FC Viktoria Berlin:Verlassen vom Investor

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Die FC Viktoria Berlin-Spieler Marcus Hoffmann, Cimo Patric Röcker und Thomas Konrad (v.l.n.r.) verlassen niedergeschlagen das Spielfeld. (Foto: Sebastian Wells/imago)

Im Sommer hatte der zweimalige deutsche Meister nach dem Einstieg einer chinesischen Investorengruppe große Pläne und wollte in die dritte Liga aufsteigen. Doch nun ist der Verein insolvent.

Von Daniel Böldt, Berlin

Die Meldung auf der Homepage des Regionalligisten FC Viktoria 1889 wirkt unscheinbar. Eingerahmt zwischen der Ankündigung, die U11 und U13 würden am Sparda-Bank Hallencup in Siershahn teilnehmen, und einem Vorbericht auf das Pokalspiel der Herrenmannschaft gegen Polar Pinguin (Kreisliga A), steht ein offener Brief des Vorstands an die Vereinsmitglieder.

"Mit großen Bedauern", heißt es dort ohne lange Vorrede, "müssen wir euch mitteilen, dass der Vorstand heute, 13.12.2018, beim Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag für unseren Verein einreichen musste." Der FC Viktoria 1889 Berlin Lichterfelde-Tempelhof e.V., wie der Verein nach einer Fusion im Jahr 2013 offiziell heißt, ist pleite und muss um die Fortsetzung des Spielbetriebs in der vierten Liga bangen.

Als Grund gibt der Vorstand ausbleibende Zahlungen des Investors Advantage Sports Union Ltd. (ASU) an. Der Verein sei daher "nicht mehr in der Lage die auflaufenden Verbindlichkeiten zu decken." Mit dem Insolvenzantrag geht eine rund sieben Monate währende Liaison zu Ende, die den zweimaligen deutschen Meister (1908, 1911) Viktoria noch vor Kurzem von der großen Fußballbühne träumen ließ. Ende Mai wurde bekannt, dass der chinesische Investor Alex Zheng durch seine Firma ASU einen zweistelligen Millionenbetrag in den Verein pumpen will. Stolz präsentierte sich damals Viktoria-Geschäftsführer Felix Sommer mit Zheng beim Handschlag. "Ich freue mich darauf, ein Viktorianer zu werden", wurde Zheng auf der Viktoria-Homepage zitiert.

Nun scheint die Freude bei dem 50-jährigen Investor, Gründer der größten Hotelgruppe Chinas, verflogen zu sein. Warum genau die ASU die Zahlungen an Viktoria einstellte, weiß selbst der Verein nicht. "Ohne Nennung von triftigen Gründen" habe die ASU die Zusammenarbeit beendet, schreibt der Vorstand in seinem Brief.

Das Ziel war, sich als Nummer Drei der Stadt zu etablieren

Sportlich profitierte der Verein aus dem Berliner Süden bisher merklich vom Engagement Zhengs. Im Sommer verpflichtete er unter anderem den bundesligaerfahrenen Peter Sliskovic, mit 9 Toren treffsicherster Viktoria-Spieler. Und auch Mittelfeldspieler Jurgen Gjasula, in der vergangenen Saison noch Stammspieler bei Greuther Fürth, konnte man nach Berlin lotsen. Spielte der Klub 2017/2018 noch gegen den Abstieg, steht die Mannschaft von Trainer Jörg Goslar nun mit 31 Punkten auf Platz 6.

Möglich wäre, dass Zheng und der ASU, die unter anderem auch 80 Prozent am OSC Lille halten, diese Entwicklung dennoch zu langsam ging. Geschäftsführer Sommer gab vor dem Saison unumwunden zu, dass die ASU darauf abziele, langfristig in der dritten Liga zu spielen, wenn nicht sogar höher. In jedem Fall wollte man sich als klare Nummer drei der Stadt hinter Union Berlin und Hertha BSC etablieren.

Und die Chance, tatsächlich in den Profifußball aufzusteigen, ist just in dieser Saison so groß wie lange nicht, zumindest in der Theorie. Aufgrund des Rotationsprinzip steigt der Meister der Regionalliga Nordost in dieser Spielzeit direkt in die dritte Liga auf und muss nicht den Umweg über die Relegation gehen. Auf diesem sicheren Aufstiegsplatz thront allerdings der Chemnitzer FC - mit 51 Punkten.

Die Kommunikation zwischen Verein und Investor sei schon von Beginn an schwierig gewesen, heißt es nun aus Vereinskreisen. Die ASU hatte daher die Sportagentur 7sports engagiert. Die sollte sich vor allem um die Hauptbedingung des Investors kümmern: die Ausgliederung der 1. Herrenmannschaft in eine Kapitalgesellschaft. Die Vorbereitungen für diesen Schritt seien bereits abgeschlossen, heißt es vom Vorstand, sodass die Rückzug der ASU nun "umso überraschender" käme.

Im Berliner Fußballverband überwiegt die Sorge um die Jugendteams

Einer, der weniger überrascht sein dürfte, ist der Vize-Präsident des Berliner Fußballverbandes, Gerd Liesegang. Dieser hatte sich bereits bei Bekanntwerden des Deals skeptisch gezeigt. Im Tagesspiegel warnte er damals fast prophetisch, dass "bei einem unbekannten Investor aus dem Ausland immer die Gefahr bestehe, dass er plötzlich keine Lust mehr hat und den Verein fallen lässt".

Dass er sich nun bestätigt sieht, will Liesegang nicht sagen. Es überwiegt die Schwermut: "Uns macht das Sorgen, da hängen ja auch die ganzen Jugendmannschaften mit dran." Viktoria Berlin ist nach eigenen Angaben der Fußballverein mit den meisten Jugendmannschaften in Deutschland.

"Es wird ja immer wieder versucht, in der großen Fußballwelt mitzuspielen", sagt Liesegang. Gut in Erinnerung ist vielen in der Hauptstadt noch der Absturz von Tennis Borussia Berlin. Gestützt durch Geldspritzen des Finanzdienstleisters "Göttinger Gruppe" war TeBe Ende der 90er-Jahre drauf und dran, in die erste Bundesliga aufzusteigen. Als das misslang, verlor der Investor das Interesse und Tennis Borussia die Lizenz für den Profifußball. Heute spielt der Verein in der fünften Liga.

Wie es mit Viktoria Berlin weitergeht, ist derzeit offen. "Der Spielbetrieb der rund 70 Mannschaften des Breitensports wird wie bisher weitergeführt", schreibt der Vorstand. Doch ob das Team von Trainer Goslar in der Rückrunde wieder antreten kann, ist ungewiss. Die neun Punkte Abzug, die die Spielordnung des nordostdeutschen Fußballverbands bei einem Insolvenzantrag vorsieht, werden sich in jedem Fall kaum vermeiden lassen. Damit würde der Verein, der im Sommer noch vom Profifußball träumte, wieder in den Abstiegskampf der vierten Liga geraten.

© SZ vom 23.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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