Familie Ancelotti:Mit Stoppuhr in den Pyjama

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Treffen auf der Bayern-Bank: Vater Carlo mit Sohn Davide Ancelotti. (Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Vater Carlo ist der Trainer, Sohn Davide sitzt als Assistent ebenso auf der Bank der Bayern. Kuriose Einblicke in das familiäre Betriebsklima.

Von Birgit Schönau, Rom

Seit Carlo Ancelotti die Bayern trainiert, ist der Klub noch ein bisschen familiärer geworden: Ancelottis Sohn Davide ist Assistenztrainer, Schwiegersohn Mino Fulco Ernährungsberater, Carlettos alter Freund Giovanni Mauri für die Fitness zuständig und dessen Sohn Francesco folgerichtig Fitnesstrainer. Über Ancelottis Eigenheit, Kind und Kegel bei seinem jeweiligen Arbeitgeber unterzubringen, hatten sich schon Spaniens Medien gewundert, als die "Banda Ancelotti" einst bei Real Madrid wirkte. Sohn Davide war auch bei Paris St. Germain dabei gewesen, die Anstellung als Fitnesscoach war sein erster Job nach dem Abschluss des Sport-Studiums in Parma. Italiens auflagenstärkste Tageszeitung Corriere della Sera hat dem Vater-Sohn-Gespann der Ancelottis jetzt eine ganze Seite gewidmet, innerhalb der Serie "Ich und mein Vater", in der berühmte Söhne über ihre Väter reden oder eben Söhne über ihre berühmten Väter. Anders als im weltbekannten Roman des Russen Turgenjew geht es bei Italiens Vätern und Söhnen nicht um Generationenkonflikte, sondern um Streicheleinheiten. Für Abreibungen ist es ja auch sowieso gerade viel zu heiß.

Carlo scheute keine Mühen, dem Filius auf die Sprünge zu helfen

"Es ist unmöglich, mit Papà zu streiten", bekennt Ancelotti junior und beschreibt ein ausgesprochen inniges Verhältnis: "Ich küsse ihn immer noch." Nur ein einziges Mal habe er den Vater so richtig wütend gemacht, "als ich meinen Lateinlehrer auf dem Gymnasium veräppelt habe". Der Pädagoge wollte den aufsässigen Sohn des damaligen AC-Mailand-Trainers aus dem Klassenzimmer werfen, "da nahm ich einen Block mit Einkaufsgutscheinen eines Supermarktes aus der Tasche. Ich riss einen Schein ab, legte ihn aufs Pult und sagte meinem Lehrer: Kauf dir einen Kamillentee, zur Beruhigung." Die Gutscheine hatte der AC Mailand an seine Angestellten verteilt, und Carlo Ancelotti hatte sie an seine Kinder weitergegeben. Der Coach entschuldigte sich beim Lehrer. Und Davide musste ebenfalls um Verzeihung bitten.

Insgesamt scheint Vater Ancelotti mit seinen Kindern nicht allzu streng gewesen zu sein. Nur beim allabendlichen Anziehen des Pyjamas musste Davide sich beeilen. Carlo stand mit der Stoppuhr daneben, "denn ich war halt nicht der Dünnste und nicht der Schnellste". Also scheute der Vater keine Mühen, dem Filius auf die Sprünge zu helfen: Er brachte ihn bei jedem Arbeitgeber unter. Beim AC Mailand durfte Davide im Jugendteam spielen, mit überschaubarem Erfolg. Beim FC Bayern wurde ihm jetzt der Franzose Willy Sagnol als weiterer Assistenzcoach zur Seite gestellt, angeblich kein Favorit von Carlo, jedoch ein Mann, der im Gegensatz zu Davide Ancelotti selbst Profi war und auch schon selbständig einen Profiklub trainiert hatte.

Über Fußball hat Davide auffällig wenig zu sagen in dem langen Interview mit der Heimatpresse. Vielleicht denkt er darüber ja ähnlich wie der Vater: Taktik ist zweitrangig, wenn nur die Spieler stimmen.

Eine zentrale Rolle spielt im Interview eine teure Uhr. Zunächst berichtet Ancelotti junior von seiner Abschlussprüfung in Parma, zu der beide Eltern buchstäblich eingeflogen seien: "Papà war mit Paris St. Germain im Trainingslager, aber er hat einfach einen Jet gemietet, um zu mir zu eilen. Das Lustige ist, dass auch Mamma eine Cessna gemietet hatte, um noch rechtzeitig zu kommen. Und dann sind beide auf der einzigen Piste des Flughafens von Parma gelandet." Anschließend gab es für den Berufsanfänger Davide gleich einen Super-Job, bei Papàs damaligem Klub.

Die Eltern hätten ihm aber auch noch ein richtiges Geschenk gemacht, nämlich eine Rolex. "Und letzte Weihnachten ist mir die von zwei Transsexuellen vor einer Mailänder Diskothek geklaut worden." Transsexuelle Uhrendiebe! Im Klageton wird Davide weiter zitiert: "Ich mag gar nicht daran denken." Einstweilen nutzt er die heimatliche Presse, um einen kleinen Appell an die Eltern zu senden: "Ich bin nicht unverschämt genug, um sie um eine neue Rolex zu bitten, aber wenn sie mir eine schenken würden, wäre ich glücklich."

Wer sagt, dass Italiener Muttersöhnchen sind, kennt nur die halbe Wahrheit. Es gibt nämlich auch den "figlio di papà". Das ist der Sohn, für den der Vater alle Steine aus dem Weg räumt, alles regelt.

Zu seinem Glück.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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