FC Bayern München:Meistertrainers Heimat

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Felix Magath setzt sich beim Trainingsauftakt hohe Ziele - ungewiss bleibt, ob Kapitän Kahn ihm helfen wird. Derweil kündigte Michael Ballack an, pünktlich aus dem Urlaub nach München zurückzukehren.

Von Josef Kelnberger

Es war 10:19 Uhr oder 10:21 Uhr - die Meinungen darüber gingen auseinander -, als die rot gerahmte Tür sich öffnete. Es kam einige Minuten lang niemand, Unruhe machte sich breit: Hatte es sich Felix Magath doch noch anders überlegt angesichts des Medienaufgebots, das auf ihn lauerte? War er durch den Hintergausgang geflohen? Aber dann tröpfelte der Tross der Bayern doch heraus aus dem Kabinentrakt an der Säbenere Straße, vorneweg Hasan Salihamidzic, und darin konnte man durchaus eine gewisse Symbolik sehen.

Der Bosnier kennt die Wege auf dem Trainingsgelände des FC Bayern, und er kennt auch Magath aus ihrer gemeinsamen Zeit beim HSV. Später, als man im Training paarweise mit dem Ball jonglierte, gesellte Magath sich zu Salihamidzic; sie lachten viel. "Er hat sich scheinbar gefreut, mich wieder zu sehen", sagte Magath hinterher lächelnd. Es war ihm offenbar ein Anliegen: Man kann sich durchaus Gefallen finden an einem Trainer Magath.

Das erste Training lieferte noch keine Hinweise auf eine im Vergleich zu Ottmar Hitzfeld verschärfte Gangart. Unter Anleitung von Werner Leuthard, dem neuen Fitnesstrainer, lockerten die Spieler sich auf Gummimatten. Liefen Runden unter der Regie von Beppo Eichkorn, dem neuen Cotrainer. Im Trainingsspiel fiel die Spielfreude von Sebastian Deisler und Mehmet Scholl auf. Vor allem aber redete Magath.

Fitness, Disziplin und Ordnung

Mal standen die Spieler um ihn herum, mal durften sie sich setzen, mittendrin redete Magath, mal mit verschränkten Armen, mal wild gestikulierend. Obwohl zwölf Nationalspieler fehlten, wollte er schon einmal klarstellen, nach welchen Regeln der Betrieb fortan läuft. "Natürlich kamen die Worte Disziplin und Ordnung vor", berichtete später Andreas Görlitz, Neuzugang von 1860 München. Den dritten entscheidenden Begriff vergaß er: Disziplin.

"Fitness. Disziplin. Ordnung. Wer sich daran hält, kann viel Spaß mit Felix Magath haben", sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende. Die Ziele für die neue Saison definierte er zurückhaltend. "Nachdem wir letztes Jahr keinen Titel gewonnen haben, wäre einer schon okay." Magath lässt sich gerne daran messen. "Wir wollen Titel holen, je mehr, desto besser", erklärte er auf seiner ersten Pressekonferenz als Bayern-Trainer.

Er hatte sich für den Auftritt, den er ungeduscht noch im Trainingsanzug absolvierte, offenbar so etwas wie eine Regierungserklärung zurecht gelegt. "Ich fühle mich hier zu Hause, weil der Verein die gleichen hohen Ansprüche hat wie ich." Seine Rede gipfelte in dem Satz: "Ich will Meistertrainer werden."

Das ist eine Aussage von bemerkenswerter Offenheit. Magath vermied die Attitüde des kühlen Starcoaches, der alles schon gesehen und erlebt hat. Die Gelassenheit von Ottmar Hitzfeld im Umgang mit den vielen Expertenstimmen im eigenen Lager, von Beckenbauer bis Hoeneß, will er sich zum Vorbild nehmen. Gerne räumte er ein, dass er bislang weder Kabinen und Trainingsplätze noch Spieler von dieser Qualität vorgesetzt bekam.

"Ich freue mich, dass ich endlich einen Verein gefunden habe, der mir die Voraussetzungen bietet, um sagen zu können: Ich will Meister werden." Diese Offenheit will er, so scheint es, auch im Umgang mit den Spielern pflegen, schon um das Image des Schleifers zu widerlegen. Er maße sich nicht an, einen Spieler aus der Ferne zu beurteilen. Und das selbe, sagte er, habe er auch den Spielern geraten. Sie sollen ihn erst kennen lernen, bevor sie sich ein Bild von ihm machen.

Allzu viel Zeit bleibt den Bayern nicht, um einander näher zu kommen bis zum Saisonstart am 7. August in Hamburg. Von den Neuen fällt die Eingewöhnung am leichtesten wohl Andreas Görlitz, dem vormaligen Löwen. Er musste sich gestern nur darauf konzentrieren, auf der Grünwalder Straße nicht falsch abzubiegen. Die Vereinsanlage sei "eine Klasse besser", lobte, er, womit "nicht gegen die Löwen, nur für die Bayern" sprechen wollte.

Dass er von den Blauen zu den Roten wechselte, hat ihm Spott von seinen Freunden eingebracht; aber Freunde bleiben Freunde. Vahid Hashemian, vergangenen Dienstag aus Bochum eingetroffen, hat immerhin schon einige Biergärten erkundet. Der Brasilianer Lucio, Millionen-Einkauf aus Leverkusen, verabschiedete sich nach der Begrüßung Richtung Vereinsarzt Müller-Wohlfahrt. Er leidet unter den Folgen einer Knieoperation und kann frühestens nächste Woche mit den Kollegen trainieren.

Wechselgerüchte stören Magath nicht weiter

Zwölf Nationalspieler werden fehlen, wenn die Bayern morgen, Mittwoch, zum ersten Trainingslager nach Rottach-Egern ausrücken. Und noch immer weiß Magath nicht genau, welchem Kader er Ende Juli beim beim zweiten Trainingslager in Bonn den Feinschliff geben kann.

Keinen Kontakt hat der FC Bayern zurzeit zum wechselwilligen Kapitän Oliver Kahn, "ein bisschen eigenartig", wie Karl-Heinz Rummenigge findet. Er pocht weiterhin auf den Vertrag bis 2006, aber das letzte Wort ist in der Sache wohl nicht gesprochen. Michael Ballack, vom FC Barcelona umworben, erklärte gestern immerhin per Zeitungskolumne, er gehe "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" davon aus, pünktlich aus dem Urlaub nach München zurückzukehren.

Felix Magath hofft, dass sich die Aufgeregtheiten nach dem Urlaub der Nationalspieler schnell legen. Er will sich nicht irritieren lassen in seinem Arbeitseifer. "Endlich wieder was zu tun", sagte er. Gestern Nachmittag ging er mit der Mannschaft zum ersten Mal laufen im Perlacher Forst.

© Süddeutsche Zeitung vom 29.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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