Felix Magath:Diplomat am Rande des Desasters

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Die Nationalelf ist darauf angewiesen, dass Bayern-Trainer Magath in ihrem Sinne Kompromisse schließt.

Von Philipp Selldorf

Zwischen Tür und Angel musste Felix Magath dann noch die schwierige Frage beantworten, wer denn in der kommenden Saison für den Titelgewinn in Frage käme, und der Trainer zählte sie beinahe alle auf: Bremen, Stuttgart, Leverkusen, Schalke, Dortmund. Keinen vergessen, Herr Magath? "Äh, ach ja, Bayern." Und wer dann Meister wird? Magath blickte, als wollte er bedeuten, dass man ebenso hätte fragen können, ob der Mensch zum Leben Sauerstoff benötige. "Bayern", sagte er und entschwand zum Mittagessen, seinem ersten im gestern eröffneten Trainingslager in Bonn.

Wenn sich bloß alle Fragen so einfach beantworten und lösen ließen, doch in seiner Eigenschaft als Trainer des FC Bayern ist Felix Magath komplexeren Themen ausgesetzt als nur dem Auftrag, Punkte für die 19. Meisterschaft zu sammeln. Eines hat er selbst dieser Tage aufgeworfen, es schreibt den alten Konflikt über die Ansprüche an die Profifußballer und deren Pflichten als Nationalspieler fort. "Auf ein Desaster" steuere man zu, wenn man nichts gegen die Überlastung der Spieler unternehme, pflegt Magath in einer Häufigkeit zu warnen, dass man gewisse Absichten dahinter vermuten möchte.

Weil er damit nicht Unantastbarkeiten wie Bundesliga oder Europacup meint, darf sich der DFB wegen seines durchaus strapaziösen Länderspielterminplans vor der WM 2006 angesprochen fühlen, und die Frage ist nun, wie Magath dieses Abgrenzen von Notwendigem und Überzähligem mit den Bedürfnissen des neuen DFB-Teamchefs Jürgen Klinsmann in Einklang bringen möchte. Zwar hat Magath das Engagement von Klinsmann ausdrücklich als überraschende und gute Lösung gelobt, aber es ist bereits abzusehen, dass viel Diplomatie vonnöten ist, um die Interessen der beiden Männer harmonisch zu vereinen.

Hauptlieferant Magath

Vom Plan des DFB, nach Beendigung der Hinrunde Mitte Dezember auf eine Tournee durch Ostasien mit Spielen in Japan, Korea und Thailand zu gehen, hält Magath nichts, mehr noch: überhaupt nichts. Das erklärt er ohne Einschränkungen ("Ich halte diesen Termin nicht für notwendig"), behauptet aber trotzdem: "Ich rede nicht so, wie das teilweise rüberkommt, gegen den DFB." Und er glaubt auch, "dass die Interessen von Jürgen Klinsmann und mir völlig identisch sind. Wir wollen beide gesunde und fitte Spieler haben." Wann aber das Maß voll und Regeneration angebracht ist, das will Magath lieber selbst bestimmen.

Das ist sein gutes Recht - aber für jeden Nationaltrainer ein heikles Privileg. Was passiert, wenn er Michael Ballack und Sebastian Deisler die Asientour ausreden will? "Denn es sind ja gerade diese Nationalspieler, die besonders beansprucht werden, die auch beim Gegner immer im Mittelpunkt stehen und einen Sonderbewacher erhalten", sagt er.

Rudi Völler behandelte die Bundesligatrainer stets mit einem Entgegenkommen, wie es guten Freunden zuteil wird, doch ließ selbst er keinen Zweifel daran, dass er sich zum Zweck einer guten Vorbereitung auf die WM 2006, zu der außer dem Konföderationencup auch eine Südamerikareise gehören soll, auf Auseinandersetzungen einlassen werde. Mit diesem Erbe muss nun Klinsmann leben, und er wird sich darüber mit Magath verständigen müssen, der sein Hauptlieferant ist.

Über Magath sagt der Münchner Spieler Hasan Salihamidzic, der den Trainer bereits in Hamburg kennen gelernt hatte: "Freundlich war er immer. Sehr zuvorkommend. Hat auch meine Freundin immer schön begrüßt." Aber mit dem gleichen Ausdruck von unverbindlicher Freundlichkeit schickt er die Spieler auf stundenlange Wald- und Bergläufe, lässt sie nach dem Trainingsspiel Hanteln stemmen und bei der Gymnastik schwitzen.

Ebenso ruhig und bestimmt vertritt er seine Absichten, es geht nicht um Ideologie oder Profilierung, und er will auch niemanden ärgern. Was sich trotzdem nicht vermeiden lässt. "Was hab' ich gesagt? Nicht, dass ich mit dem DFB verquer liege, sondern mit den Verbänden", erklärt Magath, "es geht um die Spieler, die nicht mehr die Leistung bringen können, die alle von ihnen erwarten."

Mit der unbestimmten Klage gegen die "Verbände", gemeint sind Fifa und Uefa, verliert sich die Debatte allerdings im Diffusen. Ähnlich ergeht es Magaths Vorstoß gegen das Diktat des Kommerz' im Fußball, das die Profis zu PR-Terminen und Tingeltouren zwinge und ihnen die Zeit fürs Training raube. Doch wo in Deutschlands Fußball ist der Kommerz mehr zuhause als beim FC Bayern, der gerade erst von einem Honorarvortrag aus Chicago zurückgekehrt ist (Erlös des Gastspiels gegen Manchester United: 750000 Euro) und nun am Sitz des Hauptsponsors sein Übungscamp errichtet hat - natürlich mit Promotion?

Auch die Betroffenen kennen die Zwänge zwischen Geschäft und moralischer Verpflichtung, was Länderspiele nämlich auch sind. Salihamidzic, bosnischer Nationalspieler, meint, er hätte "lieber weniger Länderspiele, aber ich weiß nicht, wie man das machen soll. Da hat der Trainer sicherlich recht, aber so ist das eben." Sein Mitspieler Roy Makaay sagt: "Wir sind mit Holland für die WM-Qualifikation in einer Siebenergruppe. Da hat der Kollege am Wochenende frei, und du musst schon wieder los. Aber auch Testspiele für die Nationalelf sind wichtig." Darüber wird noch zu reden sein zwischen Felix Magath und Jürgen Klinsmann.

© Süddeutsche Zeitung vom 28.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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