FC Ingolstadt:Ungewisse Zukunft

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Stabilisator auf der rechten Seite: Rückkehrer Christian Träsch (links) half bei seinem Debüt der Ingolstädter Abwehr, setzte aber auch ab und zu zum Flankenlauf an, hier gegen Aues Nicolai Rapp. (Foto: imago/Stefan Bösl)

15:2 Eckstöße, 30:5 Schüsse, aber 1:2 Tore: Die Schanzer verlieren bei der Heimpremiere von Trainer Stefan Leitl gegen den FC Erzgebirge Aue.

Von Johannes Kirchmeier

Wenn ein Schauspieler zum ersten Mal auf einer Theaterbühne steht, dann kommt er irgendwann an den Punkt, an dem er sich in Gedanken, leise, aber drängend, fragt: "Wo soll ich nur meine Arme hin packen?" Im Stehen sind die Arme nun einmal ein verzichtbares Körperteil. Wenn sie einfach nur schlaff herunterhängen, wirkt der Schauspieler bisweilen teilnahmslos. Doch fuchtelt er damit herum, wirkt er schnell fahrig. Sodass er sie am Ende wohl doch hängenlässt. Zumindest, wenn er nicht den spanischen Fußballtrainer Pep Guardiola mimen muss.

Und Guardiola zu mimen, war am Samstagnachmittag nicht Stefan Leitls Aufgabe. Der 40-Jährige hatte sich für seine Premiere nicht eine große Bühne ausgesucht, sondern die mit Kreidelinien abgesteckte Ingolstädter Coaching Zone. Leitl muss sich dort beobachtet wie ein Akteur gefühlt haben. Schon vor seinem ersten Heimspiel als Trainer des FC Ingolstadt fixierten ihn die Fotografen. Ob er sich beim 1:2 (0:1) gegen Aue einmal die Schauspieler-Frage gestellt hat, ist nicht überliefert. Es spricht jedoch einiges dafür. Denn er stand, anders als Kollege Hannes Drews, der den FC Erzgebirge im Übrigen zum ersten Mal betreute, fast das gesamte Spiel über, manchmal tippelte er hin und her. Er versuchte seine Hände dann wahlweise in den Hosentaschen, vor dem Bauch oder im Gesicht unterzubringen. Ab und zu deutete er seinen Spielern freie Rasenstücke an oder klatschte. Aber am Ende landeten die Hände doch wieder in den Taschen seiner etwas zu großen Trainingshose.

Was unter den Fußballtrainern natürlich auch immer ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass sie nicht gerade hoch zufrieden sind mit der Leistung ihrer Mannschaft. Auch wenn Leitl nach dem Spiel sagte: "Wir nehmen unheimlich viel Positives mit. Wir hatten heute eine Passquote von 80 Prozent, gegen Fürth waren wir bei 50." Außerdem habe sein Team deutlich mehr Ecken und Torchancen herausgespielt. In Zahlen stand da eine Eckenstatistik von 15:2 und eine Torschussstatistik von 30:5. "Aber Fußball ist ein Ergebnissport. Und das Ergebnis stimmt heute nicht", sagte der Linksverteidiger Marcel Gaus, der den einzigen Ingolstädter Treffer vorbereitet hatte. Vor dem 1:2 von Dario Lezcano schlug er einen weiten Ball auf den kleinen Paraguayer, der aus neun Metern traf (82.).

Am fünften Spieltag der zweiten Liga haben die Absteiger damit ihr drittes Heimspiel verloren, zwei noch unter Leitls Vorgänger Maik Walpurgis, und stehen auf Rang 15. Doch zum ersten Mal hat der FCI eine Partie dominiert. So langsam akklimatisieren sich die Oberbayern in der kampfbetonten Spielklasse. Stabilität gab auch der Rückkehrer Christian Träsch, der als Rechtsverteidiger debütierte.

Ein weiterer Neuling in diesem Debütantentreffen zog dagegen den Ingolstädter Zorn auf sich: Schiedsrichter Tobias Reichel, der erstmals eine Zweitliga-Partie pfiff. Über weite Strecken machte er das gut. Nur hätte er sich wohl etwas mehr Unauffälligkeit zum Start gewünscht. Nach 74 Minuten Spielzeit trug er ein Feuerzeug vom Platz, Plastikbecher flogen auf den Rasen. Kurz zuvor hallten ihm "Schieber"-Rufe von der Ingolstädter Tribüne entgegen, nachdem dreimal binnen kurzer Zeit ein FCI-Spieler im Auer Strafraum gestürzt war. Zweimal hatte er vertretbar entschieden, aber das Halten von Fabian Kalig an Stefan Kutschke war elfmeterwürdig (72.). Zuvor hatte er fälschlicherweise eine Abseitsposition von Stefan Lex erkannt (33.), der zum Ausgleich getroffen hätte. "Von einem Schiedsrichterteam erwarte ich, dass es eine so klare Situation sieht", sagte Leitl.

Pascal Groß traf am Samstag zwei Mal - aber in der Premier League

Von seinen Spielern darf er wiederum erwarten, öfter zu treffen. Die Misere dürfte immer noch ein bisschen mit dem Weggang von Pascal Groß im Sommer zusammenhängen. Der Mann mit den Ideen traf am Samstag bezeichnenderweise zweimal und legte ein weiteres Tor vor, allerdings beim 3:1 seines neuen Klubs Brighton Hove and Albion in der Premier League.

Aues Trainer Drews meinte in der Pressekonferenz: "Wir sind hier natürlich nicht hergefahren mit der Zielsetzung zu kontern." Und doch mussten sie es tun, weil sie die Ingolstädter weit zurück drückten. Blöd für den FCI war nur, dass die Auer nun mal gut kontern können. Und dass die Innenverteidiger Marvin Matip und Romain Brégerie Aues Pascal Köpke freie Fahrt in den Strafraum gewährten, wo der frühere Nürnberger und Hachinger den Ball über Örjan Nyland ins Tor lupfte (15.). In der zweiten Halbzeit legte er im Gegenstoß alleine vor Nyland quer zu Sören Bertram, der zum 2:0 traf (50.).

Was Leitls Zukunft im Ungewissen lässt: "Wir werden die Sachen aufarbeiten, dann macht man sich darüber Gedanken", sagte FCI-Sportdirektor Angelo Vier, auch erst seit kurzem im Amt, auf die Frage, ob Leitl zur Dauerlösung werden könnte. Der Trainer fühlt sich in Ingolstadt wohl wie nirgends auf der Welt. Er hofft daher natürlich, dass er seine kleine Bühne noch öfter betreten darf. Nach seiner Premiere bekommt schließlich ein jeder Schauspieler Lust auf mehr.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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