Formel 1:Eselchen in Badeschlappen

Lesezeit: 3 min

Erstklassig nur als Zweiter: Rubens Barrichello muss selbst in seiner Heimat Brasilien mit Häme leben.

Von Elmar Brümmer

Für einen, der so sehr an Bestimmung glaubt, war das Freundschaftsspiel der Formel-1-Piloten zum Auftakt des Großen Preises von Brasilien die Probe aufs Exempel. Während für Michael Schumacher das Kicken vor jedem Rennen Pflicht ist, bleibt Rubens Barrichello bei der Bolzerei eine Ausnahmeerscheinung.

Rubens Barichello mit seinem Sohn Eduardo. (Foto: Foto: Reuters)

Bei seinem Heimspiel in Sao Paulo (Start: Sonntag, 19 Uhr) aber war er es, dem ein Treffer aus dem Spiel heraus glückte beim 3:5 gegen den Palmeiras FC. Sein deutscher Kollege benötigte einen Elfmeter, um es in die Torschützenliste zu schaffen. Kehren sich zum Saisonfinale etwa die Gesetzmäßigkeiten bei Ferrari um?

Spitzname "Badeschlappen"

Zwischen Traum und Trauma liegt manchmal nur ein Spitznamen. Hat er Erfolg, ist Rubens Barrichello für die Rennsportnation Brasilien zärtlich ihr "Rubinho". Wenn er nicht erfolgreich ist, nennen sie ihn einfach den "Badeschlappen". Zum ersten Mal findet am Sonntag das Finale der Formel 1 im Autodromo Carlos Pace statt, wo der Ferrari-Pilot im Schatten der Haupttribüne aufgewachsen ist.

Er tritt als WM-Zweiter an. Je nach Sichtweise eine Schlappe oder Zeit für Zärtlichkeit. Im Grand-Prix-Geschäft gilt der Zweite als erster Verlierer. Die ewige Nummer zwei erträgt die Unterstellung, er sei an Michael Schumachers Seite nur ein Trittbrettfahrer des Erfolgs, mit der Geduld eines Laienpredigers.

"In allen Phasen meiner Karriere", referiert der 32-Jährige, "habe ich meine Einstellung verändern und meine Emotionen von dem trennen müssen, was ich tue. Ich erinnere mich nur an die guten Zeiten, nie an schlechte. Ich glaube einfach nicht an Pech."

Gedemütigt in Indianapolis

Dementsprechend sind in diesem Jahr vor allem zwei Siege für ihn zu vermelden: Barrichello jubelte in Monza und in Schanghai. Michael Schumacher war da schon Weltmeister - unter anderem deswegen, weil er seinen Teamkameraden in Indianapolis gedemütigt hatte. Dort übertölpelte er Barrichello am Ende einer Safety-Car-Phase.

Es ist dieser Tick, den der besser ist, der zu Barrichellos Tick wird. "Rubens hat den härtesten Job in der ganzen Formel 1", konstatiert Ferrari-Taktiker Ross Brawn.

Siebenmal stand die Ferrari-Fahrerpaar in diesem Jahr in der Reihenfolge ihrer Startnummern - Nr. 1/Schumacher, Nr. 2/Barrichello - auf dem Siegertreppchen. Barrichello ist der erstklassigste Zweite. Warum soll es Sonntag umkehrt laufen? Die Frage, ob Schumacher seinem Kollegen den Herzenswunsch erfüllt, zum ersten Mal vor heimischen Publikum zu siegen, erübrigt sich eigentlich.

Vorsicht! Das Karriereziel naht

Gestellt wird sie trotzdem. Und Gutmensch Barrichelllo antwortet brav: "Michael wünscht mir aus tiefstem Herzen, dass ich bei diesem Rennen gut abschneide. Aber wenn er entscheiden muss, ob er gewinnen soll oder ich, dann würde er immer für sich entscheiden. Ich will auch keine Geschenke." Der dritte Sieg der Saison würde für ihn aber "wie der Gewinn einer Weltmeisterschaft sein".

Vorsicht! Dann wäre ja das Karriereziel erreicht. "In der Formel 1 geht es nicht um Träume, sondern um die Realität", bemerkt Schumacher zum Thema Schützenhilfe ohne Emotion.

Der Heim-Grand-Prix ist für Barrichello auch ein Angstrennen. Im Vorjahr rollte er, in Führung liegend, mit leerem Tank aus und bestätigte seine Einstufung in die Rubrik Clowns und Helden. Seine Landsleute lassen ihn in einer TV-Muppets-Show als Eselchen auftreten. Wer schon vorher im Jammerton erklärt, warum es später nicht klappt, darf sich über so etwas nicht wundern.

Alle nicken, außer Niki

Ferrari kann sich keinen besseren Beifahrer für Schumacher wünschen, und hat Barrichellos Vertrag folgerichtig wie den von Schumacher bis Ende 2006 verlängert. Allerdings mit Verzögerung und erst als feststand, dass Fernando Alonso und Kimi Räikkönen nicht zu bekommen waren. Barrichello wiederum hätte im vergangenen Winter die Wahl gehabt, zu BMW-Williams zu wechseln.

Auto-suggestiv redet er sich vor jeder Saison ein, dass er Schumacher schlagen und Champion werden kann. Aus Höflichkeit nicken die Zuhörer dann meist aufmunternd. Nur Niki Lauda nicht: "Wenn Rubens mal gewinnen darf, heißt das noch lange nicht, dass er auch gewinnen kann", sagt das Lästermaul.

Ob Barrichello auf einen Treuebonus hoffen darf, falls Schumacher irgendwann aufhört? Wohl kaum. Als Nachwuchsfahrer geht er ja nicht mehr durch. Im Fahrerlager kursiert die ketzerische Rechenaufgabe, wie lange Barrichello nach Schumachers Abschied wohl noch fahren müsse, um Meister zu werden.

Immerhin, wenn David Coulthard keinen neuen Arbeitsplatz findet, ist Barrichello (195Grand-Prix-Teilnahmen) der erfolgreichste Pilot im Feld, der nicht Weltmeister war. Das Stärkste an ihm ist der Glaube an sich. "Das Leben", sagt Rubens Barrichello, "tendiert dahin, dass man bekommt, was man verdient."

Vielleicht eine zweite Chance, oder einen zweiten Platz.

© SZ vom 23.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: