FC Ingolstadt:Typ Terodde

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In Nürnberg war "das Porzellan zerschlagen", beim FCI startet er mit Vorfreude: Stefan Kutschke (vorne). (Foto: Stefan Bösl/imago)

Der FC Ingolstadt baut auf seinen neuen Stürmer Stefan Kutschke, der robust, zweitligaerprobt und torgefährlich ist.

Von Johannes Kirchmeier

"Ja! Ja! Ja!", schreit Stefan Kutschke auf dem kleinen Sportplatz des SV Westendorf im Brixental in Tirol. Der Stürmer des FC Ingolstadt treibt seine Mitspieler an, sie sollen die Gegner von Bursaspor im Vorbereitungsspiel gleich im Spielaufbau stören. Er sprintet daraufhin selbst einem türkischen Abwehrspieler entgegen und luchst ihm den Ball ab, bevor der dann doch noch verloren geht. Ein paar Minuten später ruft er einem Kollegen zu: "Jetzt friss ihn auf!" Kutschke, das wird am Seitenrand schnell klar, ist mit seinen 1,94 Metern Körpergröße und seiner Präsenz auf dem Platz einer, der vorangeht, der die anderen mitzureißen vermag: "Das ist einfach meine Mentalität", sagt er selbst dazu, "für einen anderen Sport bin ich vielleicht auch gar nicht so gemacht."

Das mag grundsätzlich nicht verwundern, jede Mannschaft hat diese Antreibertypen. Doch bei Kutschke überrascht das schon: Denn wenn der Fußball-Zweitligist Ingolstadt an diesem Samstag daheim gegen Union Berlin (13 Uhr) in die Saison startet, dann steht er als Sommer-Zugang auf dem Feld. Kutschke ist kein gewöhnlicher Zugang, er hat sich so schnell im Team etabliert, dass ihn die Kollegen schon in den Mannschaftsrat gewählt haben. Trainer Maik Walpurgis sieht in ihm einen Spieler, der von Anfang an "ganz viel Lust auf den Verein" gezeigt habe.

Er hat die Kernelemente des Ingolstädter Stils, der ja auf aggressive und vor allem aktive Spieler setzt, schnell verinnerlicht. Und Walpurgis ist zudem einen Schritt auf seinen neuen Stürmer zugegangen. Der FCI spielt nun vorwiegend im neuen System: Statt eines Stürmers in der Bundesliga werden es die Oberbayern in Liga zwei erst einmal mit zwei Angreifern versuchen. Die Lösung Kutschke/Dario Lezcano scheint nach den Testspielen die präferierte zu sein, was einleuchten würde: Der kleine Paraguayaner, der mit Abstand meistgefoulte Spieler in der Bundesliga im Vorjahr (130-mal, vor Hoffenheims Sandro Wagner, 85-mal), wird um den kantigen Kutschke wuseln, der sich wiederum über Flanken freuen dürfte. In Westendorf hat er die anders als bei Dynamo Dresden, wo er in der Saison zuvor 16 Tore in der zweiten Liga geschossen hat, noch nicht bekommen: "Die Spielphilosophien sind unterschiedlich, mit Dresden haben wir auf mehr Ballbesitz gesetzt. Aber das wird sich einpendeln", sagt Kutschke.

Der 28-Jährige ist in der Vorsaison ja immerhin drittbester Torjäger der Liga gewesen, bevor er für etwa anderthalb Millionen Euro nach Ingolstadt wechselte - allerdings von Nürnberg aus, die Dresdner hatten ihn nur ausgeliehen. Erst in seiner Geburtsstadt wurde der Sachse zum Torjäger. Wenn er über seine Karriere spricht, dann spricht er daher davon, ein Spätstarter zu sein: Kutschke war einer, der schon das Talent zum Fußballprofi hatte, wovon die prominenteren Stationen Wolfsburg oder Leipzig zeugen, durchsetzen konnte er sich dort aber nicht. Und dann war da eben die Episode in Nürnberg, wo er sogar in die zweite Mannschaft degradiert wurde. Im Anschluss ging er vor anderthalb Jahren zur Leihe nach Dresden. Eine Rückkehr nach Franken kam nun nicht mehr infrage, "da war das Porzellan zerschlagen" - dem Vernehmen nach auf beiden Seiten.

Kutschke hatte dann Angebote von einem Erstligisten und aus England, doch er entschied sich für Ingolstadt, das ihn zuvor schon zweimal holen wollte und dessen Trainer ihn seit Jahren auf dem Zettel hatte, wie er im Trainingslager verriet. Es ist ja aus Ingolstädter Sicht ein Transfer, der an einen Wechsel des VfB Stuttgart im Vorjahr erinnert. Schließlich trauen die meisten Trainer der Liga dem Absteiger FCI die Rückkehr in die Bundesliga zu, ähnlich wie im vergangenen Jahr dem Absteiger VfB, der sich mit dem im Vergleich zu Kutschke zwei Zentimeter kleineren und ein Jahr älteren Simon Terodde verstärkte und durch dessen 25 Tore aufstieg. Einen robusten und zweitligaerprobten Stürmer, Typ Terodde, zu holen, scheint das neue Mittel der Wahl zu sein in der zweiten Liga: "Ich würde mich nie mit Simon vergleichen", sagt Kutschke selbst jedoch. "Er hat so viele Tore geschossen."

Sein Trainer würde den FCI nie mit dem Aufsteiger VfB vergleichen, sein Ziel sei stattdessen, die Umstellung auf die Liga schnellstmöglich zu schaffen. Das soll am besten mit dem aktuellen Aufgebot geschehen: "Die Kaderplanungen sind abgeschlossen", sagte Walpurgis. Auf welchen Antreiber im Angriff er am Samstag gegen Union Berlin setzen wird, dürfte nach den Eindrücken von Westendorf schon klar sein.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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