Formel 1 in Ungarn:Inszenierte Empörung

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Würdelose Personalentscheidungen bestimmem derzeit das Geschäft. Höchste Zeit, dass die Formel 1 eine Ethik-Kommission bekommt - bis dahin aber muss Bernie Ecclestone noch selbst das Gewissen der Branche spielen.

Von Elmar Brümmer

"Jenson Button hat eine moralische Pflicht, beim BAR-Team zu bleiben", mahnt der allmächtige Promoter, dessen Seele das Geschäft ist, "aber wenn Manager, Versprechen und das große Geld hinzukommen, dann verflüchtigt sich die Moral schnell." Eine Woche mehr Abstand als sonst zwischen zwei Rennen haben ausgereicht, um die Sommerpause zum Sommertheater zu machen.

Der Wechsel von Jenson Button zu Williams-BMW sorgt für Diskussionen. (Foto: Foto: AP)

Die rechtlich umstrittene Verpflichtung des 24 Jahre alten Button durch BMW-Williams für die Saison 2005 ist zwar die spektakulärste Personalangelegenheit aus der Ruhephase der Formel 1, aber nicht die einzige. Die Szene bei der Ankunft der Karawane auf dem Hungaroring glich daher ein bisschen jener von Internatsschülern bei der Rückkehr aus den Ferien: Mal sehen, wer noch da ist, wer kommt, und wie der eine oder andere drauf ist.

Toyota etwa hat im Zuge einer weiteren Rotation den Teammanager Ange Pasquali und den Technischen Direktor Norbert Kreyer dem Stellenmarkt zurückgegeben. Kurz zuvor war der glücklose Chauffeur Cristiano da Matta abserviert worden, ihn ersetzt beim Großen Preis von Ungarn der Ersatzpilot Ricardo Zonta, für den der Testfahrer Ryan Briscoe nachrückt. Toyota-Neuzugang Ralf Schumacher bleibt krankgeschrieben. Ihn vertritt wieder Antonio Pizzonia.

Freundlichkeit ist nicht gefragt

Mika Häkkinen, der sich allerorten ins Gespräch bringt, glänzt bislang noch durch Abwesenheit. Das Tam-Tam um Button degradiert die schärfste Personalentscheidung zur Meldung: dass Renault mit Jarno Trulli, 30, den einzigen Fahrer ausgetauscht hat, der in dieser Saison außer Michael Schumacher auf dem Siegerpodest ganz oben gestanden ist.

Doch Manager Flavio Briatore gefiel die zu freundliche Art nicht, mit der Trulli seinen Fahrerkollegen Fernando Alonso behandelte. "Wir brauchen Wettbewerb im Team, um die Leistung zu verbessern, um Alonso zu motivieren, der unser Mann der Zukunft ist." Briatore lässt statt Trulli nun Giancarlo Fisichella, 31, von der Kette, den er auch schon mal fallen gelassen und nun vom Sauber-Team zurückgelockt hat.

Im rauen Klima fühlt sich die Formel 1 erst richtig wohl, lässt sich im Zwist doch auch die Empörung wunderbar inszenieren. BAR-Teamchef Dave Richards, Buttons derzeitiger Vorgesetzter, hat jenen jungen Mann, der ihm nach seinem Ritt vom 13. Startplatz auf den zweiten Rang in Hockenheim noch als Heilsbringer der Zukunft erschien, flugs in eine Verräter-Rolle gedrängt ("Der Kerl, der den Champagner trinkt"). Bei dem Zorn darüber, dass sich Britanniens rasender Darling mit einem juristischen Kniff aus der scheinbar fixen Vertragsverlängerung geschlängelt hat, kann es sich kaum bloß um eine kurzfristige Verstimmung handeln.

Schon im Vorjahr hatte sich Richards unversöhnlich mit Jacques Villeneuve überworfen. Button hat mit seinem Meinungswechsel ("Manchmal muss man unbarmherzige Entscheidungen treffen") deutlich sein Misstrauen in die sportlichen, vielleicht auch nur die finanziellen Möglichkeiten bei BAR zum Ausdruck gebracht.

Richards' Reaktion, die bis hin zu einem Sperrantrag reichen könnte, fällt vielleicht auch nur deshalb so heftig aus, weil Buttons Abkehr ihn unvorbereitet und zu einem Zeitpunkt trifft, da der Fahrermarkt längst abgegrast ist. Doch wenn ein Chef seinem Angestellten ein öffentliches Ultimatum stellen muss, nur um überhaupt ein Gespräch über den Sachverhalt zu erzwingen, dann sagt das einiges über die zwischenmenschlichen Beziehungen aus.

Fast schon hat das Gezerre um Button auch etwas Beruhigendes. Es zeigt, dass eine verlängerte Rennpause den Gepflogenheiten der Formel 1 nicht viel anhaben kann. Schließlich hatte die Saison damit begonnen, dass Juan-Pablo Montoya nach der Bekanntgabe seiner Liaison mit McLaren-Mercedes für 2005 am liebsten sofort zum BMW-Rivalen übergelaufen wäre. Empörung hat sich in dieser Szene häufiger schon auf rein geschäftlicher Ebene lindern lassen, ohne den Gerechtigkeitssinn zu tangieren. Den aus moralischen Gründen angeblich so untragbar gewordenen Jenson Button wird BAR-Honda nicht so einfach austauschen, denn im Kampf um den zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM braucht das Team jeden Punkt.

Und BAR braucht daher Button mehr als umgekehrt, denn Fahrer-Kollege Takuma Sato gilt schon länger als Wackelkandidat. Richards beschwört "trotz des Schocks" die Professionalität. Button fügt mit einer Nonchalance an der Grenze zum Zynismus an: "Alle im Team reden noch mit mir, die Atmosphäre ist okay. Ich habe einen Job zu machen, wir können hier um den Sieg kämpfen." Ehen in der Formel 1 brauchen nicht zwingend Zuneigung, nur Zweckgemeinschaften müssen sie sein. Auch eine Art Ethik-Kommission.

© Süddeutsche Zeitung vom 13.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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