Formel 1:Tote Ente

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Warum das Qualifying in der Formel 1 so langweilig geworden ist und warum Michael Schumacher in Monte Carlo keine guten Chancen hat.

Von René Hofmann

Monte Carlo - Seit vergangener Woche ist Luca di Montezemolo nicht nur Fiat- und Ferrari-Präsident, sondern auch Ehrendoktor der Universität Triest. Zum Empfang des Titels überraschte er mit einer gewagten These: In der Formel 1 gehe es in diesem Jahr gar nicht um den besten Rennwagen. "Das ist eine WM der Reifen", zürnte der 57-jährige Markgraf: "Die neuen Regeln sind nicht gut für die Formel 1, sie sind eingeführt worden, um die Ferrari-Dominanz zu beenden."

Er bräuchte schon Flügel, um auf den engen Straßen Monte Carlos nach vorne zu fahren. Vielleicht hilft's. (Foto: Foto: AFP)

Was glückte. Vor dem Großen Preis von Monaco, dem sechsten von 19. WM-Läufen, der am Sonntag ansteht, rangiert die Scuderia Ferrari in der Konstrukteurswertung auf Rang fünf. Auch für die folgenden beiden Rennen sieht es schlecht aus.

Weil Michael Schumacher in Barcelona wegen eines Reifenschadens nicht ins Ziel kam, muss er in Monte Carlo früh in den ersten Qualifikationsdurchgang. Das bedeutet: Die Strecke wird noch schmutzig sein, der Titelverteidiger wird keine Chance auf eine Top-Zeit haben.

Früher hätte sich im zweiten Qualifying die Chance geboten, den Nachteil zumindest teilweise wettzumachen. Weil die Durchgänge einzeln bewertet wurden, hätte er sich beispielsweise von Platz zehn nach der ersten Qualifikation noch auf Startplatz fünf vorkämpfen können. Seit diesem Jahr werden die Zeiten der zwei Qualifikationsrunden addiert. Große Sprünge sind unwahrscheinlich.

Hinzu kommt, dass Schumachers Bridgestone-Reifen länger brauchen, um ihre Betriebstemperatur zu erreichen, als die Michelins, die Renault, McLaren, Williams und Toyota benutzen.

"Unfair"

Wenn es darum geht, eine schnelle Runde zu drehen, hat Michael Schumacher einen Nachteil gegenüber Fernando Alonso, Kimi Räikkönen, Mark Webber oder Jarno Trulli. Gut möglich, dass er deshalb in Monte Carlo am Start hinter ihnen steht, womit er im Rennen kaum eine Siegchance hat und bei der nächsten Wettfahrt auf dem Nürburgring auch nicht.

Überholen ist in den Gassen des Fürstentums unmöglich, und die Reihenfolge im Ziel gibt die Startreihenfolge für die nächste Qualifikation vor. Der Sieger wird doppelt belohnt - kein Wunder, dass die Ferraristi so vehement gegen das neue System sind. Doch nicht nur sie.

McLaren-Chef Ron Dennis nennt es "unfair": "Ein Fahrer, der in einem Rennen ausfällt, wird beim nächsten noch einmal bestraft." Das Gleiche gilt für Ersatzfahrer. Pedro de la Rosa und Alexander Wurz, die den verletzten Juan Pablo Montoya vertraten, hatten wegen ihrem frühen Start in die Qualifikation ebenso wenig eine Siegchance wie Montoya bei seiner Rückkehr.

"Da ist uns ein Fehler unterlaufen"

Wie gut ein Fahrer im zweiten Durchgang unterwegs war, ist kaum abzuschätzen, weil lediglich die addierten Zeiten angezeigt werden. Die Startaufstellung steht erst drei Stunden vor dem Grand Prix fest. Das System ist unübersichtlich und umständlich.

Eine "tote Ente" schimpft Minardi-Chef Paul Stoddart. "Da ist uns ein Fehler unterlaufen", gibt selbst Max Mosley zu, der Präsident des Automobilweltverbandes.

Zustande gekommen ist der durch Bernie Ecclestone. Um den Zuschauern am Sonntagmorgen etwas zu bieten, drängte der Vermarkter auf jene Änderungen, die sich nun als fatal erweisen. Der erste Qualifikationsdurchgang am Samstag hat deutlich an Spannung verloren, und im zweiten am Sonntagmorgen passiert kaum mehr etwas.

Wer schon weiß, dass er einen schlechten Startplatz ergattern wird, fährt aus taktischen Gründen gar nicht - wie Nick Heidfeld und Rubens Barrichello in Spanien. Das britische ITV überträgt den Aufgalopp nicht mehr live. Statt den kleinen Teams anteilig mehr Aufmerksamkeit zu garantieren, hat das Einzelzeitfahren allen netto weniger TV-Präsenz gebracht. Mit den besten Absichten hat sich die Formel 1 so in eine Sackgasse manövriert.

Um die Regeln in der laufenden Saison zu ändern, ist Einstimmigkeit nötig. Die ist nicht in Sicht. Ferrari wünscht sich eine Rückkehr zum ganz alten Modus: alle Autos am Samstag für zwölf Runden gleichzeitig auf der Strecke; für das Rennen darf neu getankt werden.

Ein Vorschlag, den McLaren-Chef Ron Dennis ablehnt: "Das ist ein Vorteil für alle, die einen großen Tank haben." Ferrari bringt in seinem rund 100 Kilogramm Sprit unter, Toyota und Williams in ihrem weniger als 90. Dennis schlägt deshalb vor: nur einen Durchgang am Samstag in der Reihenfolge des vierten Trainings - ohne erneutem Tanken vor dem Rennen.

Von BAR-Chef Nick Fry stammt die Idee eines K.o.-Fahrens: dreimal 15 Minuten, nach jedem Durchgang scheiden die fünf langsamsten Fahrzeuge aus; die zehn besten sollen sich am Ende um die Pole Position streiten. Showdown zum Highnoon - das klingt zumindest gut.

© SZ vom 19.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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