Ermittlungen gegen Blatter:Sorgloser Präsident

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Die Spitzen des Fußballs halten still oder reagieren kopflos. Dabei droht der Fifa eine Ausweitung der Ermittlungen.

Von Thomas Kistner, München

Die Fußballwelt kollabiert, der Kahlschlag auf der Chefetage geht voran. Die Eröffnung von Strafermittlungen gegen Sepp Blatter und die Verwicklung von Europa-Chef Michel Platini in eine dubiose Millionenzahlung zwingen die Ethikkommission des Weltverbands zur Einleitung eines internen Ermittlungsverfahrens, Suspendierungen sind zu erwarten. Doch das Milliardenbusiness rund um den Ball, die großen Verbände und Ligen, halten still oder agieren kopflos. Dass der Deutsche Fußball-Bund am Wochenende nur zum x-ten Mal "Reform und Aufklärung" forderte, passt ebenso ins surreale Gesamtbild wie die in Schweizer Medien verbreitete Aussage eines Blatter-nahen Beraters, derzufolge der 79-Jährige gelasen im Amt sei: "Der Präsident hat nicht die geringsten Sorgen. Er ist guten Mutes."

Ernster zu nehmen sind die Aktivitäten der Schweizer Bundesanwaltschaft, die am Freitag nach einer Exekutivsitzung in der Züricher Fifa-Zentrale eingerückt war. Es gab Durchsuchungen und Einvernahmen von Blatter und Platini, dann gaben die Ermittler bekannt, dass gegen den Fifa-Chef ein Strafverfahren laufe. Der Verdacht lautet auf Untreue. Die Behörde hat einen TV-Vertrag von 2005 im Visier, den Blatter an seinen Vize Jack Warner für 600 000 Dollar ausgereicht hatte. Der Karibik-Funktionär soll mit den Rechten einen zweistelligen Millionenprofit gemacht haben. Sein Auslieferungsverfahren in die USA läuft.

Bald könnte es auch um die Rolle der Fifa in der ISL-Affäre gehen

Im Fall Platini geht es um zwei Millionen Schweizer Franken, die Blatter im Februar 2011 an den Uefa-Präsidenten ausgereicht haben soll - "angeblich", wie die Behörde formuliert, für Dienste, die der Franzose zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleistet haben soll. Also bis zu zwölf Jahre vor der Zahlung. Platini war damals aber ohnehin der bezahlte Berater Blatters. Am Freitag ließ er mitteilen, dass die Nachzahlung seine "vertragliche Arbeit für die Fifa" betroffen und er die Sache "mit den Behörden klargestellt" habe. Blatter, der auch hier als Beschuldigter geführt wird, weist ebenso wie der als "Auskunftsperson" geführte Platini alle Vorwürfe zurück; für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Die Fifa-Ethikkommission war bereits vor Bekanntwerden der Entwicklungen am Freitag in Alarmstimmung; mit einer raschen Entscheidung des Gremiums ist daher zu rechnen. Im Fortgang der Ermittlungen, die parallel zur Bundesanwaltschaft auch von der US-Justiz geführt werden, könnte bald ein anderer möglicher Untreue-Verdacht auf den Tisch kommen: Die Rolle der Fifa-Führung bei den Schweizer Strafermittlungen zur Schmiergeldaffäre um die frühere Hausagentur ISL. Diese Firma hatte einst 142 Millionen Franken an Sportfunktionäre bezahlt, auch an hohe Fifa-Offizielle wie Blatter-Vorgänger Joao Havelange. Zur Einstellung des Verfahrens im Jahr 2010 wurde die Fifa selbst, anfänglich Opfer der Affäre, mit 2,5 Millionen zur Kasse gebeten: Sie war zur Mitbeschuldigten geworden. Wichtige Funktionsträger hatten nicht mit den Behörden kooperiert.

Müsste Blatter gehen, würde formal Hayatou übernehmen

Während die Sportwelt im Zuge der Affäre lernt, dass es neben passiver den Tatbestand aktiver Bestechung gibt, weiten sich die Ermittlungen aus. Zu Blatter sind offiziell noch keine Schritte über die am Freitag in der Fifa-Zentrale hinaus bekannt. Aber auch so lässt das mutmaßlich schon laufende Ethikverfahren die Fußballwelt fieberhaft nach Interimslösungen suchen. Formal an der Reihe wären die Vizepräsidenten Issa Hayatou (Kamerun) und Ángel María Villar (Spanien). Nur: Beide haben selbst Anbindungen an die Affären.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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