Finale:Tage der Rivalen

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Die Brasilianer sind müde und wollen in den verdienten Urlaub. Doch vorher gibt es noch das brisante Kräftemessen mit dem Dauerrivalen aus Argentinien - und ein Treffen in Freundschaft gibt es zwischen beiden Teams nicht.

Von Christoph Biermann

Und wenn der Trainer sie nicht gerufen hätte, würden sie da wohl immer noch stehen und sich den Ball über die Mittellinie hinweg halbhoch zuspielen. Plop plop, plop plop! Wahrscheinlich würden Renato und Cicinho ihn auch nach Stunden nicht auf den Boden fallen lassen und es sich zu einem unendlichen Vergnügen auswachsen, den beiden zuzusehen. Oder der kleinen Gruppe von Freistoßschützen. Ronaldinho misst dabei seine Schritte wieder einmal wie ein Kicker im American Football ab, während Lucio den Ball einfach nur in Höllengeschwindigkeit aufs Tor drischt.

Dann sind noch die Freistöße von Juninho Pernambuco zu bestaunen, dessen Drama es ist, dass er zur gleichen Zeit lebt wie Ronaldinho und auf dessen Position spielen möchte. So werden in der Seleçao wohl nur selten die Freistöße des Profis von Olympique Lyon zu sehen sein, dessen Variantenreichtum unglaublich ist: unterschnitten oder knochenhart, über die Mauer gelöffelt oder geschnibbelt; unten ins kurze Ecke tropfen lassen oder den Ball oben ins lange Eck hauen - Juninho kann alles.

Ernsthafte Veranstaltung

Doch selbst diese ungeheuerlichen Kunstschüsse täuschen nicht darüber hinweg, dass das Training der Brasilianer gut auch auf der Wiese im Brentanobad nebenan hätte stattfinden können. "So sind wir halt", sagt Ronaldinho, als er nach lockeren Übungen Auskunft gibt, "wir haben immer ein Lächeln auf den Lippen, denn wir tun, was wir lieben: Fußball spielen."

Am Spielfeldrand steht der ehemalige schottische Nationaltrainer Andy Roybourgh, der als Mitglied der technischen Kommission der Fifa das Training sogar hat filmen lassen und widerspricht dem aktuellen "Weltfußballer des Jahres" indirekt. "Die Leuten denken bei Brasilien immer nur an individuelle Technik, Kreativität und großartig flüssigen Fußball", sagte er, "aber hier haben sie auch eine große mentale Stärke gezeigt, und dass sie sich wehren können, wenn es im Spiel eng wird."

Eigentlich gilt das nach einer langen Saison für alle Teilnehmer des Confed-Cups, die das Turnier zu einer ernsthafteren Veranstaltung gemacht haben als zu erwarten war. Aber für die Brasilianer gilt das besonders, denn ihr Selbstverständnis ist anders.

"Wir haben großen Wert auf die mentale Arbeit gelegt", sagt Carlos Albert Parreira. Dass seine Spieler den Ball beherrschen und längst auch taktisch Ordnung herrscht, wusste er. Aber im Halbfinale gegen Deutschland haben sie ihre Müdigkeit überwunden. Gegen den Gastgeber waren sie "mutig und voller Tapferkeit", sagt der Trainer stolz.

Gegen Argentinien werden seine Spieler das wieder sein. Es sein müssen. Denn so müde sie auch sind, so lasch sie trainieren und so sehnsüchtig sie den Urlaub erwarten, der Gegner in den hellblau-weiß gestreiften Trikots wird für anderthalb Stunden oder mehr noch einmal genug Adrenalin durch ihre Venen pumpen lassen.

Denn selbst wenn die Kriegstrommeln aus der Heimat im Sportplatz am Brentanobad nur leise im Hintergrund mitschwingen, zu überhören sind sie nicht. Das Finale des Konföderationen-Pokals ist dabei nur ein Teil des argentinisch-brasilianischen Kräftemessens, das dieser Tage auf dem Fußballprogramm steht. Bei der U20-WM in Holland treffen die Junioren beider Länder aufeinander, während im Halbfinale der Copa Libertadores die Vereinsteams des FC Sao Paulo und von River Plate Buenos Aires um den Einzug ins Finale der südamerikanischen Champions League spielen.

Kein Freundschaftsspiel

Unter dem Slogan "Woche der Rivalität" vermarktet des Sender Sport TV die Übertragung dieser Partien, und ehemalige Profis gießen eifrig Öl ins Feuer. "Jedes Spiel gegen Argentinien ist Krieg", sagte etwa der ehemalige Nationalspieler Batista, der bei den Weltmeisterschaften 1978 und 1982 dabei war.

Selbst der sonst nüchterne Parreira muss zugeben: "Gegen Argentinien gibt es keine Freundschaftsspiele." Zumal die beiden Supermächte des südamerikanischen Fußballs derzeit wieder einmal ihren Kontinent dominieren, und die letzte Begegnung erst vier Wochen her ist. In der WM-Qualifikation gab es eine weltweit bestaunte 1:3-Niederlage der Brasilianer in Argentinien, doch die Partie heute in Frankfurt wird keine Kopie dieses Spiels werden können.

In Buenos Aires wurde Brasilien durch die fast schon sagenhafte Laufbereitschaft der Argentinier niedergerannt, dazu dürften nun die Kräfte fehlen. Außerdem fehlen auf beiden Seiten je drei Stammkräfte. Die Besetzung des Finales mit diesen Teams ist trotzdem ein Glücksfall. Denn beide Mannschaften werden zum Abschluss des früher so umstrittenen Wettbewerbs zeigen, dass sie diesen Pokal der Konföderationen unbedingt mit nach Hause nehmen wollen.

© SZ vom 29.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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