FC-Bayern Basketball:Aus gutem Haus

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Vater Joey war eine Sprungikone, Onkel Dennis stand fünfmal im All-Star-Team der NBA: Für Nick Johnson war die Berufswahl naheliegend. Nun soll der neue Spielmacher das Münchner Team entlasten und anleiten.

Von Philipp Schneider

Wow, habe er gedacht, sagt Nick Johnson, "wow, they can play!" Dazu blickt er aus großen Augen in die Runde, er meint das offenbar ernst. Johnson, 23, sitzt am Mittwoch auf einem Sessel in den Katakomben der Münchner Basketball-Arena. Zum ersten Mal spricht er nun über den Basketball einer Mannschaft, die auf ihn gewartet zu haben schien, als sei er das fehlende Element auf dem Weg zu Meisterschaft und Pokalen. Beim 82:70 des FC Bayern am Samstag gegen Tübingen hat Johnson seine neuen Mannschaftskollegen erstmals in Aktion erlebt, und was er sah, das hat ihn ein bisschen an seine Zeit auf dem College erinnert, dem er ja erst seit zweieinhalb Jahren entwachsen ist. "Viel Defensive, viel Ballverteilung", hat Johnson gesehen. In der nordamerikanischen Profiliga NBA werde "eher egoistisch gespielt. Ich wusste, in Europa ist man weniger eigensinnig. Das ist meine Art Basketball". Wow, they can play.

Im Internet kann man sich Videos ansehen, die Johnsons Art von Basketball zeigen. Meist sieht man ihn dort bei Sprungeinlagen. Auf einem Clip ist zu sehen, wie er zum Dunking hochsteigt, wie er zu fliegen beginnt und gar nicht mehr landen möchte, wie er schließlich über dem staunenden Tim Ohlbrecht gleitet und mit der linken Hand den Ball durch die Reuse hämmert. Als 47 Inches, also 119 Zentimeter, wurde Johnsons vertikales Sprungvermögen gemessen. Ein beachtlicher Wert. Wenngleich der noch um 13 Zentimeter niedriger ausfällt als die 52 Inches seines Vaters. Der gewann Ende der Achtziger reihenweise Slam-Dunk-Wettbewerbe in den USA, von denen nahezu surreale Aufnahmen überliefert sind: "Jumping Joey Johnson" war berühmt dafür, dass er trotz seiner gerade einmal 1,95 Meter Körpergröße so hoch hüpfte, dass er mit der Nasenspitze den Korbring berühren konnte - aus dem Stand wohlgemerkt. Die Los Angeles Times kürte ihn zu einem der legendärsten "Leaper", also Springer, in der Geschichte des Basketballs - an der Seite der Sprungikonen Michael Jordan und Wilt Chamberlain. Und doch verblasst Jumping Joeys Glanz noch neben dem seines Bruders.

Dennis Wayne Johnson, Nick Johnsons Onkel, wurde zwischen 1979 und 1985 fünf Mal in das All-Star-Team der nordamerikanischen Profiliga NBA gewählt. Er gewann eine Meisterschaft mit den Seattle SuperSonics und zwei weitere mit den Boston Celtics. Larry Bird bezeichnete den 1,93 Meter großen Guard als "besten Basketballer, mit dem ich je spielen durfte". Der Ruhm seiner Verwandten sei eine gute Sache, sagt der vorerst nur Insidern bekannte Nick Johnson. Er helfe, "meinen Namen relevant zu halten". Die eindeutigen Berufswahlen in seinem familiären Umfeld hätten in jedem Fall bewirkt, dass er aufgewachsen sei als "einer, der immer wusste, was er werden wollte", sagt Nick Johnson. Basketballprofi, logo. Und klar, am liebsten in der NBA.

Bis dahin ist es vermutlich ein weiter Rückweg, das weiß Johnson selbst. Die Bayern haben ihn für ein Jahr verpflichtet, nachdem er bei den Orlando Magic keinen Vertrag mehr bekommen hatte. In der Vorsaison hatte Johnson noch bei den Houston Rockets gespielt. Sein Abschied aus der besten Liga der Welt sei allerdings nicht als Scheitern zu werten. "Mein Weg ist ungewöhnlich für einen gedrafteten Spieler. Aber ich reiße mir jeden Tag den Hintern auf, um etwas zu erreichen."

In München wird er die Aufgaben eines Spielmachers übernehmen, auch wenn er kein klassischer Point Guard ist, sondern neben Anton Gavel, Reggie Redding und Alex Renfroe bereits der vierte variable Combo Guard im Team von Trainer Sasa Djordjevic. "Johnson hat den Körper von Anton, den Instinkt von Renfroe und den Kopf von Reggie. Er ist eine Mischung aus allen drei", sagt Sportchef Marko Pesic. "Wichtig ist, dass er ein guter Junge ist."

Abgesehen von diesen charakterlichen Vorzügen besitze er "eine sehr gute Verteidigung am Ball. Er hat unglaublich lange Arme und vergleichsweise kürzere Beine". Das klingt nicht nett, für einen Guard aber ist es ein Kompliment. Johnsons Körperschwerpunkt liegt sehr weit unten, was ihn agiler in der Verteidigungsarbeit macht.

Dafür, dass Johnson erst 23 ist, wird einiges von ihm erwartet. Schließlich hatte Trainer Djordjevic den einen Spieler, der noch kommen sollte, vor Wochen als "Schlüssel" zum möglichen Erfolg in dieser Saison bezeichnet. Nun ist der Spieler da, das mit dem Schlüssel allerdings nicht mehr allzu hoch zu hängen. Gemeint sei gewesen, sagt Pesic, dass Johnson der Mannschaft helfen werde, indem er für Entlastung sorgt. "Alex Renfroe wird besser spielen und Anton Gavel wird mehr Zeit haben, sich zu erholen." In jedem Fall wird Nick Johnson für einige sehenswerte Flugeinlagen sorgen. Dafür muss er ja nicht einmal den Korbring mit der Nase berühren wie einst Papa Jumping Joey Johnson.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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