England:Drei Mal Pech ist kein Pech

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Nach der Niederlage tritt Beckham als Kapitän Englands zurück und macht Platz für einen neuen Heilsbringer.

Raphael Honigstein

Sehr feierlich sah David Beckham in seinem schwarzen Anzug aus. Er humpelte ein wenig, schaffte es aber trotzdem, mit festem, schnellen Schritt das Podium zu betreten. Dann holte er bedeutungsschwanger einen kleinen Zettel aus dem Jacket.

Es war fast Sonntagmittag am Tag nach dem Aus, ein guter Moment für eine große, ergreifende Trauerrede. Mit zittriger Stimme, im harten Kampf gegen die Tränen, erwies der 31-Jährige sich selbst das letzte Geleit. "Am 15. November 2000 (...) wurde mir die größte Ehre meiner Karriere zuteil, ich wurde zum Kapitän von England, mein Kindheitstraum wahr", begann er, "nun, nach fast sechs Jahren (...) ist die Zeit reif, die Binde abzugeben. Es war eine Ehre und ein Privileg, Englands Kapitän zu sein, und ich will betonen, dass ich weiter für England spielen möchte und alles tun werde, um dem neuen Kapitän und Steve McClaren zu helfen."

Im Pressezelt, nach dem dritten verlorenen Viertelfinale hintereinander: Das war nicht der Heldentod, den der Kapitän der englischen Nationalmannschaft am liebsten gestorben wäre.

"Ich hatte die Entscheidung schon vor einiger Zeit getroffen, aber gehofft, sie nach einer erfolgreichen Weltmeisterschaft bekannt geben zu können", sagte Becks, noch immer den Tränen ganz nahe, "unsere Leistung war nicht gut genug, um weiter zu kommen. Alle Spieler und ich bedauern dies und es tut uns mehr weh, als die Leute merken."

Beckham wird nicht mehr Weltmeister werden. In vier Jahren ist er 35, wahrscheinlich schiebt er dann irgendwo in Amerika eine ruhige Kugel.

Nicht der Messias

Davor kann er noch die Europameisterschaft mitnehmen, sicher ist seine Teilnahme nicht. Er war ein guter, manchmal ein sehr guter Spieler, aber er war nicht der Messias. Die verzweifelte, traditionelle Suche nach einem Heilsbringer geht weiter.

Es wird, es soll, es muss wieder Wayne Rooney sein, trotz seines Aussetzers. "Bitte hören Sie mir zu", appellierte Sven-Göran Eriksson auf seiner letzten Pressekonferenz als Englands Nationaltrainer an die Journalisten, "Sie werden Wayne Rooney noch brauchen. Er ist der goldene Junge des englischen Fußballs. Bitte bringen Sie ihn nicht um."

Der Schwede wurde noch einmal zu all den Verfehlungen der vergangenen fünfeinhalb Jahre befragt. Elfmeterschießen? "Ich weiß es nicht, wir haben fünf, sechs Wochen fast jeden Tag geübt."

Drei Mal Aus im Viertelfinale? "Es tut mir Leid, wir waren nicht gut genug." Seine Bilanz? "Das müssen Sie bewerten, ich habe mein Bestes geleistet."

Der 58-Jährige behielt wie immer sein Fassung, er parierte kaum verhüllte Beleidigungen mit seinen geraden, einfachen Sätzen. Niemand weiß, ob sich in ihnen tiefere Wahrheiten verstecken oder die furchtbarsten Platitüden.

Das ist und war das Mysterium Erikssons: Er gab keine echten Antworten. "Ich übernehme die Verantwortung für alles, was Sie wollen", sagte er im Nebenzimmer zu den Printmedien; da fiel keinem mehr etwas ein. So hinterlässt er England, so fährt er in den Urlaub. Kann gut sein, dass Eriksson Südafrika bei der WM trainieren will.

Erfolgreicher Verlierer

In Italien nannte man ihn perdente di successo, den erfolgreichen Verlierer, weil er seine Vereine nicht entscheidend verbesserte, aber gerade genügend Spiele und Titel gewann, um in den nächsten, besseren Job zu kommen.

Nach der WM in Asien und der EM in Portugal schien das so weiter zu gehen, seine Bezüge wurden angehoben, doch das nächste Engagement wird weniger lukrativ sein, keine Frage. Hand in Hand mit David Beckham schien er den englischen Fußball in bessere Zeiten zu führen, jetzt steht er als Blender da.

Drei Mal Pech, das ist kein Pech mehr. Er hat es nie auch nur ansatzweise geschafft, aus dem besten Spielerpotenzial Englands nach 1966 das Optimale herauszuholen.

Ein Schreiber vom Evening Standard ergriff am Ende das Wort und dankte Eriksson für sein professionelles Verhalten und die insgesamt gute Zusammenarbeit. Die Kollegen klatschten, etwas ratlos. "Das ist das Beste, was ich heute von Ihnen gehörte habe", sagte Eriksson.

Das Beste von dem scheidenden Coach hatte man übrigens am Anfang gehört. "Guten Morgen", hatte er gesagt, "Es ist kein guter Morgen. Aber es ist ein Morgen." Immerhin. So long England, see you next time.

© SZ vom 3.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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