Flügelflitzer:... und zum Dritten

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Ein Platz auf dem Mannschaftsfoto, ein Trainerstuhl oder der Ball aus dem WM-Finale: Mit Versteigerungen helfen Fußballer und Vereine karitativen Einrichtungen - und manchmal auch sich selbst.

Peter Stein

Die Sonne hat das Rot der Sitzschale 23 in Reihe 18 Block C schon ziemlich ausgebleicht, das Plastik ist schon leicht porös. Auf den ersten Blick unterscheidet sich dieser Platz nicht von den anderen im Cottbuser Stadion der Freundschaft. Doch Platz 23 hat eine Geschichte. Von diesem Platz aus verfolgte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem halben Jahr das Heimspiel von Energie Cottbus gegen Borussia Dortmund. Merkel ist Ehrenmitglied bei Energie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält ein Trikot von Energie Cottbus in den Händen; sie ist Ehrenmitglied beim Bundesligisten. (Foto: Foto: ddp)

Lange wird es diesen Sitz nicht mehr geben, er kommt nämlich unter den Hammer. Seit Freitag kann man im Internet um den Kanzlerinnensitz bieten. Das Geld kommt einem guten Zweck zugute. Was innovativ scheint, hat im Fußball längst Tradition.

Spickzettel, Spielball und viel positive PR

So verhalf der Spickzettel, den Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien unter seinem Schienbeinschützer verstaute, nicht nur der deutschen Mannschaft zum Sieg, sondern unterstützte auch notleidende Kinder. Das Bleistiftgekritzel über die Vorlieben der südamerikanischen Elfer-Schützen wurde in der ZDF-Fernsehauktion "Ein Herz für Kinder" für eine Million Euro an den Mann gebracht. Ein Energiekonzern sicherte sich den Zettel, der heute auf einem kleinen Stück Kunstrasen im Bonner Haus der Geschichte seinen Platz gefunden hat.

Noch mehr Geld brachte der Spielball aus dem WM-Finale ein. Mohamed bin Hamad al-Thani, Scheich aus Katar, Fußball- und Italien-Narr blätterte dafür 2,4 Millionen Euro hin. In Wolfsburg hat man das Versteigern von Vereinsutensilien zu einer regelmäßigen Veranstaltung gemacht. Neben Trikots und signierten Motorhauben wurden auch schon die Trainer-Stühle von Jürgen Röber und seinem Assistenten Bernd Storck verkauft. Das brachte immerhin mehr als 1000 Euro für eine Stiftung, die Menschen mit der Nervenkrankheit ASL unterstützt. Wenige Wochen nach seinem Stuhl musste übrigens auch Röber Wolfsburg verlassen.

Aber es geht längst nicht mehr nur um die gute Sache. Die Versteigerungen sollen neben positiver PR auch die leeren Vereinskassen aufbessern. Besonders gerne bedient sich der chronisch klamme FC St. Pauli dieses Instruments zur Geldbeschaffung. Vor sechs Jahren kam ein Platz auf dem offiziellen Mannschaftsfoto unter den Hammer. Das brachte 2500 Euro. Vor dem Pokal-Halbfinale gegen Bayern München ging die ehrenvolle Aufgabe an den Meistbietenden, im Pokal-Halbfinale gegen Bayern München die hölzerne Anzeigetafel im Stadion am Millerntor zu bedienen. Das Geschäft lief gut, und so versteigerte der Kiezklub munter weiter, zum Beispiel das Handy von Präsident Corny Littmann. Inzwischen baut der Verein sogar das marode Stadion aus.

Das schlechte Karma der Kanzlerin

Davon kann der KFC Uerdingen nur träumen. Längst vergangen sind die glorreichen Zeiten, als man noch unter dem Namen Bayer Uerdingen zuweilen Bundesliga und Europapokal aufmischte. Inzwischen befindet sich der Verein in permanenter Geldnot, und Not macht ja erfinderisch. "Von Fans umlagert und Autogramme schreiben - Stellen Sie sich das auch schön vor?" versuchte der KFC vor drei Jahren sein Angebot schmackhaft zu machen. Zu ersteigern gab es einen Kaderplatz für eine ganze Saison - Spieleinsätze möglich, 200 eigene Autogrammkarten garantiert. Den Zuschlag erhielt ein Versicherungskaufmann für schlappe 2688,05 Euro.

Als dem Verein im Januar zum dritten Mal die Insolvenz drohte, startete der Uerdinger Vorstand erneut eine außergewöhnliche Rettungsaktion. Diesmal konnte man den Posten von Trainer Alexander Ristic übernehmen - allerdings nur für ein Freundschaftsspiel. Die mehr als 4000 Euro halfen den finanziellen Abstieg zu verhindern, allerdings nicht den sportlichen. Uerdingen kickt in der nächsten Saison in der Verbandsliga Niederrhein.

In Cottbus verfolgt man mit der Versteigerung der Kanzler-Sitzschale aber noch ein ganz anderes Ziel: Man hofft mit dem Sitz auch gleich das schlechte Karma der Kanzlerin loszuwerden. Merkels Besuch hatte den Lausitzern kein Glück gebracht: Cottbus verlor 0:2.

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