Englands Coach Eriksson:Was vom Schweden übrig bleibt

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Gegen Portugal geht es für Englands Coach Sven-Göran Eriksson um alles - Angstgegner Luiz Felipe Scolari, der Portugals Trainer, wird es ihm nicht einfach machen.

Raphael Honigstein

Die Weltmeisterschaft wird nicht am Samstag in Gelsenkirchen entschieden, aber für Sven-Göran Eriksson geht es gegen Portugal um Alles. Auf dem Spiel steht: sein Vermächtnis.

Im Grunde hat der ehemalige Spieler vom unterklassigen schwedischen Klub Degerfors seit seinem Amtsantritt im Januar 2001 ordentliche Arbeit geleistet. Er hat die Mannschaft nach Jahren des chaotischen Ad-hoc-Managements auf hohem Niveau stabilisiert.

Er mistete die uralte Blut-Schweiß-und-Tränen-Metaphorik aus und brachte eine kontinentale Sachlichkeit in den Job. Man fand den Weg zurück in die Weltspitze. Bei der WM 2002 in Asien und der EM 2004 in Portugal schied das Team jeweils relativ unglücklich im Viertelfinale aus, jetzt ist es schon wieder unter den letzten Acht.

Seit Alf Ramsey, dem Weltmeistertrainer von 1966, ist kein national Manager kontinuierlich so weit gekommen. Aber es ist nicht weit genug. "Wir werden Weltmeister", hat der Schwede vor dem Turnier versprochen.

Aufbrausend, arrogant, erfolgreicher

Dafür muss aus Eriksson, dem notorischen Viertelfinaltrainer, jedoch in Deutschland endlich ein Halbfinaltrainer werden. Und das geht nur, wenn er im dritten Anlauf seinen Angstgegner besiegt: Luiz Felipe Scolari. Der Brasilianer steht kurz vor einem Hattrick. Mit Brasilien warf er in Asien Erikssons Elf aus dem Viertelfinale, in Portugal gelang ihm das mit den Portugiesen.

Scolari wäre vor ein paar Monaten beinahe Erikssons Nachfolger geworden, der Verband wollte ihn, weil er der Gegenentwurf zu Eriksson ist.

Aufbrausend, arrogant - und ein ganzes Stück erfolgreicher. Scolari sagte erst zu und dann wieder ab; er wollte nicht, dass hunderte von englischen Journalisten in den kommenden vier Jahren sein Leben durchleuchten.

Verliert Eriksson das Duell ein weiteres Mal, wird er als kompetenter, netter Mann in die Annalen des englischen Fußballs eingehen. Als Trainer, dem die Härte und der Mut fehlte, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Als Trainer, der immer von Scolari besiegt wurde.

"Und er sagte kein Wort"

Verlieren ist für Engländer im Gegensatz zu ihren Nachfahren in Nordamerika dabei keine Todsünde. Sich nicht mit Haut und Haaren gegen die Niederlage gestemmt zu haben - das ist verwerflich. Eriksson hat das Pech, zwei Mal gegen einen Trainer ausgeschieden zu sein, der vor der Kamera so viel engagierter wirkt.

Der Schwede ist keiner, der an der Linie rumhampelt oder schreit, seine Nüchternheit hat man ihm als Passivität oder Hilflosigkeit ausgelegt, das war und ist sein größtes Problem. Das Land fürchtet, dass es für die 7,5 Millionen Euro, die der Schwede pro Jahr verdient, nicht genug bekommen hat. Nicht genug Herzblut.

Hinter seinem Schreibtisch in der Verbandszentrale in Soho hat der 58-Jährige ein Poster aufgehängt mit dem Spruch "Talk low, talk slow and don't say too much" - "Sprich leise, sprich langsam and sag' nicht zuviel"; daran hat er sich penibel gehalten, selbst als seine Mannschaft 2002 gegen neun Brasilianer nicht in der Lage war, eine Torchance herauszuspielen und jämmerlich 1:2 verlor.

"Es war Zeit, dass der Trainer zu arbeiten anfing", hat der ehemalige Nationalspieler Robbie Fowler über die Halbzeit dieser Partie geschrieben, "die Taktik musste geändert, Glaube vermittelt werden. Aber er sagte überhaupt nichts, er stand einfach nur da, mit einem verwunderten Gesichtsausdruck. Wir drehten uns auf den Rücken und starben. Es gab keinen Teamgeist, keinen Kampf, keinen Zusammenhalt. Und der Trainer sagte kein Wort."

Zwei Jahre später, beim nächsten Treffen der Trainer, gingen die Engländer in Lissabon früh in Führung. Scolari nahm seinen müden Kapitän Luis Figo vom Platz und wechselte Angreifer Helder Postiga ein, der die Gastgeber mit einem späten Tor in die Verlängerung schoss.

Auf der anderen Seite wechselte Eriksson Steven Gerrard für den defensiveren Owen Hargreaves aus; der mit jeder Minute langsamer trabende David Beckham spielte 120 Minuten durch und verschoss später im Elfmeterschießen.

Nicht versagt, nichts erreicht

Damit waren die Rollen endgültig verteilt. Scolari, laut brüllend und animiert, hatte für den Erfolg nicht auf große Namen Rücksicht genommen; Eriksson, angenehm und in sich ruhend, war wie so oft den Weg des geringsten Widerstands gegangen, danach erwies er sich als hervorragender Verlierer.

"Die Journalisten klatschten nach der Pressekonferenz", schrieb die Financial Times, "nicht, weil er guter Trainer war. Sondern weil er ein guter Mensch war."

Es gibt kleine Anzeichen, dass Eriksson etwas weniger gut und etwas mehr wie Scolari sein will. Er hat in diesem Turnier keine wirklich klare Linie, diese aber eine Spur energischer durchgezogen als bisher. Wird er im entscheidenden Moment über seinen Schatten springen können oder doch nur als Anti-Scolari enden; als einer, der nicht versagte, aber auch nichts erreichte? In Gelsenkirchen entscheidet sich, was vom Schweden übrig bleibt.

© SZ vom 28.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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