel nur noch sehr theoretische Chancen auf den Weltmeistertitel, den wohl in einem der nächsten Rennen Lewis Hamilton gewinnen wird.

Auch bei Günther gab es rückblickend eine entscheidende Phase, in der er die Meisterschaft verloren hat: Anfang September am Nürburgring, dem Kurs, der ihm eigentlich am besten liegt. Nachdem die Saison mit zwei dritten und drei vierten Plätzen holprig begonnen hatte, holte er durch zwei Siege im französischen Pau auf und führte zwischenzeitig die Gesamtwertung an. "Aber die anderen Teams hatten diese Saison das bessere Gesamtpaket", sagt Günther. "Und am Nürburgring war besonders unser Reifenmanagement schlecht und wir haben Fehler nicht erkannt. Das war alles sehr skurril."

Seit 2017 gehört Günther zum Mercedes-AMG DTM Team

Im Motorsport können Kleinigkeiten einen großen Unterschied ausmachen - das hat Günther in dieser Saison besonders zu spüren bekommen. Trotzdem orientiert er sich weiter an der Spitze, auch wenn er den Blick nach hinten nicht vergessen sollte. Denn am Ende könnten sich auch noch zwei Fahrer an ihm vorbei drängen. Der Schwede Joel Eriksson (Motopark) liegt mit 333 Punkten knapp hinter Günther, Callum Ilott (Prema) hat mit 297 Punkten als Vierter ebenfalls Chancen noch vorbeizuziehen. Die Saison könnte für Günther also entweder mit dem Titel und grandios, mit Platz zwei gut, als Dritter okay oder auf Rang vier eher unbefriedigend enden. "Ich versuche, mich von dem Drumherum frei zu machen und einfach alles zu genießen", sagt der Oberallgäuer. "Ich weiß, dass ich mich auch unter Druck auf mich verlassen kann."

Günther gilt als das nächste deutsche Motorsporttalent, er ist bekannt für seine Reife und Professionalität. Seit 2015 fährt er in der Formel 3, erst für Mücke Motorsport, seit 2016 für Prema, das Seriensieger-Team der vergangenen sechs Jahre.

Von dieser Serie wird er sich in diesem Jahr verabschieden und den Wechsel in eine höhere Klasse versuchen. Seit 2017 gehört der 20-Jährige zum Mercedes-AMG Motorsport DTM Team, einer Rennserie, die er sich gut vorstellen könnte - sein eigentlicher Traum aber ist ein anderer: die Formel 1. Und seinen ersten Titelgewinn in der Formel 3 zu feiern, wäre dabei sicherlich nicht hinderlich gewesen.

Wahrscheinlicher ist aber nun, dass Günther wie 2016, als er Zweiter hinter dem heutigen Formel-1-Fahrer Lance Stroll wurde, einem anderen dazu gratulieren wird. Zufrieden ist Günther dennoch. Er hat sich fahrerisch verbessert, auch wenn es in manchen Rennen an Geschwindigkeit fehlte. Und: Er konnte dem Druck standhalten, der mit den Erwartungen an seine dritte und letzte Formel-3-Saison einhergingen. Diese Gegenwart bestimmt ja maßgeblich auch seine Zukunft im Motorsport, die Günther eben am liebsten in der Formel 1 erleben würde.

Von Beginn an hat er akribisch an sich und seinen Autos gearbeitet, detailverliebt und perfektionistisch. 2016 wurde er für seine Leistungen zum ADAC Junior-Motorsportler des Jahres gewählt, wie damals Nico Rosberg und Sebastian Vettel, die späteren Formel-1-Champions. Die Auszeichnung ist mit Erwartungen verknüpft, die Günther gerne erfüllen würde. Ob er seine Fähigkeiten und Fertigkeiten auch in der Formel 1 zeigen darf, hängt davon ab, ob ihm ein Team diese Chance gibt. Aber daran denkt Max Günther erst wieder ab Montag.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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