FC Ingolstadt:Einer fehlt

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Der große Aufstiegskandidat Ingolstadt steht nach zwei Spieltagen erst einmal ganz unten. Das hat viel mit dem Verlust des Spielmachers Pascal Groß zu tun - und könnte einen weiteren schmerzhaften Weggang nach sich ziehen.

Von Johannes Kirchmeier, Sandhausen/München

Maik Walpurgis ist ein positiv denkender Mensch. Und so stand der sonst so ruhige Trainer auch nach knapp 80 Minuten im Hardtwaldstadion in Sandhausen an der Seitenlinie und versuchte seine Ingolstädter anzutreiben. Walpurgis klatschte in die Hände, er schrie, doch ankommen wollte all seine Begeisterung nicht auf dem Spielfeld. Sein Team lag zu dem Zeitpunkt schon zurück und unterlag am Ende 0:1 (0:0). "Klar, ein Fehlstart ist das schon, wenn man nach zwei Spielen keine Punkte hat", sagte Co-Trainer Michael Henke.

Zusammengefasst steht die Ingolstädter Bilanz: Null Punkte, null Tore, und in Sandhausen sogar null Torchancen. Zum letzten Mal ein Pflichtspiel gewonnen haben die Ingolstädter am 9. April - oder vor neun Spielen (3:2 gegen Darmstadt). Der Absteiger und Aufstiegskandidat Nummer eins ist nach zwei Spieltagen Tabellenletzter der zweiten Bundesliga, gemeinsam mit dem FC Heidenheim, der allerdings noch ein Spiel weniger hat.

Beklagen brauchen sie sich darüber freilich nicht in Ingolstadt. Selten hat man (und auch Trainer Walpurgis) so einer harmlosen Fußballmannschaft zuschauen müssen wie dem FCI am Freitag. "Wir müssen die zweite Liga viel mehr annehmen", meinte Henke. "Das ist ein anderer Fußball als in der ersten Liga. Wir dürfen nicht versuchen, ohne Zweikämpfe zu spielen." Es ist ja nicht so, dass sie nicht vor dem Kater in Liga zwei gewarnt hätten in den vergangenen Wochen. Walpurgis sprach in seiner ruhigen Art lange und breit davon, sich erst einmal in der Liga akklimatisieren zu wollen statt zu große Ziele zu formulieren.

Drei defensive Mittelfeldspieler statt eines offensiven Könners

Im Grunde hatten sie ja alles getan für einen reibungslosen Saisonstart. Sie hatten sich klug verstärkt. Vom Start weg konnte der frühere Lauterer Marcel Gaus den nach England gewechselten Linksverteidiger Markus Suttner ersetzen, im Sturm wirbelt jetzt neben Dario Lezcano der frühere Dresdner Stefan Kutschke, der in der Vorsaison noch 16 Tore erzielte.

Nur auf einer Position haben sie anscheinend vergessen, adäquaten Ersatz zu verpflichten. Ein Element fehlt ihnen seit dem Abstieg. Es ist jedoch das Element, das sie in dieser zweiten Liga brauchen, in der sie nicht mehr der "Underdog sind", wie Walpurgis sagt, sondern selbst den Ton angeben müssen. Und zwar das Fußballspielen, um das sich in Ingolstadt seit 2012 vor allem Pascal Groß kümmert. Der Spielmacher verließ die Ingolstädter im Sommer wie Suttner nach England zum Erstliga-Aufsteiger Brighton and Hove Albion. Diese Lücke konnte oder wollte der FCI bisher nicht schließen.

Im zentralen Mittelfeld spielen so nun drei defensive Mittelfeldspieler, also andere Spielertypen als Groß, denen das Kämpfen näher liegt als der Spielaufbau mit feinem Füßchen: Tobias Schröck, Alfredo Morales und Almog Cohen. Offensive Impulse aus der Spielmitte vermochten sie noch nicht zu setzen - und so endet der Spielaufbau meistens relativ uninspiriert mit einem langen Ball nach vorne. Wenn Henke also sagt: "Wir reagieren zu viel teilweise, wir müssen wieder mutiger werden, mehr agieren." Dann liegt der Makel schon auch an den dreien, die technisch nicht so beschlagen sind wie ihr Vorgänger.

Außerdem scheinen die Ingolstädter irgendwo zwischen der ersten und der zweiten Liga ihren vormals "ekligen" Spielstil verloren zu haben. Sie ärgern ihre Gegner nicht mehr - und lassen sich stattdessen ärgern.

Rechtsverteidiger Hadergjonaj will noch wechseln - der FCI verweigert die Freigabe

Walpurgis hatte in der vergangenen Woche den Fokus im Training darauf gelegt, wieder aus eigenem Antrieb das Spiel zu machen, nur fruchten wollten seine Übungen nicht in Sandhausen. Zu allem Überfluss fiel der Gegentreffer auch noch nach einem Abspielfehler des Innenverteidigers Romain Brégerie, "insofern nehme ich den Fehler auf meine Kappe", sagte Walpurgis. Brégerie passte als letzter Mann vor Torwart Martin Hansen statt zum nächsten Mitspieler direkt zum Sandhäuser Eroll Zejnullahu, der schnell querlegte zu Andrew Wooten. Der schoss den Ball dann an Hansen vorbei ins Tor.

Und dann ist da auch noch dieses kleine oberbayerische Transfertheater um Florent Hadergjonaj, das die Mannschaft zusätzlich belasten dürfte. Anders als beim Saisonstart, als Walpurgis auf eine Mannschaft setzen wollte, die "voll hinter dem FCI ist", verteidigte Hadergjonaj nach einem Gespräch mit der Mannschaft nun in Sandhausen wieder von Beginn an auf der rechten Seite.

Der Schweizer machte sich in der Vorsaison durch starke Leistungen unverzichtbar in Ingolstadt. Er hatte in der Vorwoche seinen Wechselwunsch zum Bundesligisten VfB Stuttgart in der Bild-Zeitung öffentlich gemacht. Ingolstadts Geschäftsführer Harald Gärtner entgegnete ihm am Freitag im Schweizer Boulevardblatt Blick: "Es gab keine Einigung. Damit ist die Diskussion beendet. Für beide Klubs. Das Thema Stuttgart ist vom Tisch." Auch Walpurgis betont ja: "Unsere Kaderplanungen sind abgeschlossen." Bleibt nur die Frage, wie Hadergjonaj darauf reagiert. Er behauptet, dass es eine mündliche Vereinbarung gibt, dass er den Klub nach dem Abstieg verlassen dürfe. Und darauf wird er bis spätestens 31. August beharren, wenn das Transferfenster schließt. Den Ingolstädtern könnten also noch ein paar ungemütliche Wochen bevorstehen - insbesondere, so lange sie weiterhin das Tor nicht treffen.

© SZ vom 06.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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