Football:Die Saints wirken Wunder

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New Orleans' Footballer kehren in ihr Stadion zurück - während der Hurrikan-Katastrophe waren viele Tausende Bürger vor der Flucht in den Superdome geflüchtet.

Tobias Pox

Der Sport in den USA ist gnadenlos überhöht, jede halbwegs relevante Partie wird zum "Spiel der Spiele" oder gar zum "Jahrhundertspiel" ernannt.

Am dritten Spieltag der Football-Profiliga NFL kommt es nun wieder zu einer Begegnung, die für Schlagzeilen sorgt, in diesem Fall allerdings mit legitimem Grund: Wenn die New Orleans Saints am Montag die Atlanta Falcons empfangen, geht es um weit mehr als nur Sport.

Für die Saints ist es das erste Heimspiel, das sie seit dem Hurrikan Katrina in ihrer Stadt austragen. Dass das Comeback in ihrer alten Arena stattfindet, rundet das Spektakel ab, schließlich diente der Superdome vor einem Jahr noch als Notunterkunft für rund 30.000 Menschen, die vor der Flut flohen. In der Arena spielten sich damals tragische Szenen ab, mehrere Evakuierte kamen ums Leben.

Nun soll so etwas wie Normalität zurückkehren. Der ramponierte Superdome wurde für 185 Millionen Dollar renoviert und ist wieder einsatzbereit. "Was ich hier sehe, ist schlichtweg ein Wunder", sagte Kathleen Blanco, die Gouverneurin des Bundesstaats Louisiana, als sie den Ort besichtigte: "Es ist ein Symbol für die Wiedergeburt der Stadt und der Region."

585 Akkreditierungen

An dem Neuanfang wird vermutlich die ganze Nation teilhaben. Die Begegnung wird im Rahmen des traditionsreichen Monday Night Football live im nationalen Fernsehen übertragen und dürfte ein Quotenrenner werden. Laut der Lokalzeitung Times-Picuyane hat der Sportkanal ESPN, der die Übertragungsrechte für die Montagsspiele der NFL besitzt, 585 Akkreditierungen beantragt und wird inklusive Vor- und Nachberichterstattung 15 Stunden live senden.

Der Presseandrang ist so groß, dass mehr als hundert Journalisten nur von der benachbarten New Orleans Arena aus über das Spiel berichten können. Die Ausquartierten dürften sich auch ärgern, weil sie ein kostenloses Konzert verpassen: Vor dem Anpfiff tritt die renommierte Rockband U2 im Verbund mit den salonfähigen Punkrockern von Green Day auf. Einen Rummel wie an diesem Montag gibt es sonst allenfalls bei der Super Bowl, dem NFL-Finale.

Wie emotional befrachtet die Heimkehr des Football-Teams nach New Orleans ist, verdeutlichen die in der Times-Picuyane veröffentlichten Leserbriefe. "Die Saints und der Superdome bedeuten mir praktisch alles", schreibt ein Leser, "jetzt ist mein Leben wieder vollkommen. Die Saints sind eine Notwendigkeit für diese Stadt, um wieder auf die Beine zu kommen." Es lässt sich streiten, ob es beim Wiederaufbau nicht dringendere Themen gibt als Football, doch die Worte scheinen repräsentativ zu sein für einen Großteil der Einwohner: Trotz aller durch den Hurrikan entstandenen wirtschaftlichen Probleme sind erstmals in der Geschichte der Saints alle Heimspiele ausverkauft.

"Jesus in Stollenschuhen"

Zu dem Pathos, der die Partie umweht, gesellt sich sportliche Brisanz. Zum einen sind beide Teams noch unbesiegt, was insbesondere im Fall New Orleans überrascht. Das Team, das seine Heimspiele im vorigen Jahr in San Antonio und Baton Rouge austrug, gewann damals nur drei von sechzehn Partien und wurde vor dieser Saison ähnlich schwach eingeschätzt. Zudem treffen Michael Vick und Reggie Bush aufeinander. Atlantas Quarterback Vick ist das, was New Orleans' Neuling Bush erst werden möchte - der in den Augen vieler aufregendste Spieler der Liga.

Eines Titels kann sich Bush schon jetzt sicher sein: Er ist der am meisten gefeierte NFL-Neuling seit langem. Nachdem der 21-Jährige im Frühjahr nach einer beeindruckenden Collegekarriere zu den Profis wechselte, unterschrieb er Werbeverträge, die ihn auf Anhieb zum Multimillionär machten. Dank des Sportartikelherstellers Adidas besitzt er dem Vernehmen nach den lukrativsten Schuhkontrakt aller Spieler. Dass Bush, der nominell als Ballträger fungiert, aber auch ein sehr guter Passempfänger ist, nun das leidgeplagte New Orleans seine neue Heimat nennt, steigert seinen Popularität. Die Saints-Anhänger nennen ihn "den Erlöser", sogar vom "Jesus in Stollenschuhen" war schon die Rede.

Bush nutzt seinen Status. Er leistet mit großzügigen Gaben lokale Aufbauarbeit und hat auch seine Werbepartner verpflichtet, die Stadt mit Spenden zu unterstützen.

© SZ vom 23.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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