FC Bayern vor dem 19. Titel:Bloß keine Blumen

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Nach dem gewonnen Spiel gegen Bochum und den Ausrutschern der Konkurrenz wehrt Bayern-Trainer Felix Magath alle Glückwünsche zur Meisterschaft ab - er fürchtet einen abrupten Spannungsabfall.

Von Andreas Burkert

Vahid Hashemian hatte einen erträglichen Arbeitstag hinter sich, und das tat ihm richtig gut. Felix Magath hatte ihn neun Minuten vor Spielende eingewechselt, fünf Wochen nach seinem letzten Einsatz kam der nette Mensch aus Iran damit zu seinem achten Saisonspiel für den FC Bayern. Eine feine Geste des Bayern-Trainers ist das gewesen, schließlich sah Hashemian am Samstag seine Freunde vom VfL Bochum wieder.

In deren Kreis hatte Hashemian vergangene Saison 16 Tore erzielt, ehe er der Münchner Verlockung einer markanten Gehaltserhöhung nachgab. Das gute Gefühl, beim Zusammentreffen mit den alten Kameraden mal wieder teilnehmen zu dürfen am Hochglanzbetrieb des Rekordmeisters, gab Hashemian viel, er hat später sogar ein Radiointerview geben dürfen.

"Herzlichen Glückwunsch, dass Sie noch eingewechselt worden sind!", sagte zur Begrüßung der Mann von der ARD, doch Hashemian verstand das nicht ironisch, er lächelte freundlich und sagte über seinen neuen Klub, bei dem er eigentlich nicht sehr glücklich ist und den er deshalb im Sommer wieder verlassen wird: "Bayern ist die beste Mannschaft in Europa und in ganz Deutschland."

Dezente Freude

Zumindest an der nationalen Dominanz der Bayern besteht seit Samstag kein Zweifel mehr, obwohl sich die Münchner Wortführer nach dem 3:1 (2:0)-Erfolg über Bochum verfrühte Glückwünsche zum 19. Titelgewinn verbaten. Der Klubvorstand Rummenigge ("Wir haben heute noch keine Meisterfeier") und auch der Spielführer Kahn ("Im Fußball ist so viel möglich") verweigerten trotzig die Annahme von Blumen, als glaubten sie trotz der nunmehr neun Punkte Vorsprung auf den ermatteten Verfolger Schalke tatsächlich noch an ein rekordverdächtiges Debakel.

Magath entgegnete gar beleidigt, man gratuliere ihm "ja auch nicht am 24. Juli zum Geburtstag - den hab' ich erst am 26." Diese Zurückhaltung wird jedoch ein untauglicher Versuch bleiben, den Spannungsbogen künstlich um wenigstens einen Spieltag zu verlängern. Und eigentlich haben die Bayern, wenn sie ehrlich sind, schon am Samstag ihre erste Meisterfeier abgehalten. Denn zu groß ist ihr Vergnügen gewesen über die Nachrichten vom Schalker Niedergang in Berlin, und zu entgegenkommend hatten sich zeitgleich die Bochumer dem ausverkauften Haus präsentiert.

Selbst Oliver Kahn musste in seinem unerbittlichen Kampf gegen den Spaß zugeben: "Wenn alles normal läuft, werden wir Meister." Die dezente Freude der Bayern ist nur zu verständlich, denn sie denken ja bereits über die Meisterschaft hinaus. Verteidiger Willy Sagnol, gegen den VfL bester Münchner, blickte gar schon in die nächste Spielzeit, er sagte: "Da müssen wir auf Hertha aufpassen." Zuvor steigt noch das Cupfinale gegen Schalke, und Termin ist erst Ende Mai - weshalb die Mahner Magath und Kahn den abrupten Spannungsabfall fürchten. Sie kennen ihre Leute.

Auch Magaths Kollege Peter Neururer teilte am Samstag diese Sorge, allerdings aus rein egoistischen Gründen, denn die Münchner Partygesellschaft ist noch mit der Bochumer Abstiegskonkurrenz aus Mainz und Nürnberg verabredet. "Das habe ich ihm versprochen, dass wir jetzt nicht nachlassen", sagte Magath, "wir werden so engagiert in die letzten Spiele gehen, wie es irgendwie geht."

Ob wiederum die Münchner auf ihren finalen Ehrenrunden noch einmal so eine Herzlichkeit des Gegners erfahren werden wie am Samstag, steht kaum zu erwarten. Sogar das Emotionsbündel Neururer erfüllte im Olympiastadion nicht die hohen Erwartungen, denn wohl noch nie in seinem Trainerleben reagierte er auf einen Treffer seiner Elf so enttäuschend wie nach Tapalovic' 1:2 (51.): Neururer bewegte sich einfach nicht. Wenigstens den von Kahn vereitelten Ausgleich zum 2:2, vor dem Edu plötzlich frei stand (61.), betrauerte er engagiert.

Hinterher ist Neururer aber wieder sehr gefasst gewesen, er hatte die von Makaay (63.) besiegelte Niederlage ja eigentlich eingeplant. "Die Bayern haben uns zwischendurch ein bisschen mitspielen lassen", sagte er fast dankbar und begab sich dann ebenfalls in die Zukunft. Mit Blick auf die anstehenden Schlüsselspiele gegen Mainz und Nürnberg sagte er: "Es ist erfreulich, dass wir hier nicht eingebrochen sind."

Nur glückliche Menschen

Verhindert hatten dies weniger seine Männer, sondern die Bayern. Denn nach Pizarros 1:0 (9.) und dem Platzverweis für VfL-Keeper van Duijnhoven (14.) verflüchtigte sich umgehend ihre Konzentration, trotz Ballacks 2:0 (26.). Bochums holländischer Torhüter hatte gegen seinen heranstürmenden Landsmann Makaay eine vorzügliche Parade gezeigt - leider außerhalb des Strafraums. "Eine halbe Sekunde später war mir klar, dass ich gehen muss."

Schiedsrichter Knut Kircher habe in diesem Moment mit ihm gelitten, erzählte Rein van Duijnhoven fröhlich, "er hat sich entschuldigt, es tat ihm wohl leid, dass er mir Rot zeigen musste". Van Duijnhoven hat Herrn Kircher aber rasch trösten können, und so sah man in München: nur glückliche Menschen.

© Süddeutsche Zeitung vom 25.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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