Fehlstart zweier Nachbarn:Notstand am Rhein

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Leverkusen startet noch schlechter in diese Saison als in der verkorksten vergangenen Spielzeit. Beim Rivalen aus Köln sonnt sich trotzdem niemand in Schadenfreude, weil der FC noch ohne Punkt da steht und das Tabellenende ziert.

Von Philipp Selldorf

Freunde des 1. FC Köln haben ihren Spaß daran, wenn es Bayer 04 Leverkusen nicht gut geht. Und den "Pillen", wie die Kölner Fans die Nachbarn schonungslos rufen, geht es derzeit sogar gar nicht gut. Das 1:3 beim FSV Mainz 05 gehört zu der Sorte von Niederlagen, die vom Publikum nicht verziehen werden. Bisher war die Dürftigkeit der Leverkusener Saisonbilanz durch die Umstände zu erklären: Beim FC Bayern zu verlieren ist ja gar nicht so ungewöhnlich, und vom Heimspiel gegen Hoffenheim wären die Bayer-Anhänger beinahe begeistert nach Hause gegangen - wenn das Ergebnis dem Spielverlauf nicht Hohn gesprochen hätte.

Die Länderspielpause nutzten die Leverkusener Chefs, um die Lücke zu schließen, die sie sträflicher weise während des Sommers unbesetzt gelassen hatten. Es fehlt dieser Mannschaft nicht an Tempo, nicht an Technik und nicht an Kampfkraft, und schon gar nicht fehlt es ihr in Anbetracht all der jungen Hochbegabten an Perspektive. Woran es ihr aber bisher mangelte, das war der Mann, der im Strafraum aktiv ist und verlässlich Tore schießt, und genau den haben sich die Leverkusener nun in Argentinien beschafft. Blöd nur, dass Lucas Alario noch nicht mitspielen darf, weil Bayer 04 sich den Zorn seiner argentinischen Geschäftspartner zugezogen hat. Diese blockieren den Wechsel auf kuriose Weise, indem sie sich weigern, das Geld anzunehmen, das ihnen Leverkusen aufzudrängen versucht. Sie lassen den deutschen Klub dadurch ziemlich belämmert aussehen.

Ohne den neuen Mann hatte Bayer in Mainz die alten Probleme. Dies allerdings nicht mehr nur im Strafraum, wo Kevin Volland weiterhin kein geeigneter Torjäger-Ersatz ist, sondern auch wieder in anderen Zonen des Spielfeldes, und mancher Betrachter fühlte sich gleich wieder an die gründlich missratene Vorsaison erinnert. Sportchef Rudi Völler ging es offenbar genauso. Dass Völler den neuen Trainer Heiko Herrlich ungefragt mit Komplimenten versorgte und somit vorbeugend in Schutz nahm, lässt darauf schließen, dass der erfahrene Manager unruhige Zeiten ahnt.

Bayer erneut auf Talfahrt, das war in den gängigen Saison-Prognosen nicht vorgesehen. Gern würde man sich darüber in Köln belustigen. Aber dort hat man nach dem alarmierenden 0:3 in Augsburg und dem Sturz auf den letzten Platz größere Probleme, als dass man sich an Schadenfreude delektieren könnte. Links und rechts vom Rhein herrscht Notstand.

© SZ vom 10.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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