England:Pilze sammeln im Bühlertal

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Englands Trainer Sven-Göran Eriksson kritisiert Kapitän David Beckham - doch die beiden sind aufeinander angewiesen.

Raphael Honigstein

Ist es die Hitze, ist es die (Bühler-)Höhe, ist es die Langeweile? Es gibt schon länger atmosphärische Störungen im englischen Lager, und nun hat es richtig gekracht. Laut dem Independent flogen zwischen zwei angesehenen Mitgliedern des Teams die Fäuste, aus irgendeinem nichtigen Grund.

Es soll - wen überrascht das? - Alkohol im Spiel gewesen sein. Die Namen der beiden Streithähne können leider an dieser Stelle nicht gedruckt werden, das verbietet die Solidarität mit den Kollegen von der Insel.

Es ist ja wirklich verdammt hart, fünf Wochen lang in Baden-Baden zu sitzen und jeden Tag für riesengroße Aufregung sorgen zu müssen. Da kann der friedliebendste Journalist schon mal durchdrehen.

Immerzu im Kreis liefen gestern auch die englischen Fußballer beim Aufwärmtraining. Es ging im Uhrzeigersinn, nur Steven Gerrard war ein Geisterjogger. Dann schickten die Sicherheitskräfte alle Zuschauer zurück ins weiß-rote Zelt, und just in diesem Moment verabschiedete sich ein Grüppchen von Schreibern "zum Pilzesuchen" in den Wald, der den Fußballplatz des SV Bühlertal an zwei Seiten hübsch einrahmt.

Sicher Zufall. Bei Redaktionsschluss war noch nicht geklärt, ob sie fündig geworden waren.

4-5-1 mit Wayne Rooney als einsamer Spitze oder doch das 4-4-2 der ersten, beschämend schlechten Partien - das ist die Frage zum Achtelfinale. Sven-Göran Eriksson scheint zur zweiten Variante zu tendieren, weil Rooney eher eine hängende Spitze ist.

"Wir können beides, es ist egal, wir müssen nur als Mannschaft gut spielen", sagte David Beckham. Der Kapitän war nicht gut gelaunt, das war offensichtlich. Die Sun hatte am Freitag Victoria auf der Titelseite des Sportteils abgebildet, ihr Gesicht aber war in der Fotomontage sehr faltig, sie trug den Ansatz einer Glatze und Brille - oh weh, es war Erikssons Antlitz.

"SVEN: I'M NO POSHOVER" ("Ich bin kein Jasager"), stand darüber, pushover war absichtlich mit "o" geschrieben, wie Posh Spice, der alte Kampfname von Victoria.

Sven hatte, das war die Story, bestätigt, dass er mit Beckham "weder verheiratet noch verlobt" sei und ihn jederzeit auf die Bank setzen würde, falls die Form nicht entsprechend sei. Anlass dazu gäbe es, dazu kommen wird es nicht.

"Eriksson und Beckham sind durch die Nabelschnur miteinander verbunden", schrieb die Sun, "beide füttern sich gegenseitig." Es stimmt, die beiden halten sich in guten und in schlechten Zeiten die Treue.

Beckham ist angesäuert

Das ist löblich, kommt aber derzeit nicht gut an, denn Beckham spielte gegen Schweden furchtbar schlecht. Selbst Geoff Hurst, der Hattrick-Schütze von 1966, forderte seine Versetzung auf die Bank.

Beckham ist angesäuert. "Ich sitze nicht hier, um über meine Leistung zu reden", sagte er auf dem Podium. "Jeder verfolgt seine eigenen Ziele, ich habe meines: den Pokal zu gewinnen".

Es fiel John Terry zu, seinen Kapitän in Schutz zu nehmen. "Er spielt sehr gut, ich verstehe die Kritik nicht. Es ist nicht fair, ihn herauszugreifen", sagte der Verteidiger mit einem kleinem Lächeln, einen Lügendetektortest hätte er wahrscheinlich in diesem Moment nicht bestanden.

Terry erzählte, man habe nach dem Flankendesaster gegen die Schweden ausgiebig Freistöße, Ecken und Einwürfe geübt - und natürlich auch, das ist kein lahmer Gag, Elfmeter. Im Zweifelsfall würde er sich als Schütze zur Verfügung stellen.

"Aber ob der Trainer mich nimmt, ist eine andere Sache, wahrscheinlich wäre ich auf der Liste ziemlich weit unten". Auch Beckham würde sich melden, "natürlich". Gegen Ecuador sollte es eigentlich nicht so weit kommen; ob England dabei ins Viertelfinale rumpelt, ist Terry ziemlich egal.

"Von mir aus können wir schlecht spielen und alle Spiele gewinnen", meinte er, "aber wir spielen ja nicht so schlecht. Bisher haben wir die Ergebnisse erreicht.

Mannschaftlich und individuell können wir uns noch steigern, das dürfte den anderen Teams Sorgen machen." Und vielleicht auch den mitgereisten Journalisten. Wer weiß, was noch passiert, wenn sie alle bis zum 9. Juli bleiben müssen.

© SZ vom 24.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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