F91 Düdelingen:"Wir können das echt packen"

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Immer noch elegant am Ball: Marc-André Kruska, einst beim BVB, heute bei F91 Düdelingen, behauptet sich in der Europa League gegen den Ex-Leverkusener Hakan Calhanoglu vom AC Milan. (Foto: Daniele Mascolo/Reuters)

Turbulentes Vierteljahr: Marc-André Kruska, ehemaliger Bundesliga-Profi von Borussia Dortmund, über das dreimonatige Europacup-Abenteuer mit dem luxemburgischen Klub F91 Düdelingen.

Interview von Raphael Weiss

Herr Kruska, der F91 Düdelingen war der erste luxemburgische Verein in einem internationalen Wettbewerb. Düdelingen hat knapp unter 21.000 Einwohner. Wie waren die vergangenen drei Monate?

Marc-André Kruska: Turbulent. Es war ein super halbes Jahr: für mich persönlich, für den ganzen Verein, und ich denke, tatsächlich auch für das ganze Land. Es hatte ja wirklich niemand damit gerechnet, dass wir überhaupt die Quali schaffen und dann, dass wir so eine Gruppe zugelost bekommen.

Am Donnerstag, als ihr Verein gegen Real Betis Sevilla den ersten Punkt in der Europa League erkämpfte, saßen Sie auf der Bank. Wie haben Sie die letzten Minuten erlebt?

Ich habe sehr mitgefiebert. Klar, wenn man so nah dran ist, etwas Historisches zu schaffen, ist die Anspannung natürlich groß.

War das 0:0 ein versöhnlicher Abschied aus der Europa League?

Das war super für uns. Wenn man die ganze Gruppenphase sieht, dann haben wir es einfach verdient, zumindest einen Punkt zu bekommen. Wir haben das gegen Betis echt gut gemacht. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Platzverhältnisse uns entgegenkamen. Gefrorener Boden gegen spanische Mannschaften ist natürlich ein Vorteil.

Europa League Gruppe F: Real Betis Sevilla, AC Mailand, Olympiakos Piräus - und der F91 Düdelingen. Was hatten Sie sich vorher ausgerechnet?

Wir wussten natürlich, dass wir kaum Chancen haben, etwas zu reißen. Aber wir haben eigentlich immer gut mitgehalten - außer gegen Olympiakos. Das war die einzige Mannschaft, die uns wirklich beherrscht, beziehungsweise an die Wand gespielt hat.

Gibt es eines der sechs Spiele, das für Sie mehr in Erinnerung bleiben wird als die anderen?

Boah, ne. Jedes Einzelne war etwas ganz Besonderes, hatte seine Vor- und Nachteile. Bei Olympiakos war die Stimmung unfassbar, aber da haben wir schlecht gespielt. In Sevilla standen vor dem Hotel ein Kind und eine Frau, Trikotsammler, die haben Fotos von Spielern hochgehalten, von denen sie Trikots haben wollten - meines auch. Wenn man so etwas erlebt, gibt man das Trikot natürlich auch gerne her.

Und beim AC Mailand?

Gegen Milan haben wir gut gespielt, aber da hat das Ergebnis nicht gepasst. Im San Siro führen wir 2:1 und verlieren, wirklich mit Pech, 5:2. Aber alleine das Stadion ist ein Highlight. Nur dadurch, dass ich in Deutschland am Anfang meiner Karriere jede zweite Woche in Dortmund gespielt habe, war das für mich auch nicht mehr ganz neu.

Sie debütierten mit 17 Jahren für den BVB in der Bundesliga, machten über 100 Spiele für den Verein. Unter Jürgen Klopp kamen Sie nicht mehr richtig zum Einsatz. Stimmt es, dass Sie damals fast zu Real Madrid gewechselt wären?

Ja, das stimmt. Das war 2008, damals war Bernd Schuster Trainer, Christoph Metzelder hat dort gespielt. Aber ich habe mich für den FC Brügge entschieden. Ich wäre schon gerne nach Madrid gegangen. Aber ich jammere dem jetzt nicht mehr hinterher.

Von Brüssel wechselten Sie zu Energie Cottbus, spielten beim FSV Frankfurt, SC Paderborn und bei Werder Bremen II - wie kamen Sie nach Düdelingen?

Ich hatte bei Bremen II nur ein halbes Jahr Vertrag. Mein jetziger Co-Trainer, Erwin Bradasch, wusste das und hat mich relativ früh angerufen. Er hat mir den Verein erklärt, wie hier alles abläuft und dass wir eventuell Europa League spielen. Da habe ich mir gesagt: "Das wäre doch zum Ende der Karriere noch mal was Besonderes."

Dass Sie Ihre ersten großen internationalen Spiele ausgerechnet in Düdelingen spielen, war nicht unbedingt vorherzusehen, oder?

Ne, auf gar keinen Fall, das hätte ich niemals gedacht. Auch als ich jetzt dahin gewechselt bin, war das alles andere als sicher. Als es mit der Quali losging, haben mir alle gesagt: "Wir sind bisher immer knapp ausgeschieden." Aber wir haben von Anfang an gut gespielt und hatten in den entscheidenden Momenten das nötige Quäntchen Glück. Als wir dann gegen Legia Warschau weitergekommen sind, fehlten uns noch zwei Spiele, um die Qualifikation zu schaffen. Und plötzlich kam die Hoffnung auf: "Boah, wir können das hier wirklich packen."

Hatten Sie den Namen Düdelingen zuvor schon mal gehört?

Nein, gar nicht. Ich kannte weder den Ort noch den Verein. Wenn man in Deutschland spielt, dann guckt man nicht nach Luxemburg, da bin ich ehrlich. Der Erwin hat mir von Düdelingen erzählt, und ich bin hingefahren und hab's mir erst mal angeschaut.

Was hat Sie überzeugt?

Hier sind wirklich professionelle Bedingungen. Dino (Toppmöller, Trainer von Düdelingen Anm. d. Red.) und sein Team haben das wirklich gut hinbekommen. Man merkt, dass er früher Profi war. Er macht das sehr, sehr gut.

Wie hat Dino Toppmöller die Mannschaft vor den Europa-League-Spielen eingestellt? War die Anweisung: Hinten reinstellen und auf den Lucky Punch warten?

Nein, überhaupt nicht. Wir wollten immer Fußball spielen, das können wir, das sind wir aus der Liga gewohnt. Klar musst du gegen diese Mannschaften viel verteidigen, weil die einfach eine andere Qualität haben. Aber immer, wenn wir den Ball hatten, haben wir versucht Fußball zu spielen. Das kam auch sehr, sehr gut an. Gennaro Gattuso (Trainer vom AC Mailand, Anm. d. Red.) hat gesagt, wir seien eine Mannschaft, die Fußball spielen will, und nicht einfach nur die Bälle rausbolzt.

Wer war der beste Spieler, gegen den Sie in diesen sechs Spielen gespielt haben? Gonzalo Higuaín?

Fortounis. Fortounis. Ganz klar, der war der Beste. Der hat richtig Gas gegeben. Bei Betis haben Andrés Guardado und William Carvalho auch gut gespielt, aber was Konstantinos Fortounis gegen uns gemacht hat, war schon extrem.

Was hat sich in den vergangenen drei Monaten verändert?

Luxemburg ist nicht wirklich fußballbegeistert, aber durch unseren Erfolg ist auf jeden Fall ein Aufwind entstanden, und hoffentlich hält das an. Die Nationalmannschaft macht es dieses Jahr auch ganz ordentlich. Und wir sind auf jeden Fall als Team zusammengewachsen. Wir hatten in vier Monaten 31 Spiele. Für die großen englischen und deutschen Vereine ist diese Belastung etwas Normales, aber für uns war das ziemlich schwierig.

Normalerweise trainiert die Mannschaft nur einmal am Tag, abends, da viele Spieler tagsüber normalen Berufen nachgehen. Wie war es möglich, dieses Pensum überhaupt zu bewältigen.

Die Jungs, die arbeiten, haben bis Januar frei bekommen, und wir konnten unter Profi-Bedingungen trainieren - sonst wäre es schwierig geworden. Nach der Winterpause wird das Pensum vermutlich wieder runtergeschraubt. Jetzt haben wir erst mal bis zum 12. Januar frei. Das macht auch Sinn, weil es hier nirgendwo eine Rasenheizung gibt.

Düdelingen ist in der Liga Dritter, nicht der Anspruch für einen Verein, der in den letzten 18 Jahren 14 Mal Meister wurde.

Wir haben jetzt drei Punkte Rückstand auf den Ersten. Jeunesse Esch hat bisher eine gute Saison gespielt und Fola Esch, mit Jeff Strasser als Trainer, ist auch sehr, sehr gut. Aber ohne Doppelbelastung wird es leichter, den Titel anzugreifen.

Wie geht es nach der Saison für Sie weiter? Bleiben Sie in Düdelingen?

Mal gucken. Lust habe ich auf jeden Fall. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag, aber wie das halt so ist: Im Fußball weiß man nie, und manchmal geht alles schneller, als man gucken kann. Mit Düdelingen noch mal in Europa zu spielen wäre natürlich toll.

© SZ vom 16.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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