FC Bayer - 1. FC Nürnberg:Einsam spitze

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Luca Toni trifft am Anfang und am Ende: Hoch überlegene Bayern besiegen den 1. FC Nürnberg 3:0.

Auf diese Idee ist bisher noch keiner gekommen. Viele haben sich ja schon den Kopf darüber zerbrochen, was man gegen diesen neuen FC Bayern unternehmen könnte, und die Idee, die Nürnbergs Torwart Jaromir Blazek am Sonntagabend entwickelte, gehört mit Sicherheit zu den charmantesten.

Wenn die Bayern zu schnell werden, was spricht dann dagegen, die betreffenden Szenen einfach noch mal in Zeitlupe nachzuspielen?

Jaromir Blazek hat in der 31. Minute zunächst entschuldigend die Hände gehoben, tut mir leid, ihr Mitspieler, sollte das wohl heißen. Und dann hat er noch zwei Trockenübungen angefügt, einmal, zweimal hat er so getan, als würde er einen Ball zur Seite fausten. Ich weiß, ich weiß, so hätt' ich's machen sollen, hieß das, aber da war es schon zu spät.

Aus kleinen Situation große Kunst machen

Als Hamit Altintops Ball vorher im realen Leben geflogen kam, hatte er ihn nur zur Seite gepatscht, das darf man erstens sowieso nicht machen und zweitens schon gar nicht gegen eine Elf, deren Mittelstürmer Luca Toni heißt. Wieder mal zeigte der Italiener, dass er aus kleinen Situationen große Kunst zu machen versteht. Ja, es war nur ein Abstauber - aber der Winkel war spitz, und Toni tat eben das, was viele Stürmer in dieser Situation nicht tun.

Er staubte nicht flach ab, er schoss im Fallen unter die Latte - fast langweilig zu sagen, dass es schon wieder das 1:0 war, das Toni erzielte. Kann der Mann eigentlich auch unwichtige Tore?

Es hat sich inzwischen so eingespielt, dass sich der FC Bayern von Luca Toni in eine Partie hineinschießen lässt, und so war es auch diesmal, beim attraktiven 3:0 (2:0) gegen einen deutlich unterlegenen 1.FC Nürnberg. "Ich habe mich gefreut, dass wir das Spiel von der ersten Minute an im Griff hatten", formulierte Trainer Ottmar Hitzfeld nüchtern, während Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge eine Mannschaft gesehen hatte, "die sich an sich selbst berauscht".

Wir schauen nur auf uns

Am Anfang der Saison wussten die Bayern ja noch nicht so recht, ob sie etwas anfangen könnten mit dem ungewohnten Sonntags-Termin, der ihnen als Uefa-Cup-Starter häufiger blüht, als ihnen lieb ist. Die Frage war: Stört es die Bayern, wenn sie auf die Ergebnisse der Konkurrenz reagieren müssen?

Schon jetzt drängt sich aber die Frage auf: Welcher Konkurrenz? Die Bayern stehen schon jetzt einsam an der Spitze, fünf Punkte vor dem KSC und sechs (Werder, HSV) bzw. sieben (Schalke) Zähler vor jenen Rivalen, die als wirklich ernsthaft gelten.

Nach der Länderspielpause geht's nach Bochum - es ist gerade Oktober, und schon starrt die Liga mit einem mittelgroßen Fernglas in die Herbstlandschaft. Wer jetzt die größten Konkurrenten seien, wurde Hitzfeld gefragt. "Wir schauen nur auf uns", sagte er, während sich Rummenigge erneut für die farbigere Formulierung entschied: "Wir haben in der Tabelle jetzt ein bisschen Speck gegenüber der Konkurrenz angesetzt."

Dieses Spiel war der größtmögliche Gegensatz zu jenem bayerischen Duell, das im Februar in Nürnberg stieg, bei Ottmar Hitzfelds Rückkehrdebüt. Damals hatten freche Nürnberger überforderte Bayern auseinandergenommen (3:0), aber es hat sich viel getan seitdem.

Nicht nur, dass der FC Bayern Spieler eingekauft hat, die den Unterschied ausmachen - im gleichen Maße, in dem die individuelle Qualität der Bayern gestiegen ist, ist jene der Nürnberger gesunken. Der Club hatte erneut nur eine Hilfself am Start - ohne Vittek und Pinola, dafür mit einem Saenko, der seiner Form so weit hinterherläuft wie der FCB im Februar.

"Die Bayern waren in allen Belangen überlegen und haben mit uns, wie man so sagt, Scherz gespielt", sagte Club-Coach Hans Meyer. Er hat nicht mehr viele personelle Möglichkeiten, Hitzfeld dagegen hatte trotz des Ausfalls von Miroslav Klose noch eine sehr anständige Auswahl.

Im Mittelfeld hatte er sich für eine Miniatur-Rotation entschieden und Andreas Ottl ins Team genommen - ein freundliches Zeichen an den zuletzt etwas unzufriedenen jungen Mann, mit dem der FC Bayern gerade in Vertragsverhandlungen steht. Lukas Podolski ließ Hitzfeld auf der Bank - stattdessen durfte der freischaffende Ribéry hinter und neben Luca Toni kreiseln, und als Hitzfeld das Kreiseln zu viel wurde, bestellte er den Künstler nach 20 Minuten zu sich.

Von da an kam Ribéry verstärkt über links, was Nürnbergs sonst so soliden Innenverteidiger Andreas Wolf nachhaltig verwirrte. Er verlor völlig die Orientierung und wurde von Meyer nach 29 Minuten strafhalber ausgewechselt.

Es war die Zeit, als die Bayern ernst machten. Bis dahin hatten die tief stehenden Nürnberger aggressiv und kompakt verteidigt, aber je mehr die Bayern das Tempo verschärften, umso mehr zerzausten sie die junge Deckung der Gäste.

Hätten Schweinsteiger (27.) und Demichelis (30.) ihre hochkarätigen Chancen genutzt, hätte Toni gar nicht mehr das 1:0, sondern ausnahmsweise das 3:0 schießen müssen. So aber konnten die Nürnberger dankbar sein, dass es zur Pause nur 2:0 stand - nach einem Treffer des überragenden Zé Roberto (40.), der mit Schweinsteigers Hackentrick auf und davon ging.

Auch das einfache Tor im Repertoire

So wurde diese Partie auch zum Therapiespiel für Sorgenkinder wie Schweinsteiger, der sich so lange ansehnlich fürs Länderspiel warmspielte, bis er abbaute - wie die ganzen Bayern, die sich etwas aus dem Spiel zauberten.

Nach der Pause sah es so aus, als hätten die Münchner intern einen Wettbewerb ums schönste Tor ausgerufen - sie spielten weiter ansehnlich, verloren aber die klare Linie und gestatteten dem Club ein paar Gelegenheiten. "Wenn die Nürnberger in dieser Phase treffen, kann es sogar noch mal knapp werden", mahnte Hitzfeld. Naja.

Kurz vor Schluss zeigten die Bayern dann aber, dass sie auch das einfache Tor im Repertoire haben. Eine Ecke von Zé Roberto wurde eingeköpft von: jawohl, von Luca Toni, der hiermit rechtsgültig unter Beweis stellte, dass er auch unwichtige Tore schießen kann.

© SZ vom 8.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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