Fechten:Alarm auf der Planche

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Bei der WM in Moskau zeigt sich, dass die deutschen Fechter den Anschluss an die Weltspitze verlieren. In vielen Disziplinen ist die Olympia-Teilnahme in Gefahr. Doch eines muss man den Fechtern lassen: Sie lamentieren nicht - sie analysieren.

Von Volker Kreisl, Moskau/München

Am Ende gab es nicht mal mehr eine mittelmäßige Platzierung in den hinteren Reihen. An ihrem Schlusstag bot diese Weltmeisterschaft in Moskau für die Fechter des deutschen Verbandes nichts mehr, denn sie waren überhaupt nicht mehr dabei. Die Florettteams, unter anderem mit der besten Deutschen Carolin Golubytskyi und dem viermaligen Weltmeister Peter Joppich, waren am Samstag in den Qualifikationen gescheitert. Der Sonntag gehörte den anderen.

Diese Versetzung der Deutschen in die Zuschauerrolle war ein letzter Tiefpunkt einer an Rückschlägen reichen Veranstaltung. Zu Buche steht das schlechteste WM-Ergebnis seit 1982. Hinzu kommt das drohende Olympia-Aus selbst für Hauptdarsteller wie Britta Heidemann und Peter Joppich. Im Medaillenspiegel blieb Rang zwölf, die beiden Bronze-Medaillen erkämpften Säbelfechter Max Hartung und das Säbelteam. Sportdirektor Sven Ressel vom Deutschen Fechter-Bund (DFeB) zog gegenüber dem Sport-Informations-Dienst ein bitteres Fazit: "Wir haben außer im Herrensäbel den Anschluss an die Weltspitze verloren. Gerade die Top-Nationen haben einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Da können wir nicht mithalten."

Eine solche Botschaft von der Planche in Moskau dürfte ein Jahr vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro Medaillenalarm beim Deutschen Olympischen Sportbund auslösen. Hatte doch DOSB-Präsident Alfons Hörmann gerade erst gefordert, dass die Fachverbände alsbald für deutlich bessere Medaillenperspektiven sorgen sollten. Und jetzt diese Nachricht von den Fechtern, den früheren Edelmetall-Experten des olympischen Sports. Exemplarisch dabei die Schwäche der Medaillenschmiede von einst, des Olympiastützpunktes Tauberbischofsheim. In den vergangenen zehn Jahren gab es nur zwei Einzel-Medaillen bei Weltmeisterschaften für jenen Ort, an dem der legendäre Haudegen Emil Beck (verstorben 2006) einst Musketiere in Serie zur Medaillenreife drillte.

Läuft es demnächst besser, könnte Moskau nur eine Warnung gewesen sein, "ein Dämpfer", wie Sportdirektor Ressel sagt. Läuft es weiter schlecht, dürfte Rio - mit Ausnahme der Waffengattung Säbel - zu einer tristen Veranstaltung werden. In Moskau ging es ja auch um die Olympia-Qualifikation, um Startplätze für 2016, und weil es eine WM war, konnten die erfolgreichen Konkurrenten dort doppelte Ranglisten-Punkte sammeln. Das bringt Rückstände, die sich im Weltcup schwer aufholen lassen. Es folgen bis April 2016, bis abgerechnet wird, zwar noch eine Handvoll Weltcups, doch nach Enttäuschungen im Männer-Florett (Platz acht für Peter Joppich), im Frauen-Degen (Platz 19 für Britta Heidemann), mit der Degen-Mannschaft der Frauen (Platz zwölf) oder der Florett-Mannschaft der Männer (Platz zehn) verengt sich die Perspektive. Jene des Frauen-Degen-Teams, mit dem sich Britta Heidemann qualifizieren will, erscheint zum Beispiel schon heute fast aussichtslos.

Dass sich eine Konzentration an Stützpunkten noch lohnen kann, ist durch die Bilanz von Tauberbischofsheim nicht widerlegt. Die Männer vom Säbel-Zentrum Dormagen am Niederrhein sind seit Jahren erfolgreich. Sie holten in Moskau Doppel-Bronze (sie waren allerdings auch Team-Titelverteidiger); vor sechs Wochen erst wurden sie Europameister. In einem großen gemeinsamen Trainingszentrum scheint es heute noch möglich zu sein, neben einem Alpha-Fechter weitere Top-Leute heranzuziehen. Nicolas Limbach, Weltmeister von 2009, hat im aktuellen WM-Bronze-Gewinner Max Hartung und in Matyas Szabo allmählich fast gleich starke Teamkollegen. Und Jüngere stehen hinten an.

In Rio gibt es mit dem Säbel keinen Team-Wettbewerb. Da wären die Deutschen Favorit

Die Männer-Säbel-Abteilung ist andererseits aber auch ein Beispiel für das Dilemma der Deutschen. Denn wegen der Teilnehmerbegrenzung bei Olympia reisen nur zwei Säbler pro Nation nach Rio, sie fechten auch nur im Einzel. Ein Team- Wettbewerb findet in dieser Sparte in Rio nicht statt - das deutsche Team wäre eigentlich der Goldfavorit. Das passt in eine Stimmungslage, in der alles schief zu gehen scheint: Die Florettmänner um Joppich scheiterten in Moskau ja nur um einen Treffer an Großbritannien. Heidemanns Degenfrauen kamen nur um einen Treffer - besser gesagt: durch eine strittige Video-Entscheidung zugunsten Chinas - nicht unter die besten Acht. Zudem hat sich Heidemanns Achillessehne ausgerechnet in diesem wichtigen Sommer hartnäckig entzündet. Eines aber muss man diesen Fechtern lassen: Sie analysieren, aber sie lamentieren nicht.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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