FC Bayern:Die Angst ist fort

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Mit forschem Auftreten nach der Ankunft überrascht der FC Bayern die Spanier.

Von Andreas Burkert

So sind die Deutschen, stets überpünktlich, wie gestern auch der FC Bayern. Um 12.59 Uhr betrat die Münchner Delegation spanischen Boden, etwas früher als angekündigt war ihr Airbus DLH 4424 auf dem Madrider Flughafen gelandet.

Wegen der berühmten Gäste stellte der spanische Zoll prompt seine Arbeit ein, während draußen im Terminal 1 drei Dutzend Kamerateams in Stellung gingen. Den ersten Passagier im dunkelblauen Klubsakko haben sie allerdings unbemerkt passieren lassen, es war der zweite Torwarttrainer Bernd Dreher.

Tragischer Darsteller

So unerkannt kam Oliver Kahn nicht am Empfangskomitee vorbei, der tragische Hauptdarsteller des ersten Duells mit Real vor zwei Wochen musste von der spanischen Nationalpolizei vor aufdringlichen Bewunderern geschützt werden. Den deutschen Nationaltorwart hat der Rummel aber ziemlich kalt gelassen, einige Male hielt er sogar an und schrieb Autogramme. Die Spanier wunderten sich.

Der Empfang für Kahn und seine Kameraden wird heute Abend im Estadio Santiago Bernabeu nicht ganz so freundlich ausfallen, wenn sich der FC Bayern vor 74 000 Zuschauern um den Einzug ins Viertelfinale der Champions League bemüht. Die Stimmung werde "sicher recht aufgeheizt" sein, ahnt Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld, ein anerkannter Realist.

Viel ist hier zuletzt geschrieben worden über die angeblich bösen Menschen aus München, zu viel - und vor allem ziemlich stillos, wie Manager Uli Hoeneß findet. Weshalb er nach der Ankunft im Teamhotel unangemeldet die offizielle Pressekonferenz aufsuchte. Hoeneß hatte einen Zettel dabei, er verlas eine offizielle Stellungnahme, deren Inhalt an die spanische Sportzeitung Marca gerichtet war.

Buntes Blatt

Das bunte Blatt hatte den Landsleuten in den letzten zwei Wochen fast täglich mitgeteilt, der FC Bayern München habe bei der nachträglichen Sperre gegen Reals Linksverteidiger Roberto Carlos durch die Uefa (zwei Spiele wegen einer Tätlichkeit gegen Bayern-Profi Demichelis) seine Finger im Spiel gehabt. Ein Kolumnist von Marca überschritt dabei die letzten Grenzen des Anstands und formulierte, Carlos könne von Glück sagen, nicht in der Gaskammer gelandet zu sein.

Hoeneß bezeichnete dies gestern vor der internationalen Presse als "eine Entgleisung journalistischer Art, wie ich sie in 25 Jahren noch nicht erlebt habe". Er bestritt jede Form der Einflussnahme in der Causa Carlos und wies diese Unterstellung auch bezüglich der Untersuchung durch die EU-Kommission zurück, die wegen Reals Grundstückhandel mit der Stadt Madrid ermittelt. Schließlich forderte Hoeneß Marca auf, sich öffentlich zu entschuldigen.

"Wir lassen uns unsere guten Beziehungen von niemandem kaputt machen", sagte er, "denn wir sind wirklich gute Freunde." Dass dieser Vorstoß die Atmosphäre des Rückspiels befrieden wird, ist eher nicht anzunehmen, doch der FC Bayern ist sowieso gewillt, sich nicht einschüchtern zu lassen. Weiche Knie sind am wenigsten bei Roy Makaay zu erwarten, der seit gestern 29-jährige Niederländer irritierte seine Gastgeber mit seiner Einschätzung, Real sei "absolut schlagbar".

Madrid heimstark

Natürlich, Madrid sei heimstark, ergänzte er, doch Real fehlten Ronaldo und Carlos, "zwei wichtige Spieler, und Raúl ist nach seiner Verletzung sicher auch nicht ganz fit". So etwas nennt man Selbstbewusstsein, und dieses hat längst auch den zurückhaltenden Ottmar Hitzfeld erreicht. Zwar spricht er von "einer Sensation für den Fall, dass wir Real auf eigenem Platz rauswerfen".

Doch das Gegenteil ist für ihn noch unwahrscheinlicher: "Ich gehe davon aus, dass wir weiter kommen." So weit mochte Hoeneß nicht gehen, doch besorgt wirkte er auch nicht, als er die sportliche Ausgangslage bewertete: "Es ist doch ganz normal, dass wir hier nach den letzten Leistungen mit breiter Brust ankommen. Für Arroganz und Übermut gibt es keinen Grund - für Angst aber noch viel weniger."

Willy Sagnol hat das verstanden, der Franzose will trotz Armbruchs spielen, "unbedingt". Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nannte seinen Einsatz "medizinisch unbedenklich". Den mit fünf Schrauben fixierten Knochen soll ein Gips auf Fiberglas schützen. Referee Urs Meier hat das Modell abgesegnet.

Und so sind alle bereit für ein Spektakel, allen voran Kahn. Er kennt die hitzige Atmosphäre im Bernabeu, und er liebt sie. "In Madrid", sagte er, "das waren doch immer Fußballfeste."

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Madrid: Casillas - Michel Salgado, Helguera, Pavon, Raul Bravo - Guti, Beckham - Figo, Zidane, Solari - Raúl.

München: Kahn - Sagnol, Kovac, Kuffour, Lizarazu - Hargreaves, Ballack, Demichelis, Zé Roberto - Pizarro, Makaay.

Schiedsrichter: Urs Meier (Schweiz).

© SZ v. 10.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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