FC Ingolstadt:Nicht alles glauben, was man denkt

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Maik Walpurgis hat die Spieler des FC Ingolstadt offenbar erfolgreich von ihren Selbstzweifeln befreit.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

Und dann ist da noch die Geschichte von Moritz Hartmann. Nicht ein einziges Tor hatte der 30 Jahre alte Stürmer des FC Ingolstadt in dieser Saison bislang geschossen. Auch am Samstag in Darmstadt deutete zunächst nicht viel darauf hin, dass sich das bald ändern könnte. Wegen Szenen wie dieser: In der 8. Minute schoss Hartmann, spektakulär bedient von Florian Jungwirth, freistehend aus fünf Metern am Tor vorbei. Es war zum Verzweifeln. Dann kam die 68. Minute.

Aus 16 Metern donnerte Moritz Hartmann den Ball per Direktabnahme in den Winkel. Ein Tor, so schön wie befreiend. Für Hartmann. Für den FC Ingolstadt. Für den neuen Trainer Maik Walpurgis. Hartmann trifft zum ersten Mal, Ingolstadt gewinnt zum ersten Mal, Walpurgis feiert zum Einstand in der Bundesliga einen Sieg.

Die Hartmann-Story wird aber noch besser. Kurz vor Hartmanns Kunstschuss stand nämlich Ingolstadts Offensivspieler Sonny Kittel zur Einwechslung bereit. Nach dem Treffer schickte Walpurgis ihn noch mal zum Warmlaufen, erst zehn Minuten später wechselte er Kittel ein - für Hartmann. Auf die Frage, ob er Hartmann kurz vor dessen Siegtor eigentlich schon habe auswechseln wollen, antwortete Walpurgis so: "Wen ich auswechseln wollte, behalte ich jetzt mal für mich."

Dürfte nach einem Abstieg auch in der zweiten Liga die Kommandos geben: Maik Walpurgis, seit November 2016 Trainer des FC Ingolstadt. (Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

"Er strahlt eine Überzeugung aus, die uns zuletzt gefehlt hat", lobt Marvin Matip den neuen Coach.

Ingolstadt hat in Darmstadt drei Punkte auf einen Schlag gewonnen - mehr als in den zehn Spielen unter seinem Vorgänger Markus Kauczinski zusammen (2). Maik Walpurgis sagte: "Es ist manchmal nicht zu erklären, warum Trainerwechsel Wirkung zeigen." Nun, Glück ist eben manchmal auch, mit dem eigentlich Richtigen noch einen Moment lang warten zu müssen. Der Ball war vor dem erlösenden Siegtor am Böllenfalltor schlicht so lange im Spiel geblieben, bis Hartmann zum Held werden konnte.

Seit einer Woche ist dieser Westfale nun Trainer in Oberbayern - und in der Bundesliga. Seine bislang wichtigste Referenz: Im Frühjahr 2013 scheiterte er mit den Sportfreunden Lotte nur knapp an RB Leipzig in den Aufstiegsspielen zur dritten Liga. Dass er seine Interessen auch gegen Widerstände durchsetzen kann, bewies der Mann mit den roten Haaren dann bei einem Rechtsstreit mit Lotte, als es um seinen Karrieresprung zum Drittligisten VfL Osnabrück ging. Auch dort fiel Walpurgis vielen positiv auf, er wurde im August 2015 allerdings entlassen und war seitdem arbeitslos.

Nicht mit uns: Ingolstadts Geschlossenheit (in der Mauer: Pascal Groß, Roger, Lukas Hinterseer, Anthony Jung und Moritz Hartmann) sorgte dafür, dass der Klub erstmals in dieser Saison ohne Gegentor blieb. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Und nun gewinnt er gleich sein erstes Spiel mit einer Elf, die unter seinem glücklosen Vorgänger Kauczinski in fünf Monaten überhaupt nur ein einziges Match in regulärer Spielzeit gewinnen konnte: ein Test gegen den Fünftligisten VfB Eichstätt (7:0). Walpurgis habe bei den Gesprächen den Eindruck vermittelt, der Richtige für den schweren Weg zu sein, hatten FCI-Sportdirektor Thomas Linke und Sport- Geschäftsführer Harald Gärtner gesagt.

Warum? Es gibt durchaus Überschneidungen mit dem früheren FCI-Erfolgstrainer Ralph Hasenhüttl, der gerade in Leipzig reüssiert. Wie der Österreicher ist auch Walpurgis ein Verfechter des frühen Gegenpressing-Fußballs. Und wie Hasenhüttl ist er ein impulsiver Typ, ein Fachmann mit lautstarker Überzeugungskraft. FCI-Kapitän Marvin Matip bestätigt: "Er strahlt eine Überzeugung aus, die uns zuletzt in den Spielen gefehlt hat."

Viele Gespräche habe der Trainer in der vergangenen Woche mit den Spielern geführt, erzählt Matip. Walpurgis sagt, er habe den Spielern ein gutes Gefühl für das Spiel geben wollen. Dafür hat er die Profis an ihre Erfolgserlebnisse aus der fernen Vergangenheit erinnert und sie aufgefordert, ihre Köpfe zu "re-setten". Die Spieler dürften "in so einer Situation nicht alles glauben, was sie denken", erklärte Walpurgis am Samstag - und gewann damit auch den Rhetorik-Preis des Spieltages. Taktisch ließ er Hasenhüttl-Draufgeh-Fußball spielen und lobte Vorgänger Kauczinski danach für den "sehr guten körperlichen Zustand" der Mannschaft.

Aber wie nachhaltig wirkt das Erfolgserlebnis? Beide Teams spielten schlichtweg schlecht, die Lilien sogar so schlecht, dass sie erstmals seit Jahren ausgepfiffen wurden. Auch für Norbert Meier in Darmstadt ist das Erbe von Erfolgscoach Dirk Schuster ziemlich groß. Maik Walpurgis aber hat in Ingolstadt jetzt den Vorteil, dass er Markus Kauczinski und nicht Ralph Hasenhüttl nachfolgte. Und dass es schlechter ja erst mal nicht werden konnte.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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