FC Bayern:Der Erbfeind

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Warum Real Madrid die Abneigung gegen den FC Bayern pflegt.

Von Ludger Schulze

Mit beiden Beinen, als wolle er eine brennende Zeitung austreten, sprang der kleine Mann auf seinen am Boden liegenden Gegner und landete mit dem Fußballschuh in dessen Gesicht, auf der linken Wange unterhalb der Schläfe.

Erstaunlicherweise hielt der Knochen, Lothar Matthäus muss einen gesunden Kiefer haben. Nur ein paar Striemen und eine deftige Prellung trug der Mittelfeldspieler davon - und einen gehörigen Schrecken. "Der will mich umbringen", sei sein Gedanke gewesen, erzählte Matthäus eine Stunde nach dem Abpfiff, als der Real-Spieler abhob in der unverkennbaren Absicht, ihm eine schwere Verletzung zuzufügen.

Himmelschreiend

Es war ein himmelschreiendes Foul, wie man es selbst im Fußball nur alle zehn Jahre zu sehen bekommt, aber in diesem Spiel war es eine logische Konsequenz des schwelenden Hasses, der sich derart eruptiv entlud.

Juanito, eigentlich ein feiner, nicht mal 1,70 m großer Dribbelfürst, der auch für die spanische Nationalmannschaft aktiv war, wurde für seine Untat von der Fußballjustiz für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Eine zivile Strafe blieb ihm erspart, weil Matthäus damals im April 1987 keine Anzeige erstattete.

Der FC Bayern gewann dieses Spiel im Europapokal der Landesmeister 4:1 und zog ins Finale ein nach einem 0:1 im Rückspiel, in dem es unwesentlich vornehmer zugegangen war. Noch vor dieser Partie hatte der Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff vollmundig erklärt, den Begriff Angst kenne er nicht, nach wenigen Minuten des Spielbetriebs aber war er aufgebracht aus dem Strafraum gerannt, in dem zwei Messer steckten und eine Leuchtrakete, eine Eisenstange sowie so viele Steine gelandet waren, dass man damit eine Garageneinfahrt hätte anlegen können.

Pfaff hatte Angst

"Ich geh nicht mehr in das Tor", sagte Pfaff zum Schiedsrichter, "ich habe Angst." Eine unrühmliche Rolle spielte der Strafraum-Guerillero Hugo Sanchez, der Klaus Augenthaler in den Unterleib trat, worauf dieser dem Mexikaner mit der Faust in den Nacken schlug - und des Feldes verwiesen wurde.

Das Wort Hass habe im Sport keine Heimat, behaupten Idealisten, die Realität der Begegnungen zwischen dem erfolgsüberschütteten spanischen Dauer-meister Real Madrid und seinem deutschen Gegenentwurf FC Bayern beweist das deprimierende Gegenteil.

Seit dem fünfmaligen Gewinn der wertvollsten europäischen Klub-Trophäe in den späten fünfziger Jahren versteht sich Real als einzig wahrer Interpret der schönen Fußballkünste; Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas oder Francisco Gento und ihr "weißes Ballett" verzauberten mit einem bedingungslos offensiven Stil von unnachahmlicher Anmut, der Abwehr- "Arbeit" nahezu überflüssig machte.

Darauf glaubt Real Madrid ein Patent zu besitzen, und wer es wagt, die "Königlichen" in den Staub zu werfen, versündigt sich nach deren Verständnis an der reinen Lehre.

Permanenter Rachefeldzug

Dem FC Bayern gelang dies öfter und schmerzhafter als jedem anderen Klub. Dem Lustprinzip von Real setzten die Münchner meist kühlen Pragmatismus entgegen, der Zweck heiligte die Mittel und hinterließ bei den Madrilenen die Wut der vermeintlich Gerechten darüber, von einem vermeintlichen Satan bezwungen worden zu sein: die Kraft des Geistes unterliegt raffinierter Zerstörungskraft.

So hat sich der FC Bayern in der Riege der Real-Erbfeinde den internationalen Spitzenrang neben den innerspanischen Opponenten Atletico Madrid und CF Barcelona erkickt. Nicht umsonst belegen die Real-Fans den Verein mit einem Schauder erregenden Namen: "bestia negra", die schwarze Bestie.

Die tiefe, fast verschüttete Ursache ist verbunden mit dem 5. August 1980. Direkt aus dem Sommer-Urlaub kommend traten die Madrilenen zu einer Begegnung im Olympiastadion an, die als "Freundschaftsspiel" deklariert war. Vor 30000 Zuschauern wurden die Weltstars in Weiß um den spanischen Nationalmittelstürmer Santillana vorgeführt, die Tore fielen in so kurzen Abständen, dass der Schiedsrichter Mühe hatte, alles korrekt zu notieren. Bayern-Rammbock Dieter Hoeneß ließ sich zur Halbzeit auswechseln, nachdem er bereits drei Treffer erzielt hatte.

Versäumnisse

Da stand es 7:0, was laut SZ-Bericht ungenügend war, weil vor allem Dremmler und Kraus einen zweistelligen Pausenstand versäumten. Danach schickte Trainer Pal Csernai seine Reserve aufs Feld, die am Ende 9:1 obsiegte - ein Ergebnis, das den diplomatischen Usancen Hohn lacht, weil eine solche gegnerische Schwäche unter Spitzenklubs in Trainingsspielchen nicht ausgenutzt wird.

Gut möglich, dass die Spanier, die mit allem Recht als überaus stolz und ehrpusselig gelten, das nackte Resultat längst vergessen haben, Reals kollektives Unterbewusstsein aber hat die Demütigung keineswegs verdrängt.

Als Speerspitze des permanenten Rachefeldzuges hat sich bis heute Marca bewährt, jene Zeitung, die den für zwei Spiele gesperrten Real-Spieler Roberto Carlos jüngst beglückwünschte, dass er "nicht in die Gaskammer geschickt" worden sei. Inzwischen hat das Blatt den Boden blanken Wahnsinns verlassen und dafür die Räumlichkeiten des FC Bayern betreten. In der Säbener Straße 51 haben sie unter einer Treppe einen neuen Skandal entdeckt.

Profaner Ort

An diesem profanen Ort versteckt steht ein 170 cm großes, 110 cm breites und 67 Kilo schweres Ungetüm, die Trofeo San Bernabeu, ein Geschenk Reals an den Gewinner seines Jubiläumsturniers.

Dies allein ist ein Affront. In die Nähe eines Kriminalakts aber rückt die Sache offenbar dadurch, dass die "bestia negra" sich nicht geniert, wie Marca notiert hat, ein Andenken von Atletico Madrid in die richtige Pokal-Vitrine zu stellen.

© SZ v. 10.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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