Formel 1:Duell mit 300 Sachen

Lesezeit: 3 min

Michael Schumacher ist zurück: Beim Großen Preis von San Marino fährt er von Startplatz 13 aus auf Rang zwei - hinter Matadore Fernando Alonso.

Von Renée Hofmann

Der Klang der Formel 1 hat sich geändert. Jahrelang gab Michael Schumacher im Ferrari den Ton an. Damit ist es vorbei.

Schumacher und Alonso freuen sich. (Foto: Foto: AP)

Schon vor dem Großen Preis von San Marino schallte es Spanisch. Auf der Tribüne über dem Fahrerlager hatten sich vier Landsleute von Fernando Alonso aufgebaut. Verkleidet als Matadore, eingewickelt in rot-gelb-rote Flaggen, feierten sie den WM-Führenden mit Liedern aus der Heimat.

Mit seinem dritten Sieg hintereinander baute Alonso kurz darauf im vierten von 19 Rennen seinen Vorsprung in der WM-Wertung aus. Er kann erhobenen Hauptes in zwei Wochen zum Grand Prix nach Barcelona reisen, im spannendsten Formel-1-Rennen seit Jahrzehnten hielt er in Imola Weltmeister Michael Schumacher hinter sich.

Der Titelverteidiger hätte gewonnen, wenn ihm am Sonntagmorgen im zweiten Qualifying-Durchgang kein Fahrfehler unterlaufen wäre. Nach dem Ausscheiden in Bahrain hatte er am Samstag im ersten Einzelzeitfahren früh auf die Strecke gemusst.

Er eroberte überraschend Platz drei. Kimi Räikkönen und Alonso, die vor ihm blieben, hatten den Vorteil, dass die Asphaltschleife bei ihren Versuchen sauberer und griffiger war. Vor der zweiten Runde ließ Schumacher seinen Ferrari ordentlich mit Sprit füllen.

Durch den Kies gehoppelt

Sein Plan: Mit viel Ballast an Bord den Startplatz verteidigen, im Rennen später zum Tanken abbiegen als die beiden vor ihm und so gewinnen. Der Plan scheiterte in der Curva Rivazza. Schumacher verbremste sich auf einer Bodenwelle, sein F 2005 hoppelte durch den Kies und wurde um vier Sekunden auf Startposition 13 zurückgeworfen.

Dort begann der Nachmittag für Schumacher im dichten Verkehr. Beim unspektakulären Start fädelte er sich hinter dem Toyota seines Bruders Ralf ein.

Zehn Runden später hatte er bereits zwei Plätze gutgemacht, allerdings nur, weil Giancarlo Fisichella seinen Renault gegen einen Reifenstapel setzte und Kimi Räikkönens McLaren-Mercedes mit einer kaputten Antriebswelle ausrollte.

Überholen ist kniffelig auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari. Die Kurven sind weder besonders langsam noch besonders schnell, die Temperaturen weder auffällig hoch noch auffällig niedrig - Bedingungen, mit denen der Renault zunächst am besten zurechtkam. Alonso trieb sein Auto am schnellsten um den Kurs. Nach wenigen Runden lag er bereits viele Sekunden vor Jenson Button im BAR-Honda. Schumacher blieb auf Position zehn nahe bei seinem Bruder.

Wie ein Getriebener

Wie man in Imola gewinnt, weiß er gut. In den vergangenen sechs Jahren ist ihm das Kunststück fünfmal geglückt. Dieses Mal ging es zunächst wenig spannend zu, in aller Ruhe konnte er Lücken auf den Tribünen betrachten und über die Frage grübeln, welche die Regionalzeitung aufgeworfen hatte: "Wo ist das Rote Volk?"

Nur 25.000 Karten gingen im Vorverkauf weg. Die neuen Regeln und die Ferrari-Schwäche haben offenbar auch in Italien die Formel-1-Begeisterung schwinden lassen. Ab Runde 19 blieb den Tifosi nur noch ein Wagen zum Anfeuern: Rubens Barrichello stellte seinen Ferrari beim ersten Boxenstopp mit einem Defekt ab.

Das Taktikspiel, wer wann tankt, hatte auch dieses Mal wieder einen maßgeblichen Einfluss auf den Zieleinlauf. Als Fernando Alonso und Jenson Button im 24. bzw. 25. Umlauf zum Tanken hielten, begann für Schumacher das Rennen erst richtig. Weil er mehr Benzin trug, hatte er nun freie Fahrt.

Mit zwei Rekordrunden schob er sich sieben Plätze nach vorne. Als er nach seinem Halt zurückkehrte, war er Dritter und ihn trennten 31,6 Sekunden vom Führenden Alonso. Zehn Runden später waren es nur noch halb so viele. Eine solche Aufholjagd hat die Formel 1 schon lange nicht mehr gesehen. Kein Wunder, dass die Zuschauer aufsprangen, wenn Schumacher vorbeischoss. Standing Ovations während eines Rennens - zuletzt dürfte das in Imola Juan Manuel Fangio erlebt haben. Der fuhr von 1950 bis 1958.

Nach 47 Runden brandete in der Varianta Alta Beifall auf. Zu sagen, Michael Schumacher sei an Jenson Button vorbeigezogen, wäre nicht ganz korrekt. Er ließ den Briten einfach links liegen, als würde der sich überhaupt nicht bewegen. Es war eine Demonstration der Stärke und Entschlossenheit.

Wie ein Getriebener jagte Schumacher zur nächsten Bestzeit und hinter Alonso her. Zwölf Runden vor der Zielflagge absolvierte er seinen zweiten und letzten Boxenstopp. Als er zurück auf die Zielgerade fuhr, war Alonso gerade erst durch. Der Showdown war da. Auf den Tribünen hielt es niemanden mehr auf dem Sitz. Alonso saß in der Klemme.

Vor sich sah er wild gereckte Fäuste, im Rückspiegel Michael Schumacher. Der versuchte, ihn in einen Fehler zu hetzen. Mal zuckte er links, mal rechts aus dem Windschatten. Es war ein Zweikampf, wie es ihn selten gibt, ein Duell mit mehr als 300 km/h.

Alonso wehrte sich mannhaft. Er bremste extra früh und taktierte klug. So hielt er Schumacher im schnelleren Ferrari hinter sich. "Schade, dass ich heute morgen den Fehler gemacht habe", grollte der. Und Alonso freute sich über den "besten Kampf, den ich je erlebt habe".

© SZ vom 25.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: