Finale:Von "Wundern" und "Kaiser-Krönungen"

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Deutschland stand bisher sechs Mal in einem WM-Endspiel. Genug Stoff für Geschichten, die im Lichte von Sieg und Niederlage schillern.

Fritz Walter auf Schultern, ein Ball in der Nähe der Torlinie, Franz Beckenbauer mit dem Weltpokal, Paul Breitners WM-Rekord, Toni Schumachers verunglückte Flugeinlage und nochmal der "Kaiser" allein im Mondschein - Bilder, teils noch nicht in Farbe, aber unvergessen. Bilder, die wie Symbole Triumphe wie Tragik in Deutschlands sechs bisherigen Endspielen bei einer Fußball-WM für ewig dokumentieren.

Der vor kurzem verstorbene Weltmeister Fritz Walter (Foto: N/A)

Der Mythos vom "WM-Gigant Deutschland" - Fritz Walter und seine Kameraden begründeten ihn 1954 durch das "Wunder von Bern". Erstmals nach dem Krieg wieder in der Fußball-Familie aufgenommen, düpierte die Mannschaft von "Chef" Sepp Herberger im Wankdorfstadion die hoch gelobte ungarische "Wunderelf" mit 3:2.

Schneller 0:2-Rückstand

Der Sieg war umso verwunderlicher, als dass die deutsche Elf in Vorrunde noch mit 3:8 gegen die als schier unschlagbar geltenden Magyaren eingegangen war. Max Morlock und der zweimal erfolgreiche "Boss" Helmut Rahn sorgten nach dem schnellen 0:2-Rückstand bei prasselndem Regen für die Wende und für den größten Triumph einer deutschen Mannschaft überhaupt. Als "Väter des Erfolges" galten indes Herberger und der kürzlich verstorbene Kapitän Fritz Walter.

Die bestimmene Figur bei Deutschlands zweitem WM-Gewinn 1974 im eigenen Land war Franz Beckenbauer. Der 2:1-Sieg im Finale gegen die Niederlande, das spielerisch wohl beste Team im Turnier, war auch der Erfolg des "Kaisers" gegen "König Johan" Cruyff.

Doch stand der Erfolg lange auf Messers Schneide. Schon nach zwei Minuten nutzte Johan Neeskens nutzte einen von Uli Hoeneß an Cruyff verursachten Foulelfmeter zum 1:0 der Gäste. "Oranje boven?" Mitnichten: 23 Minuten später kam Bernd Hölzenbein im Strafraum der Niederländer zu Fall, Schiedsrichter Keith Taylor (England) entschied zur Verwunderung nicht weniger Beobachter auf Foul, und Paul Breitner ließ sich die Chance nicht entgehen: 1:1.

"Bomber" Gerd Müller traf zum 2:1

Noch vor der Pause erzielte "Bomber" Gerd Müller auf Vorarbeit von Rainer Bonhof in seiner unnachahmlichen Manier mit dem 100. WM-Tor für Deutschland das entscheidende 2:1. Doch musste Helmut Schöns Mannschaft danach noch zahlreiche Angriffe von Cruyff und Co. überstehen, ehe Beckenbauer den erstmals vergebenen Goldpokal in die Höhe strecken konnte.

Der "Kaiser" erfuhr 16 Jahre später in Italien auch als DFB-Teamchef seine Krönung. Im Finale verwandelte Andreas Brehme gegen Titelverteidiger Argentinien fünf Minuten vor dem Abpfiff nach einem Foul am heutigen DFB-Teamchef Rudi Völler den fälligen Strafstoß zum verdienten Sieg.

Während die deutsche Elf um Kapitän Lothar Matthäus feierte und Argentiniens Idol Diego Maradona bittere Tränen weinte, wandelte Beckenbauer im Mondlicht mutterseelenallein über den Rasen des Olympiastadions, den Blick immer wieder nach oben gerichtet und den Kopf schüttelnd: Rom, wo Deutschland zum dritten Mal in Folge im Finale stand, markierte den triumphalen Endpunkt seiner zweiten Karriere.

1:3 gegen Italien 1982 in Madrid

Rom bedeutete für Deutschland außerdem eine erfolgreiche Revanche für die 2:3-Endspielniederlage 1986 in Mexiko ebenfalls gegen Argentinien. Zunächst konnte die im WM-Verlauf nur konditionell überzeugende DFB-Elf den 0:2-Rückstand unter anderem nach einem schweren Fehler von Torwart Toni Schumacher vor dem 0:1 noch ausgleichen. Karl-Heinz Rummenigge (73.) und Völler acht Minuten vor Schluss ließen neue Hoffnung aufkommen. Doch der in Mexiko überragende Maradona gab nur weitere drei Minuten darauf Jorge Burruchaga den entscheidenden Pass zum Siegtor.

Genauso verdient war das 1:3 vier Jahre zuvor im Finale von Madrid gegen Italien. Für das Team des damaligen Bundestrainers Jupp Derwall traf nur per Foulelfmeter Breitner, der damit als einziger deutscher Spieler in zwei WM-Finals jeweils ein Tor schoss.

Wembley steht für Dramatik und Tragik

Welch ein Unterschied zum historischen Finale 1966 in London. Ein Wort steht für alle Dramatik und Tragik des 2:4 nach Verlängerung gegen das Fußball-Mutterland England: Wembley. Das gleichnamige Tor ist Fußball-Geschichte - und ob der Schuss des insgesamt dreifachen Finaltorschützen Geoff Hurst in der 101. Minute wirklich ein Treffer war, ist noch heute strittig.

Hursts Schuss, vom deutschen Torwart Hans Tilkowski mit den Fingerspitzen noch berührt, war von der Torlatte nach unten auf den Boden gesprungen und von Wolfgang Weber dann über den Querbalken geköpft worden. Schiedsrichter Gottfried Dienst (Schweiz) stand knapp daneben, war aber unschlüssig: Hatte der Ball die Torlinie in vollem Umfang überschritten? Der Referee lief 40 Meter zum russischen Linienrichter. Tofik Bachramow nickte nur und zeigte mit der Fahne zur Mittellinie: Tor für England. Das 4:2 in den Schlusssekunden war nur noch Formsache.

Queen Elizabeth II überreichte den umjubelten Engländern im "Mekka des Fußballs" den ersehnten Pokal. Die deutsche Mannschaft, für die Helmut Haller und Weber getroffen hatten, wurden vom fairen allerdings ebenfalls gefeiert. Das Foto des niedergeschlagenen Uwe Seeler, der mit gesenktem Haupt den "heiligen Rasen" in Begleitung eines "Bobby" verließ, wurde allerdings nicht nach der Verlängerung, sondern schon in der Halbzeitpause aufgenommen. Denn im Hintergrund ist eine Musikkapelle zu sehen, die nur zu diesem Zeitpunkt aufspielte.

(sueddeutsche.de/sid)

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