FC Bayern:Ein Spitzenspiel ohne Zehner

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Der Bundesliga-Gipfel Meister gegen Erster findet ohne Zehner statt - weil die Bayern keinen Strategen klassischer Prägung haben und weil Schalkes Spielmacher Lincoln gesperrt ist. Wie aber kompensieren beide dieses Kreativloch im Mittelfeld?

Moritz Kielbassa

Den Bayern gelingt es mal besser, mal schlechter. Ihr Hauptproblem hat auch Ottmar Hitzfeld nicht über Nacht weggezaubert. Gegen kompakt verteidigende Klubs rennen sich die Münchner fest, zuletzt beim 0:1 in Frankfurt, als die Eintracht mit einem defensiven 3-5-2-Block die eigene Hälfte verbaute und aufs Neue Bayerns spielerische Mängel bloßlegte.

Dann fehlen Torgefahr und Ideen aus dem Mittelfeld, es fehlt ein Ballverteiler für die öffnenden Pässe im engen Raum; ein Dribbler, der Löcher in ein dichtes Abwehrnetz reißt oder außen bis zur Grundlinie läuft und flankt (wie früher Zé Roberto) - und es fehlt ein Bannbrecher wie Ballack, der auch bei Standards und Kopfbällen verlässlich war.

Grundmuster der Nationalelf

Aus dem verfügbaren Personal bastelte Hitzfeld zuletzt das Bestmögliche: ein stimmiges 4-4-2, ähnlich dem Grundmuster der Nationalelf, mit kurzen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen, mit höherem Spieltempo als unter Magath und bisweilen mit aggressivem Forechecking.

Im zentralen Mittelfeld halten Hargreaves (auf der Sechser-Position) und van Bommel bei Ballbesitz des Gegners engen Kontakt zu den Innenverteidigern, denn auffällig viele Tore kassierte Bayern diese Saison nach Steilpässen durch die Mitte - ein klares Indiz für wunde Schnittstellen.

Bei Ballgewinn kurbelt oft van Bommel die Angriffe an, er ist nach gängiger Zahlenlehre aber mehr ein kraftvoll marschierender Achter als ein kreativer Zehner, einer, der auch stramm aus der zweiten Reihe schießt. Auf den Außenbahnen sollen die Flügelpärchen für Überzahlangriffe und Flanken sorgen, was zuletzt Lahm und Schweinsteiger links gegen Bremen vorzüglich gelang, in Frankfurt aber auf beiden Seiten vermisst wurde.

Auch Sagnol und Salihamidzic enttäuschten rechts. Im Sturm umkreist Podolski wie im Nationalteam meist in weiten Radien den anderen Stürmer (Makaay oder Pizarro), häufig lässt er sich dabei am Zehnerloch des Mittelfelds fallen. Gegen Bremen zeigten die Bayern so ihr bestes Heimspiel seit langem.

Tabellenführer Schalke fängt das Fehlen von Lincoln meist mit einem variablen 4-3-3-System auf. Vor der Winterpause, als der Brasilianer verletzt war, funktionierte das bestens. Die drei im Mittelfeld - in wechselnder Besetzung Kobiashvili, Ernst, Bajramovic, Varela oder Hamit Altintop - agierten laufstark und defensiv stabil, variantenreich wurden die Räume genutzt, oft überraschend die Seiten gewechselt.

Kuranyi glänzte

Schnell und schnörkellos setzte man die drei Stürmer in Szene, wobei Kuranyi vorne auch als Vorlagengeber glänzte und Lövenkrands vor allem bei Kontern seine Stärken ausspielte. Lincoln vermisste niemand, anders jedoch in der Rückrunde, als Lincoln zu Beginn die genialen Akzente setzte und seit seiner Rotsperre die Angriffsbemühungen oft umständlich und uninspiriert wirkten. Auch zuletzt beim 1:0 gegen Stuttgart kamen Impulse erst, als ein neuer Stürmer (Larsen) eingewechselt wurde und der junge Özil von vorne auf die Zehnerposition ins Zentrum rückte.

In München dürfte Schalke eine ähnliche Strategie wählen wie beim beeindruckenden 2:0 Anfang Februar in Bremen: hinten kompakt gestaffelt, mit zielstrebigen Kontern und viel Torgefahr bei Standards. Auch ohne Hightech-Analysen am Laptop war in den letzten Wochen die Anfälligkeit der Bayern-Abwehr bei hohen Flanken offensichtlich.

Kevin Kuranyis Kopfballwucht könnte daher ein entscheidender Schalker Pluspunkt sein. Neben ihm werden Halil Altintop und Rückkehrer Lövenkrands als Außenstürmer erwartet. In der Mitte war Schalkes Sechser Fabian Ernst bisher am effektivsten als Bewacher eines gegnerischen Spielmachers, sein Ausschalten von Diego war der Schlüssel zum Sieg in Bremen. Doch beim FC Bayern wird er einen Zehner wie Diego nicht finden.

© SZ vom 31.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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