FC Bayern gewinnt Spitzenspiel:Unerschütterte Hierarchie

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Im Spiel gegen den VfL Wolfsburg greifen die Bayern auf eine altbewährte Tugend zurück und dominieren den Gegner kontrolliert. Am Ende genügen zwei Pizarro-Tore gegen den enttäuschenden Tabellenführer.

Der FC Bayern hat sich sehr lange Zeit gelassen, in die Nähe der von ihm beanspruchten Spitzenposition zu gelangen. Zuletzt, nach der 0:1-Heimpleite gegen Schalke 04, waren die Münchner selbst ein wenig unruhig geworden, die Saison drohte aus ihrer Sicht einen ähnlich unerfreulichen Verlauf zu nehmen wie im Vorjahr, als die Konkurrenz früh und ausdauernd enteilte.

So weit haben es die Bayern zumindest gestern Abend nicht kommen lassen: Mit einem ungefährdeten 2:0 (0:0) über den aktuellen Tabellenführer VfL Wolfsburg schoben sie sich bis auf einen Punkt an das bisherige Überraschungsteam heran, das in München alles vermissen ließ, was es bisher ausgezeichnet hatte.

"Ich weiß auch nicht, was heute war", sagte Wolfsburgs Trainer Erik Gerets, "wir waren heute total chancenlos." Die Tore für die Bayern erzielte der lange vermisste Stürmer Claudio Pizarro, der mit seinen beiden ersten Meisterschaftstoren die Angriffsprobleme des Rekordchampions auf einen Schlag behoben hat. "Das Spiel ist super gelaufen für mich", sagte Pizarro später erleichtert, "für uns alle geht es jetzt richtig los."

Wie ein dressierter Hund

Das gestrige Gastspiel der Wolfsburger erinnerte an die vielen Versuche von Bayer Leverkusen, mit einem forschen Auftritt im Olympiastadion die nationale Hierarchie zu erschüttern. Ob deren Reiseleiter nun Christoph Daum hieß oder später Klaus Toppmöller, stets stellten sich die Werkssportler mit komfortabler Ausgangsposition vor - und jedes Mal besiegte sich Bayer 04 selbst, mit hasenfüßigem Fußball oder unvergessenen Pannen. Der VfL, die zweite Betriebssportgruppe der Liga, wirkte lange antriebslos wie ein stillgelegter VW Käfer. In der kühlen Herbstatmosphäre gefror vor allem die südamerikanische Spiellaune von Andrés D'Alessandro, Wolfsburgs Spielgestalter kam kaum zum Zuge.

Womit ein taktischer Winkelzug von Bayern-Coach Felix Magath aufging. Zwar verleugnete der einstige Filigran Magath damit irgendwie sein eigenes Ich als geborener Zehner, denn er hatte den Dauerläufer Hargreaves damit beauftragt, D'Alessandro zu beschatten. Und Hargreaves gehorchte wie ein dressierter Hund, nur zur Halbzeit genoss der Argentinier ein paar Freiheiten.

Hargreaves' Beharrlichkeit war ein Schlüssel zum Erfolg, denn die Münchner okkupierten somit früh das Mittelfeld. Besonders Bastian Schweinsteiger übernahm in Abwesenheit des Vordenkers Ballacks viel Verantwortung und glänzte mit einigen genialen Vorstößen. Bereits nach sechs Minuten schüttelte der Tempodribbler den früheren Bayern-Profi Thiam mit einer Körpertäuschung ab und forderte Jentzsch aus 20 Metern. Der VfL-Keeper lenkte den Ball soeben noch - brillant - an die Latte.

Überhaupt versuchten es die Bayern zu Beginn aus allen Lagen und dokumentierten damit ihre Entschlossenheit. Die wegweisende Führung ebnete Schweinsteiger allerdings nicht mit einem Schuss Gewalt, sondern mit Gefühl und Übersicht. Auf links erhielt er den Ball und tanzte drei Gegner aus, ehe er Pizarro mit einem gescheiten Kurzpass die Kugel überließ. Der lange verletzte Peruaner schoss trocken ins Eck zum 1:0 (24.).

Nach diesem unerfreulichen Erlebnis war auch der letzte Widerstand der Gäste gebrochen, und die Bayern zeigten auch im fünften Heimspiel unter ihrem neuen Trainer eine altbewährte Tugend: Sie dominierten kontrolliert. Der Ball lief dabei allerdings sehr präzise durch die Reihen, die Zweikämpfe gingen in der Mehrzahl an die Münchner, vor allem die Hinterreihe mit Kovac und Lúcio im Zentrum verstand wenig Spaß. So kam allein Klimowicz zu mehr oder weniger vagen Chancen (43./54./69.), und Oliver Kahn konnte erst nach gut einer Stunde - bei Brdaric' harmlosem Kopfball - eine Rolle seitwärts zeigen.

Lautstarker Empfang für Scholl

Zu diesem Zeitpunkt war die Partie im Grunde entschieden, denn wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff stand Claudio Pizarro ein zweites Mal goldrichtig. Nach einer Freistoßflanke von Hargreaves hielt er im Fünfmeterraum den Fuß hin, während sein fahriger Begleiter Quiroga in den Dreck sank (45.). Nach dem Wechsel wirkte der VfL Wolfsburg zwar etwas schwungvoller, aber nicht tabellenführerwürdig - und in Gefahr geriet der Bayern-Erfolg nicht mehr.

Den lebendigsten Moment aus Münchner Sicht bedeutete die lautstark gefeierte Einwechslung von Mehmet Scholl, der in den letzten 20 Minuten noch ein paar hübsche Haken zeigen sollte. Von den Kollegen war nicht mehr viel zu erwarten, sie verwalteten souverän den Vorsprung. Ganz nach Bayern-Art.

© Süddeutsche Zeitung vom 27.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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