Famose Spanier:Endlich wieder Tore!

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Und noch eins: Alvaro Morata (r.) erzielt das 3:0 für Spanien gegen die Türkei. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Spanien liefert beim 3:0 über die völlig überforderte Türkei die bislang überzeugendste Turnierleistung. Auch die Stürmer treffen wieder.

Von Javier Cáceres, Nizza

Als der zweite Sieg bei der EM unter Dach und Fach war, hatten die Spanier noch lange nicht genug. Die Reservisten wurden noch auf den Rasen des Stade de Nice geschickt, dabei ging es längst auf Mitternacht zu. Erst danach ging es im Mannschaftsbus zum Flughafen am Mittelmeer, um ins Teamquartier bei La Rochelle am Atlantik zu fahren, in einem Gefühl tiefempfundener Zufriedenheit über das in jeder Hinsicht völlig souveräne 3:0 gegen die chancenlose Türkei. "Wir haben unser erstes Ziel erreicht: das Achtelfinale. Und dabei haben wir das Spiel fast 90 Minuten lang kontrolliert", sagte Trainer Vicente del Bosque. "Aber wir haben noch nichts erreicht."

Materiell gesprochen ist das tatsächlich so. Denn was ist das schon, ein bereits vorzeitig gesicherter Achtelfinaleinzug? Spanien ist bei dieser EM angetreten, um die 2008 und 2012 errungenen Titel zu verteidigen. Ideell aber hat die spanische Nationalelf durchaus schon etwas erreicht: Die gesamte europäische Presse liegt dem choralen Werk, das die Spanier bei dieser EM aufführen, zu Füßen. "Quelle Fiesta", jauchzte etwa die französische Sporttageszeitung L'Équipe und schwärmte von einer "superben Demonstration" ungeheuerlicher Spielkunst. Und ja: das war sie. Andrés Iniesta, der Systemadministrator mit dem blassen Gesicht, wurde wieder einmal als bester Spieler der Partie ausgezeichnet. 99 Pässe hatte er in 90 Minuten geschlagen, von denen 93 den richtigen Abnehmer fanden - darunter die brillante Vorlage für den allerdings im Abseits befindlichen Linksverteidiger Jordi Alba, der dann den Ball auf Morata zum 3:0 weiterleitete (48. Minute). Es war dies nicht die einzige einschüchternde Statistik, die der Abend hinterließ: Spanien kann nun auf vierzehn EM-Endrundenspiele ohne Niederlage zurückblicken. Seit dem 4:1 gegen Russland bei der EM 2008 gab es elf Siege und drei Unentschieden - bei 28:4 Toren.

Türken in einem Zustand permanenter Konfusion

Vor allem aber erzielen die Spanier endlich Tore in hinreichender Zahl. Dass die Treffer ausschließlich von Spielern aus der vorderen Reihe erzielt wurden, machte den Abend perfekt. Mittelstürmer Álvaro Morata von Juventus Turin hatte ja nicht nur nach dem Alba-Pass zum 3:0 verwertet, sondern in der 34. Minute auch das 1:0 geköpfelt, nach Flanke von Sturmpartner Nolito von Celta de Vigo, der wiederum das 2:0 geschossen hatte (37.). Im ersten Spiel hatte noch Innenverteidiger Gerard Piqué gegen die Tschechen treffen müssen - und die schon vorher schwelenden Debatten um die Treffsicherheit der Spanier weiter angeheizt. "Diese Mannschaft hat Torgefahr, man muss nur Geduld haben", sagte Nolito.

Insgesamt war die Vorstellung gegen die Türken so überragend, dass sie auch kaum dadurch relativiert werden konnte, dass der Gegner anders als die ultradefensiven Tschechen zuvor Räume ließ. Die gesamte spanische Offensivabteilung war gegen die Türken weit weniger statisch als zuvor, sie wirbelte die Türken nach einer zehnminütigen Orientierungsphase in einen Zustand permanenter Konfusion, den die Stürmer ausnützten. "Ich finde schon, dass wir genug Spieler mit Torgefahr haben", sagte Iniesta und nannte Morata, Nolito, Silva, Aduriz sowie Pedro. "Wir haben einen sehr klar definierten Stil, und wenn die Gegner sich hinten reinstellen, fällt es uns schwer, Torchancen zu kreieren", fügte er hinzu. Del Bosque sagte, es sei ihm persönlich nur Recht, wenn sich die Gegner einigeln. "Wir wollen immer in der gegnerischen Hälfte spielen."

Kein Interesse an Platz zwei

Das wird am Dienstag beim abschließenden Gruppenspiel in Bordeaux gegen Kroatien nicht anders sein. Ein Punkt würde den Spaniern genügen, um sich den Gruppensieg zu sichern. Del Bosque sagte, er habe noch nicht entschieden, ob er gegen die Kroaten vornehmlich die Ersatzkräfte zum Einsatz bringt, die er in Nizza zur Nachtschicht antreten ließ - man habe sich mit den möglichen Szenarien noch nicht beschäftigt.

Angesichts der Lage in den anderen Gruppen dürfte aber unwahrscheinlich sein, dass die Spanier noch Interesse am zweiten Platz in der Abschlusstabelle entwickeln. Als Gruppensieger würde man wohl zumindest im Achtel- und Viertelfinale Mannschaften wie Frankreich, Italien oder Deutschland aus dem Weg gehen - vorausgesetzt, diese Mannschaften werden wirklich Sieger in ihren jeweiligen Gruppen.

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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